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Kirchengesetz
über ein kirchliches Verfassungs-
und Verwaltungsgericht
(Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsgesetz – VerfVwGG)

Vom 9. Oktober 2015

(KABl. S. 390)

Änderungen
Lfd. Nr.
Änderndes Recht
Datum
Fundstelle
Geänderte
Paragrafen
Art der
Änderung
1
Artikel 1 des Kirchengesetzes zur Änderung des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsgesetzes
30. Oktober 2020
neu gefasst
neu gefasst
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Die Landessynode hat das folgende Kirchengesetz beschlossen:
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Abschnitt 1: Allgemeines

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§ 1
Kirchengericht

( 1 ) Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland unterhält ein kirchliches Verfassungs- und Verwaltungsgericht (Kirchengericht).
( 2 ) Es werden zwei Kammern gebildet. Die Kirchenleitung kann bei entsprechendem Bedarf durch Rechtsverordnung weitere Kammern bilden.
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§ 2
Mitglieder des Kirchengerichts

( 1 ) Das Kirchengericht entscheidet in der Besetzung mit einem vorsitzenden Mitglied, zwei rechtskundigen beisitzenden Mitgliedern sowie jeweils einem ordinierten und einem nichtordinierten beisitzenden Mitglied.
( 2 ) Für jedes Mitglied des Kirchengerichts ist je ein erstes und ein zweites stellvertretendes Mitglied zu wählen; dieses kann einer anderen Kammer des Kirchengerichts angehören. Ist das vorsitzende Mitglied in einem laufenden Verfahren verhindert, wird es nach Maßgabe des Geschäftsverteilungsplanes von einem beisitzenden rechtskundigen Mitglied vertreten. Dieses wird durch sein stellvertretendes Mitglied nach Satz 1 vertreten.
( 3 ) Mitglied oder stellvertretendes Mitglied des Kirchengerichts kann nicht sein, wer der Landessynode, der Kirchenleitung, dem Kollegium des Landeskirchenamtes, einer Kirchenkreissynode oder einem Kirchenkreisrat angehört. Gleiches gilt für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer Kirchenkreisverwaltung und des Landeskirchenamtes.
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Abschnitt 2: Verfassungsgerichtsbarkeit

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§ 3
Zuständigkeit in Verfassungssachen

Das Kirchengericht entscheidet in Verfassungssachen
  1. über die Auslegung der Verfassung oder anderer Normen mit Verfassungsrang aus Anlass von Meinungsverschiedenheiten zwischen Organen oder Teilen von Organen der Landeskirche, die in der Verfassung mit eigenen Rechten ausgestattet sind, über den Umfang ihrer Rechte und Pflichten (Organstreitigkeit);
  2. über die Vereinbarkeit eines Kirchengesetzes, einer Rechtsverordnung oder der Satzung einer kirchlichen Körperschaft mit der Verfassung oder anderen Normen mit Verfassungsrang (Normenkontrollverfahren).
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§ 4
Organstreitigkeit

( 1 ) Antragsberechtigt in Organstreitigkeiten sind insbesondere die Landessynode, die Kirchenleitung und die Landesbischöfin bzw. der Landesbischof. Antragsberechtigt sind auch Ausschüsse der Landessynode, die in der Verfassung mit eigenen Rechten ausgestattet sind. Der Antrag ist nur zulässig, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller geltend macht, durch eine Maßnahme oder Unterlassung der Antragsgegnerin oder des Antragsgegners in ihren oder seinen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet zu sein.
( 2 ) Der Antrag muss binnen sechs Monaten gestellt werden, nachdem die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung der Antragstellerin bzw. dem Antragsteller bekannt geworden ist. Im Antrag ist die verfassungsrechtliche Bestimmung zu bezeichnen, gegen die durch die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung verstoßen sein soll.
( 3 ) Das Kirchengericht stellt in seiner Entscheidung fest, ob die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung gegen eine Bestimmung der Verfassung oder einer anderen Norm mit Verfassungsrang verstößt. Die Bestimmung ist zu bezeichnen. Das Kirchengericht kann in der Entscheidungsformel zugleich eine für die Auslegung der Bestimmung erhebliche Rechtsfrage entscheiden, von der die Feststellung nach Satz 1 abhängt.
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§ 5
Normenkontrollverfahren

( 1 ) Antragsberechtigt in Normenkontrollverfahren sind mindestens ein Fünftel der Mitglieder der Landessynode, die Kirchenleitung, die Landesbischöfin bzw. der Landesbischof und eine Kirchenkreissynode. Der Antrag ist nur zulässig, wenn die Antragstellerin bzw. der Antragsteller eine Rechtsnorm eines Kirchengesetzes, einer Rechtsverordnung oder der Satzung einer kirchlichen Körperschaft wegen ihrer förmlichen oder sachlichen Unvereinbarkeit mit der Verfassung oder anderen Normen mit Verfassungsrang
  1. für nichtig hält oder
  2. für gültig hält, nachdem ein kirchliches Organ oder eine Kirchenbehörde sie als unvereinbar mit der Verfassung oder anderen Normen mit Verfassungsrang nicht angewendet hat.
( 2 ) Hält das Kirchengericht in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren eine anzuwendende Rechtsnorm eines Kirchengesetzes, einer Rechtsverordnung oder der Satzung einer kirchlichen Körperschaft für unvereinbar mit der Verfassung oder anderen Normen mit Verfassungsrang, so entscheidet es über die Frage der Verfassungsmäßigkeit in einem gesonderten Verfahren. Hält ein anderes Kirchengericht der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland eine anzuwendende Rechtsnorm eines Kirchengesetzes, einer Rechtsverordnung oder der Satzung einer kirchlichen Körperschaft für unvereinbar mit der Verfassung oder anderen Normen mit Verfassungsrang, so ist es zur Vorlage verpflichtet. Die Begründung des Vorlagebeschlusses muss angeben, inwiefern die Entscheidung von der Gültigkeit der Rechtsnorm abhängig sein soll und mit welcher übergeordneten Rechtsvorschrift die anzuwendende Rechtsnorm unvereinbar sein soll; die Verfahrensakten sind beizufügen. Das Kirchengericht entscheidet nur über die die Frage der Verfassungsmäßigkeit.
( 3 ) Kommt das Kirchengericht zu der Überzeugung, dass eine Rechtsnorm eines Kirchengesetzes, einer Rechtsverordnung oder der Satzung einer kirchlichen Körperschaft mit der Verfassung oder anderen Normen mit Verfassungsrang nicht vereinbar ist, so stellt es in seiner Entscheidung die Nichtigkeit dieser Rechtsnorm fest. Sind weitere Rechtsnormen desselben Kirchengesetzes, derselben Rechtsverordnung oder derselben Satzung aus denselben Gründen mit der Verfassung oder anderen Normen mit Verfassungsrang nicht vereinbar, so kann sie das Kirchengericht ebenfalls für nichtig erklären. Die Entscheidung des Kirchengerichts hat Gesetzeskraft; die Entscheidungsformel ist nach Eintritt der Rechtskraft im Kirchlichen Amtsblatt zu veröffentlichen.
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§ 6
Verfahren

Im Übrigen finden für Verfahren in Verfassungssachen die Vorschriften des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung entsprechende Anwendung, soweit nicht im Kirchengesetz über die Kirchliche Gerichtsbarkeit in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland vom 9. Oktober 2015 (KABl. S. 386) Abweichendes geregelt wurde.
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Abschnitt 3: Verwaltungsgerichtsbarkeit

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§ 7
Zuständigkeit in Verwaltungssachen

( 1 ) Der kirchliche Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet für
  1. kirchenrechtliche Streitigkeiten aus dem Recht der kirchlichen Aufsicht über Kirchengemeinden, Kirchenkreise und andere juristische Personen des Kirchenrechts;
  2. kirchenrechtliche Streitigkeiten aus dem öffentlichen Dienstrecht der Kirche, soweit sie nicht dem Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten oder dem Disziplinargericht oder der staatlichen Gerichtsbarkeit zugewiesen sind;
  3. Streitigkeiten aus der Anwendung der Regelungen über den kirchlichen Datenschutz;
  4. andere kirchenrechtliche Streitigkeiten, für die der kirchliche Verwaltungsrechtsweg durch kirchliches Recht ausdrücklich eröffnet ist.
( 2 ) Das Kirchengericht entscheidet nicht in Streitigkeiten über Kirchensteuern. In diesen Fällen entscheidet die staatliche Finanzgerichtsbarkeit.
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§ 8
Rechtsmittel

( 1 ) Gegen Urteile in Verwaltungssachen steht den Beteiligten die Revision zu. Gegen Entscheidungen in Verwaltungssachen, die nicht Urteile sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde zu. Als Revisions- und Beschwerdegericht dient das Verfassungs- und Verwaltungsgericht der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands.
( 2 ) Die Revision ist gegeben, wenn das Kirchengericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Revisionsgericht sie zugelassen hat. Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
  1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
  2. das Urteil von einer Entscheidung des Revisionsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
  3. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung gebunden.
( 3 ) In den Verfahren, in denen die Revision ausgeschlossen ist, findet eine Beschwerde nicht statt. Prozessleitende Verfügungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beschlüsse über die Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen können nicht mit der Beschwerde angefochten werden. In Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen ist die Beschwerde ausgeschlossen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro nicht übersteigt.
( 4 ) Für das Revisions- und das Beschwerdeverfahren findet das Verwaltungsgerichtsgesetz der EKD vom 10. November 2010 (ABl. EKD S. 330; 2011 S. 149) in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. Für die Beschwerde nach Absatz 2 Satz 1 gilt § 133 der Verwaltungsgerichtsordnung in der jeweils geltenden Fassung entsprechend.
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§ 9
Verfahren

Für Verfahren in Verwaltungssachen findet das Verwaltungsgerichtsgesetz der EKD in der jeweils gültigen Fassung Anwendung, soweit nicht in diesem Kirchengesetz oder im Kirchengerichtsgesetz vom 9. Oktober 2015 (KABl. S. 386) Abweichendes geregelt wurde.
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Abschnitt 4: Schlussbestimmungen

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§ 10
Inkrafttreten, Außerkrafttreten

( 1 ) Dieses Kirchengesetz tritt am 1. Januar 2016 in Kraft.
( 2 ) Gleichzeitig treten außer Kraft
  1. das Kirchengesetz über ein Kirchengericht der evangelisch-lutherischen Kirchen in Schleswig-Holstein und Hamburg vom 10. November 1972 (KGVOBl. 1974 S. 63),
  2. die Kirchengerichtsordnung des Kirchengerichts der evangelisch-lutherischen Kirchen in Schleswig-Holstein und Hamburg vom 2. April 1974 (KGVOBl. S. 65), die zuletzt durch § 47 des Einführungsgesetzes zur Verfassung der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche vom 12. Juni 1976 (KGVOBl. S. 179) geändert worden ist,
  3. das Kirchengesetz über den Rechtshof vom 23. März 1969 (KABl S. 18) der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs.