.
#
III.
Kirchengericht: | Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Nordelbischen Ev.-Luth. Kirche |
Entscheidungsform: | Beschluss (rechtskräftig) |
Datum: | 04.08.2008 |
Aktenzeichen: | 1 KG 15/2008 |
Rechtsgrundlage: | MVG-EKD: § 45 Abs. 1 § 46 lit. h |
Vorinstanzen: | keine |
Schlagworte: |
Leitsatz:
• | Erörterungsverlangen der Mitarbeitervertretung in Fällen der Mitberatung. |
• | Einhaltung der Zweiwochenfrist gem. § 45 Abs. 1 Satz 2 MVG-EKD. |
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Der Kirchenvorstand der Kirchengemeinde G (Dienststellenleitung) wandte sich mit Schreiben vom 26.2.2008 an die Antragstellerin mit der Bitte, zur beabsichtigten Übertragung von Verwaltungsgeschäften, die bisher von der Kirchengemeinde wahrgenommen würden, auf den Kirchenkreis K - konkret: Kirchliches Verwaltungszentrum - zum 1.1.2009 Stellung zu nehmen. Zur Begründung wurde einerseits auf das zum 1.5.2009 in Kraft tretende Kirchengesetz über die Organisation der Verwaltung in den Kirchenkreisen(KKVwG) vom 10.10.2006 (GVOBl. Seite 178) verwiesen. Nach diesem Kirchengesetz würden zukünftig zentrale Dienstleistungen in den Verwaltungsbereichen Personalwesen, Finanzwesen, Bauwesen, die Liegenschaftswesen, Kirchensteuern, Kirchenmitgliedschaft, Kirchenbuch- und Meldewesen sowie Archivwesen von Kirchlichen Verwaltungszentren erbracht werden. Nach § 2 Abs. 2 KKVwG seien die Kirchengemeinden verpflichtet, die von den kirchlichen Verwaltungszentren zu erbringenden zentralen Dienstleistungen abzunehmen. Andererseits wurde ausgeführt, dass die Dienststellenleitung es nicht für sinnvoll halte, die Übertragung der vorgenannten Verwaltungsgeschäfte zum 1.5.2009, also mitten im laufenden Kalenderjahr, vorzunehmen. Sie wolle stattdessen die Übertragung bereits zum 1.1.2009 vornehmen. Ob und in welchem Umfang Verwaltungsaufgaben und -dienstleistungen bei der Kirchengemeinde verbleiben, sei noch nicht abschließend geklärt. Der letzte Satz dieses Schreibens lautet wörtlich: "Der Kirchenvorstand bittet die Mitarbeitervertretung in dieser Angelegenheit um eine Stellungnahme, stehen Ihnen aber gerne auch zunächst für eine Erörterung zur Verfügung.“
Die Mitarbeitervertretung antwortete mit Schreiben vom 10.3.2008. In dem Schreiben, das an Herrn Pastor P gerichtet war, heißt es auszugsweise:
„Ob eine Übertragung der Verwaltungsgeschäften bereits zum 1.1.2009 möglich ist, hängt maßgeblich davon ab, ob ihrerseits schlüssig dargelegt werden kann, welche Arbeiten mit welcher Stundenzahl an das Verwaltungszentrum übertragen werden müssen. Diese Feststellung des Bedarfes dürfte anhand der Arbeitsplatzbeschreibungen der Mitarbeiterinnen der Verwaltung und deren Auswertung besser möglich sei. Die Mitarbeitervertretung empfiehlt nach erfolgter Auswertung der einzelnen Arbeitsplatzbeschreibungen einen Termin mit den Mitarbeiterinnen, Frau F, Ihnen und Herrn H vom Kirchenkreis K zu vereinbaren, um anhand der Arbeitsplatzbeschreibungen die Abgrenzung der weiterhin in G bzw. künftig beim Kirchenkreis K im Einzelnen zu erledigenden Arbeiten zu klären, um am Ende eine realistische Stundenzahl festzulegen.
Ein sehr konstruktives Gespräch in dieser Angelegenheit wurde bereits am 17.7.2006 mit den Teilnehmern Tn (es folgen die Namen) geführt.
Eine Ausfertigung dieses Schreibens erhält der Vorsitzende des Kirchenvorstandes zur Kenntnis. "
Pastor P erklärte mit Schreiben vom 8.4.2008, das am 9.4.2008 bei der Mitarbeitervertretung einging, die Erörterung der Angelegenheit für beendet. In dem Schreiben heißt es auszugsweise weiter:
„Wir werden daher wie im Schreiben vom 26.2.2008 angekündigt, die sich aus der Anlage "Leistungskatalog" zum KKVwG ergebenen Verwaltungsgeschäfte zum 1.1.2009 auf den Kirchenkreis übertragen. Bei der Übertragung der Verwaltungsgeschäfte handelt es sich um eine gesetzliche Verpflichtung, so dass gar kein Ermessenspielraum besteht. Der vorgezogene Zeitpunkt resultiert aus der vernünftigen Überlegung, dass eine Übertragung von laufenden Geschäften im laufenden Kalenderjahr zu zusätzlichen Problemen in den Verwaltungsabläufen führt.
Über die Frage ob und in welchem Umfang Verwaltungstätigkeiten bei der Gemeinde verbleiben, wird zu gegebener Zeit entschieden. Die Kirchengemeinde wird die MAV in dem gesetzlich gebotenen Rahmen dann selbstverständlich beteiligen. "
Die Mitarbeitervertretung wandte sich mit Schreiben vom 16.4.2008 erneut an die Dienststellenleitung, und zwar unter Bezugnahme auf deren Schreiben vom 8.4. 2008. Das Schreiben lautet auszugsweise:
„Mit Schreiben vom 10.3.2008 hat die MAV die erbetene Stellungnahme abgegeben und unter Hinweis auf das konstruktive Gespräch vom 17.7.2006 um Erörterung im Sinne von § 45 MVG-EKD gebeten. Ihr Schreiben vom 8.4.2008 hat die MAV mit Verwunderung zur Kenntnis genommen, weil sie darin die Erörterung für beendet erklären, ohne dass diese im Anschluss an das Schreiben der MAV vom 10.3.2008 stattgefunden hätte.
Das Mitbestimmungsverfahren kann gem. § 46 Abs. 1 Satz 7 MVG-EKD nur beendet werden, wenn Dienststellenleitung und Mitarbeitervertretung zuvor die beabsichtigten Maßnahmen erörtert haben (vgl. Berliner Kommentar, MVG-EKD § 45 Rn 41).
Wir bitten, die Erörterung (wieder) aufzunehmen und erwarten bis zum 17.4.2008 einen geeigneten Terminvorschlag. Nach Fristablauf behalten wir uns die Anrufung des Kirchengerichts gem. § 45 Abs. 2 Satz 2 MVG-EKD vor.“
Die Mitarbeitervertretung hat mit Antragsschrift vom 22.4.2008 das Kirchengericht gem. § 45 Abs. 2 Satz 2 MVG-EKD angerufen. Sie begehrt die Feststellung, dass die von der Kirchengemeinde G beabsichtigte Übertragung von Verwaltungsgeschäften auf den Kirchenkreis K zum 1.1.2009 rechtswidrig sei, da das Mitberatungsverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Nach ihrer Auffassung leide das Mitberatungsverfahren an einem schweren Fehler, weil die Dienststellenleitung die in Rede stehende Maßnahme nicht mit der Mitarbeitervertretung erörtert habe, obwohl sie (die Mitarbeitervertretung) dies mit Schreiben vom 10.3.2008 beantragt habe.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
- dass das Kirchengericht feststellen möge, dass die von der Dienststellenleitung beabsichtigte, der Mitberatung gem. § 46 lit. h MVG-EKD unterliegende Maßnahme (Übertragung der sich aus der Anlage zu § 2 Abs. 2 Satz 1 KKVwG "Leistungskatalog" ergebenden Verwaltungsgeschäfte zum 1.1.2009 von der Kirchengemeinde G auf den Kirchenkreis K) unwirksam ist.
Die Beteiligte beantragt,
- den Antrag abzulehnen.
Sie ist der Auffassung, dass das Mitberatungsverfahren vorliegend ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Entgegen dem Vorbringen der Mitarbeitervertretung habe diese nicht in ihrer Stellungnahme vom 10.3.2008 die Erörterung der Angelegenheit beantragt. Die Dienststellenleitung habe das vorgenannte Schreiben als ablehnende Stellungnahme der Mitarbeitervertretung gewertet und ihre abweichende Entscheidung mit Schreiben vom 8.4.2008 der Mitarbeitervertretung mitgeteilt. Damit sei das Mitberatungsverfahren beendet gewesen.
Das Kirchengericht hat die Angelegenheit mit den Beteiligten im Einigungsgespräch (§ 60 Abs. 2 Satz 1 MVG-EKD) am 30.7.2008 erörtert.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Vorsitzenden an Stelle der Kammer gem. § 61 Abs. 2 Satz 3 MVG-EKG einverstanden erklärt, und zwar im schriftlichen Verfahren.
II.
1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere fristgerecht innerhalb der Zweiwochenfrist gem. § 45 Abs. 2 Satz 2 MVG-EKD beim Kirchengericht gestellt worden. Die Zweiwochenfrist begann vorliegend mit dem Eingang des Schreibens der Dienststellenleitung vom 8.4.2008 bei der stellvertretenden Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung. Nach dem Vermerk ist das Schreiben am 9.4.2008 eingegangen. Die Zweiwochenfrist endete somit mit Ablauf des 23.4.2008. Die Antragsschrift der Mitarbeitervertretung ist als Fax am 22.4.2008 beim Kirchengericht eingegangen und damit rechtzeitig.
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Denn das Mitberatungsverfahren ist ordnungsgemäß durchgeführt worden.
a) Die Ausgestaltung des Mitberatungsverfahrens ist in § 45 Abs. 1 MVG-EKD geregelt. Sie entspricht weitgehend dem Verfahren der Mitbestimmung nach § 38 MVG-EKD (vgl. Fey/Rehren, MVG-EKD, § 45 - Stand: 22. Erg.-Lfg. Januar 2007 - Rdnr. 4). Danach ist eine Erörterung nicht allgemein vorgeschrieben; sie findet vielmehr nach § 45 Abs. 1 Satz 1 MVG-EKG nur auf Verlangen der Mitarbeitervertretung statt (ebenso: Fey/Rehren a.a.O. § 45 Rdnr. 6, 14; Andelewski, in Berliner Kommentar zum MVG-EKD, 2007, § 45 Rdnr. 12,13). Die Mitarbeitervertretung kann die Erörterung nur innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der beabsichtigten Maßnahme stellen (ebenso: Andelewski a.a.O. Rdnr. 13; Baumann-Czichon/Dembski/ Germer/Kopp, MVG-EKD, 2. Aufl. 2003, § 45 Rdnr. 3).
b) Vorliegend hat die Mitarbeitervertretung innerhalb der Zweiwochenfrist nach Bekanntgabe der mitberatungspflichtigen Maßnahme nach § 46 lit. h MVG-EKD keinen Antrag auf Erörterung gestellt. Das Unterrichtungsschreiben der Dienststellenleitung vom 26.2.2008 ist bei der Mitarbeitervertretung am 27.2.2008 eingegangen, so dass die Zweiwochenfrist am 12.3.2008 endete. Bis zu diesem Zeitpunkt ist bei der Dienststellenleitung kein Erörterungsverlangen – weder mündlich noch schriftlich (vgl. Andelewski a.a.O. § 45 Rdnr. 13, 15; Baumann-Czichon/Dembski/Germer/Kopp a.a.O. § 45 Rdnr. 3) - eingegangen.
aa) Entgegen der Meinung der Mitarbeitervertretung enthält das Antwortschreiben vom 10.3.2008 weder ausdrücklich oder sinngemäß den Antrag auf Erörterung. Die Mitarbeitervertretung hat dem Kirchengericht weder im Einigungsgespräch noch schriftsätzlich aufgezeigt, aus welcher Textpassage sich das Erörterungsverlangen ergeben soll.
Die Dienststellenleitung ist deshalb zu Recht davon ausgegangen, dass die Mitarbeitervertretung eine Erörterung der Angelegenheit nicht verlangt hat. Allein der Umstand, dass die Dienststellenleitung in ihrem Schreiben vom 8.4.2008 im ersten Satz davon spricht, dass sie die „Erörterung“ für beendet erklärt, ändert an der rechtlichen Bewertung des Schreibens der Mitarbeitervertretung vom 10.3.2008 durch das Kirchengericht nichts. Denn aus dem Zusammenhang des ersten Satzes mit dem übrigen Text des Schreibens wird deutlich, dass das Wort „Erörterung“ nicht im engeren mitarbeitervertretungsrechtlichen Sinne gemeint ist, sondern im Sinne von „Angelegenheit“.
Bei dem Schreiben der Dienststellenleitung vom 8.4.2008 handelt es sich ersichtlich um die gesetzlich vorgeschriebene schriftliche Darlegung der abweichenden Meinung der Dienststellenleitung gem. § 45 Abs. 1 Satz 8 MVG-EKD (vgl. Andelewski a.a.O. § und 40 Rdnr. 43; Fey/Rehren a.a.O. § 45 Rdnr. 16).
bb) Die Mitarbeitervertretung hat nicht behauptet, dass sie innerhalb der hier maßgeblichen Zweiwochenfrist mündlich gegenüber der Dienststellenleitung die Erörterung der Angelegenheit verlangt hat.
Das erstmals mit Schreiben vom 16.4.2008 gestellte ausdrückliche Erörterungsverlangen gegenüber der Dienststellenleitung ist dagegen rechtsunwirksam, da es erst nach Ablauf der Zweiwochenfrist, die vorliegend am 12.3.2008 endete, gestellt worden ist.
c) Da die Mitarbeitervertretung vorliegend nach den obigen Feststellungen (unter b) innerhalb der hier maßgeblichen Zweiwochenfrist keine Erörterung der Angelegenheit verlangt hat, war weder eine Erörterung durchzuführen noch diese von einem der Beteiligten oder beiden Beteiligten gem. § 45 Abs. 1 Satz 7 MVG-EKD für beendet zu erklären.
Die von der Mitarbeitervertretung ausdrücklich benannte Kommentarstelle im Berliner Kommentar (§ 45 Rdnr. 41: „Das Mitberatungsverfahren kann gem. Abs. 1 Satz 7 nur beendet werden, wenn DL und MAV zuvor die beabsichtigte Maßnahme erörtert haben.“) führt daher nicht weiter. Denn sie bezieht sich nach dem Gesamtzusammenhang der Kommentierung zu § 45 MVG-EKD auf die Beendigung der Erörterung der Angelegenheit, wenn diese von der Mitarbeitervertretung rechtswirksam innerhalb der Zweiwochenfrist verlangt worden ist (s. Andelewski, in Berliner Kommentar a.a.O. § 45 Rdnr. 12,13,14, 41, 42). Das ist vorliegend aber gerade nicht geschehen.
III.
Der Beschluss ist gem. § 60 Abs. 8 Satz 1 MVG-EKD für die Beteiligten verbindlich.
gez. Kalitzky | |
(Vorsitzender Richter) |