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Kirchengesetz
zur Verwirklichung der Geschlechtergerechtigkeit in
der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland
(Geschlechtergerechtigkeitsgesetz – GeschlGerG)

Vom 11. Oktober 2013

(KABl. S. 406, 450)

Änderungen
Lfd. Nr.
Änderndes Recht
Datum
Fundstelle
Geänderte
Paragrafen
Art der
Änderung
1
Artikel 1 des Ersten Kirchengesetzes zur Änderung des Geschlechtergerechtigkeitsgesetzes
8. März 2021
Inhaltsübersicht
Angaben ersetzt
§ 6 Abs. 1 Satz 1
neu gefasst
Abschnitt 3, Überschrift
neu gefasst
§ 10
neu gefasst
§ 11, Überschrift
neu gefasst
Abs. 1 bis 4
Wörter ersetzt
§ 12, Überschrift
neu gefasst
Abs. 1 bis 3
Wörter ersetzt
§ 13, Überschrift
neu gefasst
Abs. 1 bis 5
Wörter ersetzt
§ 14
Wörter ersetzt
§ 18
neu gefasst
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Die Landessynode hat das folgende Kirchengesetz beschlossen:
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Inhaltsübersicht

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Abschnitt 1
Allgemeine Bestimmungen

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§ 1
Zielsetzung

Ziel dieses Kirchengesetzes ist die Verwirklichung der Geschlechtergerechtigkeit und die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern, die in den unterschiedlichen Ebenen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland ehrenamtlich oder beruflich Dienste wahrnehmen. Unterschiedliche Geschlechterperspektiven sollen einbezogen und deren Gleichwertigkeit berücksichtigt, bestehende Ungleichbehandlungen abgebaut und die Vereinbarkeit von beruflichen Pflichten und Familienpflichten verbessert werden.
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§ 2
Geltungsbereich

( 1 ) Die Verwirklichung des Zieles aus § 1 ist Aufgabe der Landeskirche, der Kirchenkreise, der Kirchengemeinden und ihrer Verbände.
( 2 ) Insbesondere alle Personen mit Leitungsverantwortung sind verpflichtet, die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern zu fördern.
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§ 3
Sprache

Kirchengesetze und andere Rechtsvorschriften sollen sprachlich der Gleichstellung von Frauen und Männern Rechnung tragen. Im Schriftverkehr sowie in Veröffentlichungen ist auf die sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern zu achten.
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§ 4
Ehrenamtliche Dienste

Das in § 1 genannte Ziel ist auch bei der Übertragung von ehrenamtlichen Diensten und bei deren Begleitung zu beachten. Ferner soll die Zielsetzung bei der Wahrnehmung des Ehrenamtes berücksichtigt werden.
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§ 5
Geschlechtsparitätische Zusammensetzung von Gremien

( 1 ) Gremien sollen in gleicher Anzahl mit Männern und Frauen besetzt werden.
( 2 ) Bei der Besetzung kirchlicher Gremien durch Wahl soll darauf hingewirkt werden, dass sich ebenso viele Frauen wie Männer zur Wahl stellen.
( 3 ) Bei der Entsendung oder Berufung in Gremien sollen die entsendenden oder berufenden Stellen ebenso viele Frauen wie Männer berücksichtigen. Sind einzelne Personen in ein bereits gebildetes Gremium zu entsenden oder zu berufen, soll auf den Ausgleich der Geschlechterrepräsentanz geachtet werden.
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Abschnitt 2
Gleichstellungsförderung

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§ 6
Stellenausschreibung

( 1 ) Werden Stellen ausgeschrieben, so müssen sie für alle Geschlechter ausgeschrieben werden. Eine Ausnahme zur Regelung in Satz 1 kann nur gemacht werden, wenn das Geschlecht wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.
( 2 ) Sofern nicht dienstliche oder betriebliche Belange entgegenstehen, ist auf die Möglichkeit einer Beschäftigung in einer Teilzeitstelle hinzuweisen.
( 3 ) Sofern innerhalb einer Qualifikationsebene einer Dienststelle Frauen bzw. Männer unterrepräsentiert sind, sollen Stellenausschreibungen so abgefasst werden, dass besonders das unterrepräsentierte Geschlecht zu einer Bewerbung aufgefordert wird. In diesen Fällen soll in der Ausschreibung darauf hingewiesen werden, dass die Dienststelle bemüht ist, den Anteil des unterrepräsentierten Geschlechts in diesem Bereich zu erhöhen.
( 4 ) Sofern eine Stelle ausgeschrieben wird, hat sich die Ausschreibung ausschließlich an den Anforderungen der zu besetzenden Stelle zu orientieren.
( 5 ) Die einzelnen Qualifikationsebenen ergeben sich jeweils aus der Zusammenfassung der Entgelt- und Besoldungsgruppen, der in der Dienststelle angewandten Vergütungs- und Besoldungsordnungen, die bei wertender Betrachtung nach den erforderlichen Qualifikationen vergleichbar sind.
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§ 7
Auswahlverfahren

( 1 ) Sind in einer Dienststelle jeweils bezogen auf die Qualifikationsebenen Frauen oder Männer unterrepräsentiert, müssen Bewerberinnen oder Bewerber des unterrepräsentierten Geschlechts, die über eine vergleichbare Qualifikation (Eignung, Befähigung, fachliche Leistung) verfügen, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden. Wenn ein Auswahlgremium besteht, dann sollen beide Geschlechter in diesem Gremium vertreten sein.
( 2 ) Bei der Beurteilung der Qualifikation sollen auch familiäre und soziale Erfahrungen aus der Zeit einer Beurlaubung wegen Familienpflichten sowie durch ehrenamtliche Tätigkeit erworbene Fähigkeiten und Erfahrungen berücksichtigt werden, sofern diese Qualifikationen für die zu übertragende Tätigkeit von Bedeutung sind.
( 3 ) Folgende Gründe dürfen bei der vergleichenden Bewertung nicht zum Nachteil einer Bewerberin oder eines Bewerbers berücksichtigt werden:
  1. Unterbrechungen der Erwerbstätigkeit, geringe aktive Dienst- oder Beschäftigungszeiten, Reduzierung der Arbeitszeit oder Verzögerungen beim Abschluss einzelner Ausbildungsgänge, jeweils aufgrund der Wahrnehmung von Familienpflichten;
  2. zeitliche Belastungen durch Familienpflichten und die Absicht, von der Möglichkeit der Arbeitszeitreduzierung Gebrauch zu machen.
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§ 8
Einstellung und beruflicher Aufstieg

In Dienststellen jeweils bezogen auf Qualifikationsebenen, in denen Frauen bzw. Männer unterrepräsentiert sind, sollen diejenigen Personen, die dem unterrepräsentierten Geschlecht angehören, bei gleichwertiger Qualifikation bei Einstellung, Beförderung oder Übertragung einer höher bewerteten Tätigkeit bevorzugt berücksichtigt werden, bis in diesen Bereichen Mitbewerberinnen und oder Mitbewerber in gleicher Anzahl vertreten sind. Ausnahmen sind zulässig, wenn in der Person einer Mitbewerberin oder eines Mitbewerbers wichtige Gründe vorliegen, die zur Wahrung der Einzelfallgerechtigkeit eine Ausnahme erfordern.
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§ 9
Personalentwicklung und Fortbildung

Alle Personen mit Leitungsverantwortung haben die Aufgabe, die für die Verwirklichung der Ziele dieses Kirchengesetzes erforderlichen Kompetenzen von Beschäftigten und ehrenamtlich tätigen Frauen und Männern zu fördern.
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Abschnitt 3
Beauftragte Person für Geschlechtergerechtigkeit der Landeskirche

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§ 10
Beauftragte Person für Geschlechtergerechtigkeit der Landeskirche

Die beauftragte Person für Geschlechtergerechtigkeit wird durch die Kirchenleitung berufen.
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§ 11
Rechtsstellung der beauftragten Person für Geschlechtergerechtigkeit der Landeskirche

( 1 ) Die Dienstaufsicht führt die Präsidentin bzw. der Präsident des Landeskirchenamtes. Im Rahmen ihres Aufgabenbereiches arbeitet die beauftragte Person für Geschlechtergerechtigkeit der Landeskirche weisungsfrei.
( 2 ) Die beauftragte Person für Geschlechtergerechtigkeit darf weder in der Ausübung ihrer Aufgaben oder Befugnisse behindert noch wegen ihrer Tätigkeit benachteiligt oder begünstigt werden.
( 3 ) Die beauftragte Person für Geschlechtergerechtigkeit ist nicht verpflichtet, vertrauliche und persönliche Informationen aus Beratungsgesprächen an die Aufsicht führende Stelle weiter zu geben, sofern nicht ein geordnetes Verfahren (Disziplinarverfahren oder arbeitsrechtliches Verfahren) in Gang gesetzt worden ist.
( 4 ) Die beauftragte Person1# hat, auch über ihre dienstliche Tätigkeit hinaus, Verschwiegenheit über persönliche Verhältnisse von Beschäftigten sowie ehrenamtlich Tätigen und über andere vertrauliche Angelegenheiten zu wahren.
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§ 12
Aufgaben der beauftragten Person für Geschlechtergerechtigkeit der Landeskirche

( 1 ) Die beauftragte Person für Geschlechtergerechtigkeit der Landeskirche begleitet und fördert die Umsetzung dieses Kirchengesetzes. Sie wirkt bei Maßnahmen, wie insbesondere der Erarbeitung von Kirchengesetzen und Rechtsverordnungen oder der Entwicklung von Leitbildern und Zielvereinbarungen mit, die besondere Auswirkungen auf die Gleichstellung von Frauen und Männern haben oder die Vereinbarkeit von Beruf und Familie betreffen.
( 2 ) Zweimal im Jahr lädt die beauftragte Person für Geschlechtergerechtigkeit der Landeskirche die Beauftragten für Geschlechtergerechtigkeit in den Kirchenkreisen zu einem Konvent ein. Die Teilnahme der Beauftragten aus den Kirchenkreisen an den Konventen soll ermöglicht werden.
( 3 ) Die beauftragte Person für Geschlechtergerechtigkeit der Landeskirche ist Teil der Beschwerdestelle nach § 13 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes vom 14. August 2006 (BGBl. I S. 1897) in seiner jeweils geltenden Fassung für alle landeskirchlichen Beschäftigungsverhältnisse.
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§ 13
Beteiligungsrechte der beauftragten Person für Geschlechtergerechtigkeit der Landeskirche

( 1 ) Die beauftragte Person für Geschlechtergerechtigkeit der Landeskirche soll an gleichstellungsrelevanten Vorhaben der Landeskirche beteiligt werden. Die hierfür erforderlichen Unterlagen sind frühzeitig vorzulegen und die erbetenen Auskünfte zu erteilen.
( 2 ) Die beauftragte Person für Geschlechtergerechtigkeit der Landeskirche nimmt an den Sitzungen des Kollegiums des Landeskirchenamtes (Große Runde) und der Gesamtkonferenz der Hauptbereichsleitungen mit beratender Stimme teil. Sie informiert diese Gremien in Fragen der Geschlechtergerechtigkeit und prüft Vorlagen auf mögliche Diskriminierung von Frauen oder Männern.
( 3 ) Die beauftragte Person für Geschlechtergerechtigkeit der Landeskirche berichtet einmal jährlich der Landessynode. Zu Themen, die ihren Arbeitsbereich betreffen, ist der beauftragten Person für Geschlechtergerechtigkeit der Landeskirche in den Sitzungen der Landessynode das Wort zu erteilen.
( 4 ) An Stellenausschreibungen und Besetzungsverfahren für Leitungsämter auf landeskirchlicher Ebene ist die beauftragte Person für Geschlechtergerechtigkeit der Landeskirche rechtzeitig durch Vorlage der Bewerbungsunterlagen und beratende Stimme im Auswahlgremium zu beteiligen. Das gilt nicht für das Amt des Präsidenten bzw. der Präsidentin des Landeskirchenamtes und von der Landessynode zu besetzende Leitungsämter.
( 5 ) Die beauftragte Person für Geschlechtergerechtigkeit der Landeskirche ist Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft der Frauenreferate und Gleichstellungsstellen in den Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Sie hält Verbindung mit kirchlichen und gesellschaftlichen Organisationen auf dem Gebiet ihres Arbeitsfeldes.
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§ 14
Beirat zur Förderung der Geschlechtergerechtigkeit

( 1 ) Die beauftragte Person für Geschlechtergerechtigkeit der Landeskirche kann in ihrer Arbeit durch einen Beirat unterstützt werden.
( 2 ) Die Kirchenleitung kann durch Rechtsverordnung Bestimmungen über die Bildung, die Aufgaben und die Rechte sowie die Zusammensetzung des Beirates erlassen.
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Abschnitt 4
Beauftragte für Geschlechtergerechtigkeit in
den Kirchenkreisen und Kirchengemeinden

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§ 15
Beauftragte für Geschlechtergerechtigkeit in den Kirchenkreisen

( 1 ) Als Beauftragte für Geschlechtergerechtigkeit in den Kirchenkreisen sollen durch den jeweiligen Kirchenkreisrat mindestens eine Frau und ein Mann berufen werden.
( 2 ) Die Beauftragung erfolgt in der Regel für den Zeitraum von vier Jahren mit der Möglichkeit der Verlängerung.
( 3 ) Die Beauftragten für Geschlechtergerechtigkeit in den Kirchenkreisen begleiten und fördern die Umsetzung dieses Kirchengesetzes im Kirchenkreis.
( 4 ) Die Beauftragten für Geschlechtergerechtigkeit in den Kirchenkreisen können dem Kirchenkreis Empfehlungen zur Verwirklichung des in § 1 genannten Zieles geben. Die Kirchenkreisräte haben sich mit den Empfehlungen auseinanderzusetzen sowie Beanstandungen nachzugehen.
( 5 ) Die Beauftragten für Geschlechtergerechtigkeit in den Kirchenkreisen werden mit den zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen Sachmitteln ausgestattet. Ihnen werden aufgabenbezogene Fortbildungen ermöglicht.
( 6 ) Die Beauftragten für Geschlechtergerechtigkeit in den Kirchenkreisen tauschen sich zweimal im Jahr in Konventen zum Thema Geschlechtergerechtigkeit aus.
( 7 ) Die Beauftragten für Geschlechtergerechtigkeit in den Kirchenkreisen sind, soweit sie hauptamtlich Beschäftigte sind, im erforderlichen Umfang von den sonstigen dienstlichen Aufgaben zu entlasten. Sie dürfen wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden; dies gilt auch für ihre berufliche Entwicklung.
( 8 ) Die Beauftragten für Geschlechtergerechtigkeit in den Kirchenkreisen haben, auch über die Zeit ihrer Bestellung hinaus, Verschwiegenheit über persönliche Verhältnisse von Beschäftigten sowie ehrenamtlich Tätigen und über andere vertrauliche Angelegenheiten zu wahren.
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§ 16
Beauftragte für Geschlechtergerechtigkeit in den Kirchengemeinden

Als Beauftragte für Geschlechtergerechtigkeit in den Kirchengemeinden sollte durch den jeweiligen Kirchengemeinderat eine Person benannt werden. Die Regelungen des § 15 Absatz 2 bis 4, 7 und 8 gelten entsprechend.
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Abschnitt 5
Statistische Erfassung und Auswertung

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§ 17
Statistische Erfassung und Auswertung

( 1 ) Alle Dienststellen mit mindestens 16 Beschäftigten erstellen alle zwei Jahre eine Statistik, in der zum Stichtag 31. Dezember für den Berichtszeitraum auszuweisen sind:
  1. die Zahl der Beschäftigten einschließlich der wegen Familienpflichten Beurlaubten, getrennt nach Geschlecht, Qualifikationsebenen,
  2. die Zahl der mit Teilzeitbeschäftigten besetzten Planstellen, getrennt nach Geschlecht, Qualifikationsebenen.
( 2 ) Die erste Statistik ist zum Stichtag 31. Dezember 2013 zu erstellen.
( 3 ) Die Statistiken sollen in einem Gespräch zwischen der Dienststellenleitung und den Beauftragten für Geschlechtergerechtigkeit der jeweiligen Ebene ausgewertet werden. Sind keine Beauftragten für Geschlechtergerechtigkeit benannt worden, wird die Statistik mit den Beauftragten für Geschlechtergerechtigkeit der nächsthöheren Ebene ausgewertet. Wird festgestellt, dass Frauen oder Männer in einer Dienststelle jeweils bezogen auf die Qualifikationsebene unterrepräsentiert sind, werden die Ursachen dafür erörtert und die Ziele nach § 1 beraten sowie Maßnahmen festgelegt. Für die Umsetzung dieser Maßnahmen ist ein Zeitplan aufzustellen. Die Rechte der Mitarbeitervertretung bleiben unberührt.
( 4 ) Die Kosten für die statistische Erfassung sind von den Dienststellen zu tragen.
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Abschnitt 6
Schlussbestimmungen

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§ 18
Verordnungsermächtigung

Das Nähere über die geschlechtergerechte Gremienbesetzung, die Stellenausschreibungs- und -auswahlverfahren sowie die Aufgaben und Befugnisse der beauftragten Person für Geschlechtergerechtigkeit der Landeskirche und zur Ausgestaltung der Arbeitsstelle kann die Kirchenleitung durch Rechtsverordnung regeln.
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§ 19
Inkrafttreten, Außerkrafttreten

( 1 ) Dieses Kirchengesetz tritt am 1. Dezember 2013 in Kraft.
( 2 ) Gleichzeitig tritt die Rechtsverordnung zur Durchführung des Gemeinschaftsförderungsgesetzes vom 7. Dezember 1993 (GVOBl. 1994 S. 16) außer Kraft.

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1 ↑ Red. Anm.: Gemeint ist die beauftragte Person für Geschlechtergerechtigkeit.