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Kirchengericht: | Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland |
Entscheidungsform: | Beschluss (rechtskräftig) |
Datum: | 19.03.2015 |
Aktenzeichen: | NK-MG 1-40/2014 |
Rechtsgrundlage: | MVG-EKD: § 38 Absatz 1, 2 und 4, § 41 Absatz 1 und 3, § 42 Buchstabe k, § 60 Absatz 5; Tarifvertrag Altersteilzeit - TV ATZ - vom 8.8.2013 (KABl. 2014 S. 80): § 2 |
Vorinstanzen: | keine |
Schlagworte: |
Leitsatz:
- Weigerung einer Mitarbeitervertretung, einer von einer Kirchengemeinde (Kirchengemeinderat) beabsichtigten Ablehnung eines von einer Mitarbeiterin gestellten Antrags auf Altersteilzeitarbeit zuzustimmen
- Aus § 2 Absatz 2 TV Altersfreizeit folgt, dass kirchliche Mitarbeiter keinen Rechtsanspruch auf die Änderung ihres Arbeitsverhältnisses in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis haben. Die Entscheidung über einen solchen Antrag liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Dienststelle.
- Wenn der Antrag einer Mitarbeiterin auf Altersteilzeit von der Dienststelle mit nachvollziehbaren Erwägungen abgelehnt wird, liegt hierin folglich kein Verstoß gegen eine Rechtsvorschrift im Sinne von § 41 Absatz 1 Buchstabe a MVG.EKD, so dass die Mitarbeitervertretung kein Zustimmungsverweigerungsrecht hat.
- Auch wenn die Ablehnung eines Antrags auf Altersteilzeit einer Mitarbeiterin diese persönlich benachteiligt, kann die Ablehnung aus dienstlichen Gründen gerechtfertigt sein, so dass für die Mitarbeitervertretung kein Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 41 Absatz 1 Buchstabe b MVG.EKD gegeben ist.
Tenor:
Es wird festgestellt, dass die Mitarbeitervertretung nicht berechtigt ist, die Zustimmung zur Ablehnung des Antrags auf Altersteilzeitarbeit von Frau M zu verweigern.
Gründe:
1.
Die Beteiligten streiten um einen Antrag der Gemeindesekretärin auf Gewährung von Altersteilzeit.
Die 1954 geborene Frau M ist seit dem X.Y.2006 als Gemeindesekretärin bei der Antragstellerin beschäftigt. Mit Schreiben vom X.Y.2014 beantragte sie die Umwandlung ihres Arbeitsverhältnisses in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis gemäß dem Tarifvertrag Altersteilzeit mit Wirkung vom X.Y.2015 bis zum X.Y.2019; die zu leistende Arbeit wollte sie gern im Blockmodell erbringen. Das Verwaltungszentrum des Kirchenkreises K hat auf diesen Antrag hin der Antragstellerin die zu erwartenden Personalkosten mitgeteilt, die sich nach diesem Schreiben bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ohne Änderung auf ca. 127.000 Euro belaufen würden. Bei Abänderung des Arbeitsverhältnisses in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis, ohne dass eine Verwaltungsangestellte neu eingestellt würde, würde sich nach diesem Schreiben eine Einsparung von ca. 38.600 Euro ergeben. Würde andererseits ab dem X.Y.2017, wenn sich Frau M in die Freistellungsphase begeben würde, eine neue Mitarbeiterin eingestellt, so würden sich Mehrausgaben in Höhe von 20.400 Euro ergeben. In diesem Schreiben wird auch darauf hingewiesen, dass Altersteilzeit bei dienstlichem Bedarf vereinbart werden kann, wenn die persönlichen Voraussetzungen vorliegen, ohne dass jedoch ein Rechtsanspruch darauf besteht. Der Kirchengemeinderat der Antragstellerin beschloss in seiner Sitzung am X.Y.2014, den Antrag von Frau M aus Kostengründen abzulehnen.
Im Auftrag der Antragstellerin beantragte der Kirchenkreis bei der Antragsgegnerin mit Schreiben vom X.Y.2014 die Zustimmung zur beabsichtigten Ablehnung dieses Antrags. Die Antragsgegnerin stellte hierauf mit Schreiben vom X.Y.2014 Erörterungsbedarf fest. Der Antragsgegnerin wurden daraufhin mit Schreiben vom X.Y.2014 die finanziellen Auswirkungen der Altersteilzeit erläutert und auch mitgeteilt, dass es nicht möglich sei, Leistungen seitens der Bundesagentur für Arbeit für ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis von Frau M zu erhalten. Anderweitige Förderprogramme der Agentur für Arbeit für die Neueinstellung eines Mitarbeiters oder einer Mitarbeiterin für die Zeit der Freistellungsphase kämen für die Antragstellerin nicht in Betracht, da nicht absehbar sei, dass die Planstelle mit Beginn der Freistellungsphase tatsächlich mit einem geeigneten Bewerber besetzt werden könne, für den eine teilweise Refinanzierung der Personalkosten möglich sei. Der Restrukturierungsfonds des Ev.-Luth. Kirchenkreises K sei noch nicht rechtskräftig und sähe voraussichtlich eine Erstattung von Leistungen im Zusammenhang mit der Umwandlung eines Arbeitsverhältnisses in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis nicht vor, sofern die Planstelle mit Beginn der Freistellungsphase fortbestehe.
Mit Schreiben vom X.Y.2014 teilte die Antragsgegnerin mit, sie habe in ihrer Sitzung am X.Y.2014 beschlossen, die Zustimmung zur Ablehnung des Antrags auf Altersteilzeit zu verweigern.
Am X.Y.2014 ging beim Kirchengericht per Fax der Antrag der Antragstellerin auf Feststellung, dass die Mitarbeitervertretung nicht berechtigt sei, die Zustimmung zur Ablehnung zu verweigern, ein.
Die Antragstellerin trägt vor, es gäbe bei ihr ein strukturelles Defizit, denn das Haushaltsjahr 2013 habe mit einem Defizit von 44.733,34 Euro abgeschlossen und die freien Rücklagen einschließlich Zinsgutschriften seien auf 34.048,86 Euro zusammengeschmolzen. Der erste Haushaltsentwurf für 2014 sei von einem strukturellen Defizit in Höhe von 56.800 Euro ausgegangen; nach weiteren Beratungen in den Gremien sei die Bauunterhaltung im Haushalt auf ein Minimum zusammengestrichen worden. Das verbleibende strukturelle Defizit für 2014 in Höhe von 41.750 Euro habe durch den vorhandenen Rücklagenbestand nicht abgedeckt werden können. Deshalb habe man sich auferlegt, durch eine sparsame Haushaltsführung mindestens den fehlenden Betrag von ca. 7.700 Euro einzusparen. Damit aber wären dann die freien Rücklagen der Kirchengemeinde aufgebraucht. Im Jahre 2015 sei ein Haushaltsausgleich ohne Reduzierungen im Personalbereich nicht möglich.
Drei Arbeitsplätze seien aufgrund vertraglicher Vereinbarung bereits ganz oder zum Teil weggefallen, bei einem Arbeitsplatz sei beabsichtigt, Einsparungen vorzunehmen. Die Stelle der Gemeindesekretärin sei für das Gemeindebüro in dem bisherigen Umfang erforderlich, um die Ableistung aller dort anfallenden Arbeiten und auch die Ansprechbarkeit für Dritte gewährleisten zu können. Weil eine Einschränkung der Stelle nicht möglich sei, könnten auch Erstattungen aus dem Sozialfonds nicht beantragt werden.
Die Antragstellerin beantragt
- festzustellen, dass die Mitarbeitervertretung nicht berechtigt ist, die Zustimmung zur Ablehnung des Antrags auf Altersteilzeitarbeit von Frau M nach § 41 Abs. 1 MVG.EKD zu verweigern.
Die Antragsgegnerin beantragt,
- den Antrag zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin sieht eine Benachteiligung von anderen Mitarbeitenden als gegeben an. Denn wenn der Arbeitsplatz von Frau M in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis umgewandelt und in der Freistellungsphase der Arbeitsplatz nicht wieder besetzt werde, dann würde eine Ersparnis von 38.500 Euro entstehen, die zur Finanzdeckung anderer Mitarbeiterstellen, die von Änderungskündigungen bedroht seien, verwendet werden könnte. Das von der Antragstellerin angeführte strukturelle Defizit beruhe nicht auf mangelnden finanziellen Zuwendungen, sondern sei aufgrund von Misswirtschaft und mangelnder Kompetenz aufseiten der Gemeinde und des Kirchenkreises als Aufsichtsgremium entstanden. Wenn dieses Defizit hauptsächlich durch personelle Maßnahmen beseitigt werden solle, dann übernähme die Antragstellerin die Verantwortung für ihr Handeln gerade nicht und wirke dem Bestreben einer Mitarbeiterin, ihren Arbeitsplatz vorzeitig zur Verfügung zu stellen, entgegen. Die Antragsgegnerin erwartet von der Antragstellerin, in einer solch prekären Situation alle kreativen Möglichkeiten der Finanzmittelbeschaffung auszuschöpfen und beanstandet, dass sie hier entsprechende Anstrengungen nicht zu erkennen vermag. Auch ein Antrag an den Kirchenkreis zur Unterstützung aus dem Sozialfonds sei bislang nicht gestellt worden.
2.
Der Antrag ist zulässig und begründet.
Es war festzustellen, dass die Mitarbeitervertretung nicht berechtigt ist, die Zustimmung zur beabsichtigten Ablehnung des Antrags von Frau M auf Altersteilzeit abzulehnen, denn Zustimmungsverweigerungsgründe i. S. v. § 41 MVG.EKD liegen hier nicht vor.
Ein Rechtsanspruch auf die Änderung des Arbeitsverhältnisses in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis ist auch nach dem Tarifvertrag Altersteilzeit nicht gegeben. Nach dessen § 2 ist die Änderung möglich und kann Altersteilzeit bei dienstlichem Bedarf vereinbart werden, ohne dass jedoch darauf ein Rechtsanspruch besteht. Damit liegt ein Zustimmungsverweigerungsgrund gem. § 41 Abs. 1 Buchstabe a) MVG.EKD nicht vor.
Aber auch ein Zustimmungsverweigerungsgrund gem. § 41 Abs. 1 Buchstabe b) MVG.EKD ist hier nicht gegeben. Sicherlich wird durch die beabsichtigte Maßnahme, nämlich die Ablehnung des Antrags auf Altersteilzeit, Frau M benachteiligt. Eine Benachteiligung kann jedoch aus dienstlichen Gründen gerechtfertigt sein. Dies sieht das Gericht hier als gegeben an.
Die finanzielle Zwangslage der Antragstellerin mag selbst verschuldet sein. Gleichwohl ist sie aber gegeben und hat die Antragstellerin dazu gezwungen, drastische Maßnahmen zu ergreifen, um den Haushalt zur Deckung zu bringen.
Das Gericht vermag der Antragsgegnerin nicht darin zu folgen, dass hier allein Personalmaßnahmen von der Antragstellerin zur Ausgleichung des Haushalts getroffen wurden. Die Antragstellerin hat – insoweit unwidersprochen – auch die ihr eigentlich aufgegebene Baurücklage auf ein Minimum zusammengestrichen. Neben der Baurücklage und den Personalkosten gibt es aber kaum nennenswerte Einsparmöglichkeiten.
Die Gewährung von Altersteilzeit für Frau M würde nur dann zu nennenswerten Einsparungen führen, wenn die Antragstellerin darauf verzichten würde, die Stelle einer Gemeindesekretärin im bisherigen Umfang wieder zu besetzen. Das würde aber zur Folge haben, dass die Verwaltungsarbeiten der Kirchengemeinde nicht mehr erledigt werden können und es auch keinen Ansprechpartner im Gemeindebüro mehr gibt. Dass die Antragstellerin die Auffassung vertritt, die Stelle von Frau M müsse in dem bisherigen Umfang – 26 Wochenstunden – weiterhin besetzt sein, um eben die Ableistung der Verwaltungsarbeiten wie auch die Gewährleistung von Sprechzeiten für Gemeindeglieder zu ermöglichen, sind aus Sicht des Gerichts nachvollziehbare dienstliche Belange, die die Entscheidung der Antragstellerin rechtfertigen.
Würde aber Frau M Altersteilzeit gewährt und ihre Stelle in der Freistellungsphase neu besetzt, dann kämen auf die Antragstellerin Mehrkosten zu, für die aus heutiger Sicht eine Deckung nicht absehbar ist.
Allerdings ist in der mündlichen Verhandlung am X.Y.2015 deutlich geworden, dass Hintergrund des Antrags von Frau M auf Umwandlung ihres Arbeitsverhältnisses in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis insbesondere bestehende gesundheitliche Belastungen sind.
Nicht streitig ist, dass sie in der Vergangenheit schon krankheitsbedingt für nicht unerhebliche Zeiträume der Arbeit fernbleiben musste. Vor diesem Hintergrund legt das Gericht der Antragstellerin sehr eindringlich ans Herz, Frau M ein Eingliederungsmanagement gem. § 84 Abs. 2 SGB IX anzubieten, um auf diese Weise zu versuchen, Belastungen für die Mitarbeiterin zu minimieren und künftige krankheitsbedingte Ausfallzeiten geringer zu halten.
#Raasch |