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Geltungszeitraum von: 01.01.1974

Geltungszeitraum bis: 31.12.2015

Kirchengerichtsordnung
des Kirchengerichts der evangelisch-lutherischen Kirchen in Schleswig-Holstein und Hamburg1#, 2#

Vom 2. April 1974

(KGVOBl. S. 65)

Änderungen
Lfd.
Nr.:
Änderndes Recht
Datum
Fundstelle
Geänderte
Paragrafen
Art der
Änderung
1
§ 47 Nr. 5 des Einführungsgesetzes zur Verfassung der Nordelbischen Evangelisch-Lutherische Kirche
12. Juni 1976
§ 3 Abs. 1 bis 3
aufgehoben
§ 4 Abs. 2
aufgehoben
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I. Abschnitt
Zusammensetzung des Kirchengerichts

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§ 1
Unabhängigkeit der Richter

Die Mitglieder des Kirchengerichts sind unabhängig und nur an das in den Landeskirchen geltende Recht gebunden.
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§ 2
Zusammensetzung des Kirchengerichts

( 1 ) Das Kirchengericht besteht aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und der erforderlichen Zahl von Beisitzern.
( 2 ) Ein Beisitzer wird zum ständigen Vertreter des Präsidenten bestellt und führt die Dienstbezeichnung Vizepräsident.
( 3 ) Der Präsident, der Vizepräsident und die rechtskundigen Beisitzer müssen die Fähigkeit zum Richteramt besitzen.
( 4 ) Die Mitglieder des Kirchengerichts müssen nach dem Recht der Landeskirche, aus der sie berufen werden, zu Kirchenältesten oder zu Kirchenvorstehern wählbar sein; von dem Erfordernis des Wohnsitzes im Gebiet der Landeskirche kann abgesehen werden.
( 5 ) Mitglieder der Kirchenleitungen, der Landessynoden und der obersten landeskirchlichen Verwaltungsbehörden sowie deren Beamte und Angestellte dürfen dem Kirchengericht nicht angehören.
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§ 3
Bestellung der Richter des Kirchengerichts
[Abs. 1 bis 3 weggefallen]

( 4 ) Die Bestellungsurkunden unterzeichnet im Namen der vertragschließenden Kirchen der Vorsitzende der Kirchenleitung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Schleswig-Holsteins; er nimmt auch die Verpflichtung vor.
( 5 ) Wird während der Amtszeit infolge Ausscheidens eines Mitgliedes die Bestellung eines Ersatzmitgliedes notwendig, so endet dessen Amtszeit mit dem Ablauf der Amtszeit der übrigen Mitglieder.
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§ 4
Kammern des Kirchengerichts

( 1 ) Das Kirchengericht verhandelt und entscheidet durch Kammern in der Besetzung von fünf Mitgliedern.
( 2 ) [weggefallen]
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§ 5
Anzahl und Zusammensetzung der Kammern

( 1 ) Beim Kirchengericht wird zunächst eine Kammer gebildet, die mit dem Präsidenten, zwei rechtskundigen Beisitzern und zwei weiteren Beisitzern, von denen der ein ordinierter Theologe sein muss, besetzt ist.
( 2 ) Macht der Geschäftsanfall die Bildung einer zweiten Kammer erforderlich, so wird der Vizepräsident zu ihrem Vorsitzenden bestellt, an seine Stelle wird gemäß § 3 ein rechtskundiger Beisitzer als Mitglied der ersten Kammer bestellt. Die weiteren Mitglieder der zweiten Kammer werden gemäß § 3 bestellt.
( 3 ) Der Präsident und der Vizepräsident können sich im Kammervorsitz gegenseitig vertreten.
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§ 6
Präsidium

( 1 ) Das Kirchengericht bildet ein Präsidium, das aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und dem an Lebensjahren ältesten ordinierten Beisitzer besteht.
Im Falle der Verhinderung werden der Präsident durch den Vizepräsidenten, der Vizepräsident durch den an Lebensjahren ältesten rechtskundigen Beisitzer, der ordinierte Beisitzer durch den an Lebensjahren nächstältesten ordinierten Beisitzer vertreten.
( 2 ) Das Präsidium bestimmt für jeweils zwei Jahre im Voraus die Geschäftsverteilung auf die Kammern und die Grundsätze, nach welchen die Mitglieder des Kirchengerichts und ihre Vertreter an den Verfahren mitwirken. Diese Anordnung kann nur wegen zu starker Belastung, wegen Wechsels oder dauernder Verhinderung einzelner Mitglieder geändert werden.
Ist eine zweite Kammer gebildet worden, sind die Verfassungssachen nur einer Kammer zuzuweisen.
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§ 7
Beendigung der Mitgliedschaft im Kirchengericht
und vorläufige Entbindung vom Richteramt

( 1 ) Das Amt eines Mitglieds des Kirchengerichts ist für beendet zu erklären,
  1. wenn die Voraussetzungen für seine Ernennung nicht vorlagen oder entfallen sind,
  2. wenn das Mitglied seine Amtspflichten gröblich verletzt hat,
  3. wenn das Mitglied in einem Strafverfahren zu einer Freiheitsstrafe oder anstelle einer Freiheitsstrafe zu einer Geldstrafe oder wenn es in einem förmlichen Amtszuchtverfahren zu Geldbuße oder einer schwereren Strafe rechtskräftig verurteilt wird und wenn es dadurch nach der Art der Handlung, deretwegen es verurteilt ist, seine Eignung als Mitglied eines kirchlichen Gerichts verloren hat,
  4. wenn das Mitglied infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen nicht mehr in der Lage ist, das Richteramt auszuüben.
( 2 ) Ein Mitglied kann von seinem Amt vorläufig entbunden werden,
  1. wenn gegen das Mitglied wegen eines Verbrechens oder eines vorsätzlichen Vergehens ein Strafverfahren eingeleitet ist,
  2. wenn gegen das Mitglied ein förmliches Disziplinarverfahren eingeleitet ist,
  3. wenn dem Mitglied die Ausübung seines Dienstes als Inhaber eines geistlichen Amtes, als Kirchenbeamter, als Richter oder als Beamter einer nichtkirchlichen Körperschaft des öffentlichen Rechts vorläufig untersagt ist oder wenn ihm ein staatlich gesetzlich vorgesehenes Ehrengericht die Ausübung einer sonstigen beruflichen Tätigkeit untersagt hat.
( 3 ) Die Entscheidungen aufgrund der Absätze 1 und 2 trifft das Präsidium des Kirchengerichts nach Anhörung der Kirchenleitungen der vertragschließenden Kirchen.
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§ 8
Rechtsstellung der Richter

( 1 ) Die Mitglieder des Kirchengerichts sind zur Verschwiegenheit verpflichtet.
( 2 ) Die Mitglieder des Kirchengerichts üben ihre Tätigkeit ehrenamtlich aus. Sie erhalten Ersatz ihrer Unkosten und eine Aufwandsentschädigung nach Grundsätzen, die die vertragschließenden Kirchen besonders vereinbaren.
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§ 9
Geschäftsstelle des Kirchengerichts

( 1 ) Es wird eine Geschäftsstelle gebildet, für die das Landeskirchenamt der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Schleswig-Holsteins die erforderlichen Hilfskräfte und Einrichtungen zur Verfügung stellt. Für die Hilfskräfte gilt § 8 Abs. 1 entsprechend.
( 2 ) Die Hilfskräfte werden vom Präsidenten auf gewissenhafte Ausübung ihres Amtes verpflichtet.
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§ 10
Umlage der Kosten des Kirchengerichts

Die Kosten des Kirchengerichts, soweit es sich nicht um Verfahrenskosten handelt, tragen die vertragschließenden Kirchen im Verhältnis des Umlageschlüssels der Evangelischen Kirche in Deutschland.
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II. Abschnitt
Allgemeine Verfahrensvorschriften

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§ 11
Ausschluss vom Richteramt

Von der Mitwirkung im Kirchengericht ist ausgeschlossen,
  1. wer selbst Partei ist oder zu einer Partei in dem Verhältnis eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Regresspflichtigen steht;
  2. wer mit einem Beteiligten verheiratet ist oder war, in gerader Linie verwandt, verschwägert oder durch Adoption verbunden, in der Seitenlinie bis zum dritten Grade verwandt oder bis zum zweiten Grade verschwägert ist, auch wenn die Ehe, durch die die Schwägerschaft begründet worden ist, nicht mehr besteht;
  3. wer in derselben Sache bereits von Amts oder Berufs wegen tätig gewesen ist; als solche Tätigkeit gilt nicht die Mitwirkung im Gesetzgebungsverfahren;
  4. wer in der Sache als Zeuge oder Sachverständiger vernommen worden ist.
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§ 12
Ablehnung des Richters

( 1 ) Die Beteiligten können ein Mitglied des Kirchengerichts sowohl in den Fällen, in denen es von der Mitwirkung im Kirchengericht ausgeschlossen ist als auch wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnen.
( 2 ) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Zweifel an der Unparteilichkeit des Mitgliedes zu rechtfertigen.
( 3 ) Wird ein Mitglied des Kirchengerichts abgelehnt, so entscheidet das Kirchengericht unter Ausschluss des Abgelehnten; bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.
( 4 ) Die Ablehnung ist zu begründen. Der Abgelehnte hat sich dazu zu äußern. Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit ist unbeachtlich, wenn sie nicht spätestens zu Beginn der mündlichen Verhandlung erklärt wird; bei Verzicht auf mündliche Verhandlung ist der Zeitpunkt der Verzichtserklärung, in sonstigen schriftlichen Verfahren der Zeitpunkt der Endentscheidung maßgebend.
( 5 ) Erklärt sich ein Mitglied, das nicht abgelehnt ist, selbst für befangen oder bestehen Zweifel darüber, ob ein Mitglied nach § 11 ausgeschlossen ist, so gelten die Absätze 1 bis 3 entsprechend.
( 6 ) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 5 gelten entsprechend für den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle.
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§ 13
Verfahrensbeteiligte

( 1 ) Beteiligte am Verfahren sind
  1. der Kläger,
  2. der Beklagte,
  3. der nach Absatz 2 bestellte Vertreter des allgemeinen kirchlichen Interesses,
  4. der Beigeladene.
( 2 ) Zur Wahrung des allgemeinen kirchlichen Interesses können die Kirchenleitungen einen Vertreter bestellen, sofern sie nicht selbst als Kläger oder Beklagte beteiligt sind.
( 3 ) Der nach Absatz 2 bestellte Vertreter kann selbstständig Prozesshandlungen vornehmen. Er ist an die Weisungen des ihn entsendenden Organs gebunden.
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§ 14
Beiladung

( 1 ) Das Kirchengericht kann, solange das Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen oder bei dem Revisionsgericht anhängig ist, von Amts wegen oder auf Antrag andere, deren rechtliche Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen.
( 2 ) Sind an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derartig beteiligt, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, so sind sie beizuladen (notwendige Beiladung).
( 3 ) Der Beiladungsbeschluss ist allen Beteiligten zuzustellen. Dabei sollen der Stand der Sache und der Grund der Beiladung angegeben werden.
( 4 ) Der Beschluss ist unanfechtbar.
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§ 15
Rechtsstellung des Beigeladenen

Der Beigeladene kann innerhalb der Anträge eines Beteiligten selbstständige Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend machen und alle Verfahrenshandlungen wirksam vornehmen. Abweichende Sachanträge kann er nur stellen, wenn eine notwendige Beiladung vorliegt.
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§ 16
Vertreter der Beteiligten und Verfahrensbevollmächtigte

( 1 ) Die Parteien können einen ordinierten kirchlichen Amtsträger, einen ordentlichen Professor der Theologie, einen Rechtsanwalt oder eine andere zum Richteramt befähigte Person mit ihrer Vertretung betrauen oder als Beistand zuziehen; diese müssen einer evangelischen Kirche angehören. Kirchliche Körperschaften können sich durch ein Mitglied ihres Vertretungsorgans vertreten lassen.
( 2 ) Die Vollmacht ist schriftlich zu erteilen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Kirchengericht eine Frist bestimmen. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, so sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Kirchengerichts an ihn zu richten.
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§ 17
Zustellungen

( 1 ) Anordnungen und Entscheidungen, durch die eine Frist in Lauf gesetzt wird, sowie Terminbestimmungen und Ladungen sind zuzustellen.
( 2 ) Die Zustellung erfolgt von Amts wegen.
( 3 ) Schriftstücke können zugestellt werden
  1. durch Übergabe an den Empfänger gegen Empfangsschein; verweigert der Empfänger die Annahme des Schriftstückes oder das Ausstellen des Empfangsscheines, so gilt das Schriftstück mit der Weigerung als zugestellt, wenn darüber eine Niederschrift gefertigt und zu den Akten genommen ist,
  2. durch eingeschriebenen Brief mit Rückschein,
  3. durch Postzustellung mit Zustellungsurkunde,
  4. durch Bekanntmachung im kirchlichen Amtsblatt, wenn der Aufenthalt des Empfängers nicht zu ermitteln ist,
  5. an Behörden und sonstige kirchliche Amtsstellen auch durch Vorlegen der Akten mit der Urschrift des zuzustellenden Schriftstückes; der Empfänger hat den Tag, an dem ihm die Akten vorgelegt werden, darin zu vermerken.
( 4 ) Wer nicht im Inland wohnt, hat auf Verlangen einen Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen.
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§ 18
Einreichen von Schriftsätzen an das Kirchengericht

( 1 ) Schriftsätze, die an das Kirchengericht zu richten sind, gelten als bei dem Kirchengericht eingegangen, wenn sie bei der für den Beteiligten zuständigen landeskirchlichen Verwaltungsbehörde eingegangen sind. Diese versieht die eingegangenen Schriftsätze mit Eingangsdatum und leitet sie unverzüglich an die Geschäftsstelle des Kirchengerichts weiter.
( 2 ) Allen Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
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§ 19
Klageschrift

( 1 ) Die Klage ist unmittelbar bei dem Kirchengericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben. Sie muss den Kläger, den Beklagten und den Streitgegenstand bezeichnen; sie soll einen bestimmten Antrag enthalten. Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben, die angefochtene Verfügung und der Beschwerde- oder Einspruchsbescheid (§ 48) sollen in Urschrift oder in Abschrift beigefügt werden.
( 2 ) Entspricht die Klage diesen Anforderungen nicht in vollem Umfange, so hat der Vorsitzende den Kläger zu der erforderlichen Ergänzung innerhalb einer bestimmten Frist aufzufordern.
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§ 20
Zurückweisung der Klage durch den Vorsitzenden

( 1 ) Erweist sich die Geltendmachung des Anspruchs als rechtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, so kann der Vorsitzende die Klage ohne mündliche Verhandlung durch einen begründeten Bescheid zurückweisen. Der Bescheid ist den Beteiligten zuzustellen.
( 2 ) Jeder Beteiligte kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheides mündliche Verhandlung beantragen.
( 3 ) Ist der Antrag nach Absatz 2 rechtzeitig gestellt, so gilt der Bescheid als nicht ergangen; andernfalls wirkt er als rechtskräftiges Urteil. Die Beteiligten sind in dem Bescheid über den Rechtsbehelf zu belehren.
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§ 21
Klageänderung

( 1 ) Eine Änderung der Klage ist zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Kirchengericht die Änderung für sachdienlich hält.
( 2 ) Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er sich, ohne ihr zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen hat.
( 3 ) Die Entscheidung, dass eine Änderung der Klage nicht vorliege oder zuzulassen sei, ist nicht selbstständig anfechtbar.
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§ 22
Rücknahme der Klage

( 1 ) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach der Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des allgemeinen kirchlichen Interesse an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus.
( 2 ) Wird die Klage zurückgenommen, so stellt das Kirchengericht das Verfahren durch Beschluss ein und spricht in ihm die Rechtsfolgen der Zurücknahme aus.
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§ 23
Verbindung und Trennung von Verfahren

Das Kirchengericht kann durch Beschluss mehrere bei ihm anhängige Verfahren über den gleichen Gegenstand zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbinden und wieder trennen. Es kann anordnen, dass mehrere in einem Verfahren erhobene Ansprüche in getrennten Verfahren verhandelt und entschieden werden.
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§ 24
Zustellung der Klageschrift zur Gegenäußerung

Der Vorsitzende verfügt die Zustellung der Klage an den Beklagten und bestimmt eine Frist zur Gegenäußerung. Der Vorsitzende verfügt die Zustellung der Gegenäußerung an den Kläger.
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§ 25
Aussetzung des Verfahrens mit Rücksicht auf anderweitige Verfahren

Ist in einem anderen Verfahren über Tatbestände oder Rechtsfragen zu entscheiden, deren Klärung für das Verfahren vor dem Kirchengericht von Bedeutung ist, so kann das Kirchengericht das bei ihm anhängige Verfahren bis zur Erledigung des anderen Verfahrens aussetzen.
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§ 26
Vorbereitung der mündlichen Verhandlung

Der Vorsitzende oder ein von ihm zu bestimmendes Mitglied des Kirchengerichts hat schon vor der mündlichen Verhandlung alle Anordnungen zu treffen, die notwendig sind, um den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen. Er ist berechtigt, die Beteiligten zur gütlichen Beilegung des Rechtsstreits zu laden und einen Vergleich entgegenzunehmen.
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§ 27
Vorbereitende Schriftsätze

( 1 ) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zuzustellen.
( 2 ) Den Schriftsätzen sind die Urkunden, auf die Bezug genommen wird, in Urschrift oder in der erforderlichen Zahl von Abschriften ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.
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§ 28
Erforschung des Sachverhalts

( 1 ) Das Kirchengericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen. Es ordnet die erforderlichen Beweise an. Es kann eines seiner Mitglieder mit der Beweisaufnahme beauftragen. Zeugen und Sachverständige können nach Maßgabe landesrechtlicher Regelungen beeidigt werden. In geeigneten Fällen kann das Kirchengericht schon vor der mündlichen Verhandlung durch eines seiner Mitglieder Beweis erheben lassen.
( 2 ) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Beschluss der Kirchengerichts, der zu begründen ist, abgelehnt werden.
( 3 ) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, dass Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.
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§ 29
Amtshilfe

( 1 ) Alle kirchlichen Amtsstellen leisten dem Kirchengericht Amtshilfe. Sie sind zur Vorlage von Urkunden oder Akten und zu Auskünften verpflichtet. Wenn die Einsicht in Akten oder Urkunden oder die Erteilung von Auskünften gesetzlich beschränkt ist oder wenn es sich um Vorgänge handelt, die ihrem Wesen nach geheim zu halten sind, kann die aktenführende Stelle die Einsicht in die Akten oder Urkunden oder die Erteilung von Auskünften verweigern. Auf Antrag eines Beteiligten entscheidet das Kirchengericht durch Beschluss, ob die Verweigerung der Einsicht in Akten oder Urkunde berechtigt ist. Die oberste kirchliche Verwaltungsbehörde ist zu diesem Verfahren beizuladen.
( 2 ) Die Rechts- und Amtshilfe staatlicher Behörde richtet sich nach den staatlichen Vorschriften.
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§ 30
Bindung des Gerichts an die Anträge

Das Kirchengericht darf über die gestellten Anträge nicht hinausgehen, ist aber an deren Fassung nicht gebunden. Die Vorschrift des § 46 Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt.
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§ 31
Grundsatz der mündlichen Verhandlung,
Öffentlichkeit des Verfahrens

( 1 ) Die Entscheidung ergeht aufgrund mündlicher Verhandlung. Die Beteiligten werden zu allen Beweis- und Verhandlungsterminen geladen.
( 2 ) Die Verhandlung ist öffentlich, soweit das Kirchengericht nichts anderes beschließt.
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§ 32
Verzicht auf die mündliche Verhandlung

Sofern alle Beteiligten auf mündliche Verhandlung verzichten, kann die Entscheidung nach Lage der Akten ergehen.
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§ 33
Anberaumung der Termine zur mündlichen Verhandlung

( 1 ) Sofern die Beteiligten nicht auf mündliche Verhandlung verzichtet haben, hat der Vorsitzende diese anzuberaumen.
( 2 ) Der Vorsitzende kann die Anberaumung der mündlichen Verhandlung von der Einzahlung eines Vorschusses des Klägers zur Deckung der Auslagen abhängig machen.
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§ 34
Ladung

( 1 ) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.
( 2 ) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
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§ 35
Der Gang der mündlichen Verhandlung

( 1 ) Der Vorsitzende eröffnet und leitet die mündliche Verhandlung.
( 2 ) Nach Aufruf der Sache trägt der Vorsitzende oder der Berichterstatter den wesentlichen Inhalt der Akten vor.
( 3 ) Hierauf erhalten die Beteiligten das Wort, um ihre Anträge zu stellen und zu begründen.
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§ 36
Erörterung des Verfahrensgegenstandes

( 1 ) Der Vorsitzende hat den Verfahrensgegenstand mit den Beteiligten tatsächlich und rechtlich zu erörtern.
( 2 ) Der Vorsitzende hat jedem Beisitzer des Kirchengerichts auf Verlangen zu gestatten, Fragen zu stellen. Wird eine Frage beanstandet, so entscheidet das Kirchengericht.
( 3 ) Nach Erörterung des Verfahrensgegenstandes erklärt der Vorsitzende die mündliche Verhandlung für geschlossen. Das Kirchengericht kann die Wiedereröffnung beschließen.
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§ 37
Freie Beweiswürdigung, Überzeugungsgrundsatz

( 1 ) Das Kirchengericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Inhalt des gesamten Verfahrens gewonnene Überzeugung. In der Entscheidung sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
( 2 ) Die Entscheidung darf nur auf Tatsachen oder Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.
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§ 38
Beratung und Abstimmung

( 1 ) Das Kirchengericht entscheidet in geheimer Beratung mit der Mehrheit der Stimmen.
( 2 ) Die Mitglieder stimmen nach dem Lebensalter; der Jüngere stimmt vor dem Älteren. Wenn ein Berichterstatter ernannt ist, so stimmt er zuerst. Die nicht rechtskundigen Mitglieder stimmen vor den rechtskundigen. Zuletzt stimmt der Vorsitzende.
( 3 ) Der Vorsitzende leitet die Beratung, stellt die Fragen und sammelt die Stimmen.
( 4 ) Meinungsverschiedenheiten über den Gegenstand, die Fassung und die Reihenfolge der Fragen oder über das Ergebnis der Abstimmung entscheidet das Kirchengericht.
( 5 ) Kein Mitglied darf die Abstimmung über eine Frage verweigern, weil er in der Abstimmung über eine vorhergegangene Frage in der Minderheit geblieben ist.
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§ 39
Urteil, Zwischenurteil und Teilurteil

( 1 ) Über die Klage wird, soweit nichts anderes bestimmt ist, durch Urteil entschieden.
( 2 ) Über die Zulässigkeit der Klage kann durch Zwischenurteil vorab entschieden werden.
( 3 ) Ist nur ein Teil des Streitgegenstandes zur Entscheidung reif, so kann das Kirchengericht diesen Teil vorab entscheiden.
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§ 40
Erkennende Richter

Die Entscheidung darf nur von den Mitgliedern des Kirchengerichts gefällt werden, die an der ihr zugrunde liegenden Verhandlung teilgenommen haben.
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§ 41
Verkündung und Zustellung des Urteils

( 1 ) Das Urteil wird, wenn eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, in der Regel in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, verkündet. Das Urteil ist den Beteiligten zuzustellen.
( 2 ) Statt der Verkündung ist die Zustellung des Urteils zulässig; dann ist die Urteilsformel binnen zwei Wochen nach der mündlichen Verhandlung der Geschäftsstelle zu übergeben.
( 3 ) Entscheidet das Kirchengericht ohne mündliche Verhandlung, so wird die Verkündung durch Zustellung an die Beteiligten ersetzt.
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§ 42
Akteneinsicht durch die Verfahrensbeteiligten

( 1 ) Die Beteiligten können die Gerichtsakten und die dem Kirchengericht vorgelegten Akten einsehen und sich durch die Geschäftsstelle auf ihre Kosten Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften erteilen lassen.
( 2 ) Die Entwürfe zu Urteilen, Beschlüssen und Verfügungen, die Arbeiten zu ihrer Vorbereitung, ferner die Schriftstücke, die Abstimmungen betreffen, werden weder vorgelegt noch abschriftlich mitgeteilt.
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§ 43
Vorlage an die für Verfassungssachen zuständige Kammer

( 1 ) Ist eine zweite Kammer gebildet worden und hält die nicht mit Verfassungssachen befasste Kammer eine Rechtsnorm, auf die es für ihre Entscheidung ankommt, für mit der Verfassung der Landeskirche nicht vereinbar, so legt sie die Sache der für Verfassungssachen zuständigen Kammer durch Beschluss vor. Die für Verfassungssachen zuständige Kammer entscheidet über die Vereinbarkeit der Rechtsnorm mit der Verfassung; § 46 ist anzuwenden.
( 2 ) Die für Verfassungssachen zuständige Kammer kann auch in der Sache selbst entscheiden, wenn sie spruchreif ist.
( 3 ) Die Entscheidungen nach den Absätzen 1 und 2 ergehen gesondert.
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III. Abschnitt
Weitere Verfahrensvorschriften für Verfassungssachen

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§ 44
Organstreitigkeiten

Ist das Kirchengericht zur Entscheidung über die Auslegung der Verfassung der Landeskirche aus Anlass von Meinungsverschiedenheiten zwischen Organen der Landeskirche über den Umfang ihrer Rechte und Pflichten berufen, so ist der Antrag nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, durch eine Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners in seinen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet zu sein.
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§ 45
Normenkontrollsachen

Ist das Kirchengericht zur Entscheidung über die Vereinbarkeit von Kirchengesetzen, Verordnungen und Satzungen mit der Verfassung der Landeskirche berufen, so ist der Antrag nur zulässig, wenn der Antragsteller eine Rechtsnorm eines Kirchengesetzes, einer Verordnung oder einer Satzung wegen ihrer förmlichen oder sachlichen Unvereinbarkeit mit der Verfassung der Landeskirche
  1. für nichtig hält oder
  2. für gültig hält, nachdem ein kirchliches Organ oder eine kirchliche Amtsstelle sie als unvereinbar mit der Verfassung der Landeskirche nicht angewendet hat.
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§ 46
Entscheidungen in Normenkontrollsachen

( 1 ) Kommt das Kirchengericht zu der Überzeugung, dass eine Rechtsnorm eines Kirchengesetzes, einer Verordnung oder einer Satzung mit der Verfassung der Landeskirche nicht vereinbar ist, so stellt es in seiner Entscheidung die Nichtigkeit dieser Rechtsnorm fest. Sind weitere Rechtsnormen desselben Kirchengesetzes, derselben Verordnung oder Satzung aus denselben Gründen mit der Verfassung der Landeskirche nicht vereinbar, so kann sie das Kirchengericht ebenfalls für nichtig erklären.
( 2 ) Die Entscheidung des Kirchengerichts nach Absatz 1 hat Gesetzeskraft; die Entscheidungsformel ist nach Eintritt der Rechtskraft im kirchlichen Amtsblatt zu veröffentlichen.
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IV. Abschnitt
Weitere Verfahrensvorschriften für Verwaltungssachen

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§ 47
Zulässigkeit der Klage

Zur Erhebung der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist nur befugt, wer geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
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§ 48
Vorverfahren

( 1 ) Sind gegen den Verwaltungsakt aufgrund besonderer Vorschriften Rechtsbehelfe (Einspruch oder Beschwerden) im Verwaltungswege gegeben, so ist die Klage erst zulässig, wenn die letzte zuständige Instanz der kirchlichen Amtsstellen den beanstandeten Verwaltungsakt durch mit Gründen versehenen Bescheid bestätigt hat. Die Dienstaufsichtsbeschwerde gilt nicht als ein solcher Rechtsbehelf.
( 2 ) Ist ein Rechtsbehelf der in Absatz 1 Satz 1 bezeichneten Art nicht gegeben, ist die Klage erst zulässig, wenn der Betroffene innerhalb eines Monats, nachdem ihm der Verwaltungsakt bekannt gegeben worden ist, bei der kirchlichen Amtsstelle, die ihn erlassen hat, schriftlich Einspruch eingelegt und diese den Einspruch durch mit Gründen versehenen Bescheid zurückgewiesen hat.
( 3 ) Kann die Aufhebung oder Änderung des Verwaltungsaktes im Einspruchs- oder Beschwerdebescheid einen Dritten beschweren, so soll er vor Erlass dieses Bescheides gehört werden.
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§ 49
Fristen für die Klage

( 1 ) Die Anfechtungsklage muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des auf den Rechtsbehelf ergehenden Bescheides erhoben werden.
( 2 ) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes abgelehnt worden ist.
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§ 50
Ausnahmen vom Vorverfahren

Ist über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes oder über einen Rechtsbehelf ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist abweichend von § 48 die Klage unmittelbar zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit dem Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes oder seit der Einlegung des Rechtsbehelfs erhoben werden, es sei denn, dass wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, dass der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen oder über den Rechtsbehelf noch nicht entschieden worden ist, so setzt das Kirchengericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird der Verwaltungsakt innerhalb der vom Kirchengericht gesetzten Frist erlassen oder dem Rechtsbehelf innerhalb dieser Frist stattgegeben, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.
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§ 51
Verschweigung

Die Klage nach § 50 kann nur bis zum Ablauf eines Jahres seit der Stellung des Antrages auf Vornahme eines Verwaltungsaktes oder seit der Einlegung des Rechtsbehelfs erhoben werden, es sei denn, dass die Klageerhebung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder unter den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles unterblieben ist. Soweit nach Satz 1 die Klage noch nach Ablauf der Jahresfrist erhoben werden kann, sind die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entsprechend anzuwenden.
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§ 52
Klagegegner

Die Klage ist gegen die kirchliche Amtsstelle zu richten, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat.
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§ 53
Widerklage

( 1 ) Die Widerklage kann erhoben werden, wenn der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch oder mit den gegen ihn vorgebrachten Verteidigungsmitteln zusammenhängt.
( 2 ) Bei Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen ist die Widerklage ausgeschlossen.
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§ 54
Beschränkte aufschiebende Wirkung der Anfechtung

( 1 ) Der Einspruch, die Beschwerde und die Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Die kirchliche Amtsstelle, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, kann jedoch dessen Vollziehung anordnen, wenn sie es im kirchlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten für geboten hält. Die Anordnung ist schriftlich zu begründen, es sei denn, dass Gefahr im Verzuge ist.
( 2 ) Die Einspruchs- und die Beschwerdestelle können, solange das Vorverfahren bei ihnen anhängig ist, die Vollziehung des Verwaltungsaktes aussetzen.
( 3 ) Das Kirchengericht kann auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen; der Antrag ist auch vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Kirchengericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
( 4 ) Beschlüsse über Anträge nach Absatz 3 können jederzeit geändert oder aufgehoben werden.
( 5 ) Die Entscheidungen nach den Absätzen 3 und 4 kann der Vorsitzende des Kirchengerichts allein treffen.
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§ 55
Vergleich

Um den geltend gemachten Anspruch vollständig oder zum Teil zu erledigen, können die Beteiligten zur Niederschrift des Kirchengerichts oder in einem Verfahren nach § 26 einen Vergleich schließen, soweit sie über den Gegenstand der Klage verfügen können.
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§ 56
Urteilstenor

( 1 ) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Kirchengericht den Verwaltungsakt und die auf Rechtsbehelfe ergangenen Bescheide auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Kirchengericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die kirchliche Amtsstelle die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die kirchliche Amtsstelle dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Kirchengericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
( 2 ) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung in Geld oder anderen vertretbaren Sachen oder eine Feststellung, so kann das Kirchengericht die Leistung in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen.
( 3 ) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsaktes eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
( 4 ) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsaktes rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Kirchengericht die Verpflichtung der kirchlichen Amtsstelle aus, den beantragten Verwaltungsakt zu erlassen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Kirchengerichts zu bescheiden.
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§ 57
Nachprüfung von Ermessensentscheidungen

Soweit die kirchliche Amtsstelle ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Kirchengericht auch, ob der Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung rechtswidrig sind, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist.
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§ 58
Feststellungsklage

( 1 ) Die Feststellungsklage steht nur demjenigen zu, der ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.
( 2 ) Die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses kann nicht begehrt werden, wenn der Kläger seine Rechte durch Anfechtungs-, Verpflichtungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes begehrt wird.
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§ 59
Besondere Verfahren in Aufsichtssachen gegenüber kirchlichen Körperschaften

Ist aufgrund kirchengesetzlicher Regelung die Nachprüfung kirchenaufsichtlicher Maßnahmen gegenüber kirchlichen Körperschaften durch das Kirchengericht zulässig, so ist binnen der Frist von einem Monat nach Bekanntgabe der Maßnahme die Beschwerde an die oberste landeskirchliche Aufsichtsbehörde, gegen deren Maßnahmen binnen gleicher Frist der Einspruch bei dieser gegeben. Im Übrigen finden die Vorschriften über die Anfechtung von Verwaltungsakten Anwendung. Ist die angefochtene Maßnahme einer Aufhebung nicht fähig, so spricht das Kirchengericht aus, dass die Maßnahme nicht rechtmäßig war.
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§ 60
Rechtsbehelfsbelehrung

( 1 ) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt mit der Zustellung zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, deren Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich belehrt worden ist.
( 2 ) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, es sei denn, dass die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder die Belehrung dahin erfolgt ist, ein Rechtsbehelf sei nicht gegeben. Auf den Fall höherer Gewalt sind die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entsprechend anzuwenden.
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§ 61
Wiederaufnahme des Verfahrens

( 1 ) Ein rechtskräftig beendetes Verfahren kann nach den für Streitigkeiten vor den staatlichen allgemeinen Verwaltungsgerichten geltenden Vorschriften wieder aufgenommen werden.
( 2 ) Die Befugnis zur Erhebung der Nichtigkeitsklage und der Restitutionsklage steht auch dem Vertreter des allgemeinen kirchlichen Interesses zu.
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V. Abschnitt
Einstweilige Anordnungen

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§ 62

( 1 ) Auf Antrag kann das Kirchengericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf einen streitigen Gegenstand zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
( 2 ) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen gelten die auf das Verfahren vor den staatlichen allgemeinen Verwaltungsgerichten anzuwendenden Vorschriften.
( 3 ) Die Vorschriften des Absatzes 1 gelten nicht für die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes oder die Beseitigung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs.
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VI. Abschnitt
Rechtsmittel

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§ 63
Revision, unanfechtbare Entscheidungen

( 1 ) Den Beteiligten steht gegen Urteile des Kirchengerichts die Revision an das Verfassungs- und Verwaltungsgericht der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (Revisionsgericht) nach Maßgabe der folgenden Vorschriften zu.
( 2 ) Andere Entscheidungen des Kirchengerichts sind unanfechtbar, soweit nicht in dieser Kirchengerichtsordnung etwas anderes ausdrücklich bestimmt ist.
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§ 64
Revisionsgründe

Die Revision ist zulässig, wenn Verletzung des von der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands gesetzten Rechts oder des Verfassungsrechts der betreffenden Landeskirche gerügt wird.
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§ 65
Besondere Revisionsgründe in Verwaltungssachen, Nichtzulassungsbeschwerde

( 1 ) In Verwaltungssachen ist die Revision ferner gegeben, wenn wesentliche Mängel des Verfahrens gerügt werden oder wenn sie vom Kirchengericht zugelassen ist. Sie muss zugelassen werden,
  1. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung über den Bereich der Landeskirche hinaus hat,
  2. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Verfassungs- und Verwaltungsgerichts der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands abweicht und auf der Abweichung beruhen kann.
( 2 ) Die Nichtzulassung der Revision kann selbstständig durch Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung des mit Gründen versehenen Urteils angefochten werden. Die Beschwerde ist schriftlich bei der Geschäftsstelle des Kirchengerichts einzulegen. In der Beschwerdeschrift muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Verfassungs- und Verwaltungsgerichts der Vereinigten Evangelisch-lutherischen Kirche Deutschlands bezeichnet werden, von der das Urteil des Kirchengerichts abweicht.
( 3 ) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.
( 4 ) Über die Beschwerde entscheidet das Revisionsgericht aufgrund schriftlichen Verfahrens durch Beschluss, der nicht der Verkündung bedarf. Mündliche Verhandlung kann angeordnet werden. Der Beschluss ist zu begründen.
( 5 ) Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht oder ihrer Rücknahme wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung des Beschwerdebescheides der Lauf der Revisionsfrist.
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§ 66
Behandlung von Verfassungsangelegenheiten im Revisionsverfahren

Kommt das Revisionsgericht in Abweichung von der Entscheidung des Kirchengerichts zu der Überzeugung, dass eine Rechtsnorm eines Kirchengesetzes, einer Verordnung oder Satzung mit der Verfassung der betreffenden Landeskirche nicht vereinbar ist, so finden die Vorschriften des § 46 entsprechende Anwendung.
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§ 67
Zulässige Revisionsgründe

( 1 ) Die Revision kann nur auf Rechtsverletzung gestützt werden.
( 2 ) Das Revisionsgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil enthaltenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, es sei denn, dass in Bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.
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§ 68
Fristen

( 1 ) Die Revision ist binnen Monatsfrist nach Zustellung des mit Gründen versehenen Urteils bei der Geschäftsstelle des Kirchengerichts schriftlich einzulegen und innerhalb einer weiteren Frist von einem Monat nach Ablauf der Einlegungsfrist zu begründen. Die Frist zur Begründung der Revision kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag vom Vorsitzenden des Revisionsgerichts verlängert werden.
( 2 ) Die Beteiligten sind über das Rechtsmittel zu belehren. § 60 findet entsprechende Anwendung.
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§ 69
Inhalt der Revision und der Revisionsbegründung

Die Revision muss das angefochtene Urteil angeben. Die Revision oder die Revisionsbegründung müssen einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben.
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§ 70
Zurücknahme der Revision

Für die Zurücknahme der Revision gilt § 22 Abs. 1 entsprechend. Die Zurücknahme bewirkt den Verlust des Rechtsmittels; das Revisionsgericht entscheidet durch Beschluss über die Kostenfolge.
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§ 71
Unzulässigkeit von Klageänderung und Beiladung

Klageänderungen und Beiladungen sind im Revisionsverfahren unzulässig.
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§ 72
Förmliche Prüfung der Revisionsvoraussetzungen

Das Revisionsgericht prüft, ob die Revision statthaft und ob sie in der vorgeschriebenen Form und Frist eingelegt und begründet worden ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Revision unzulässig.
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§ 73
Entscheidungen des Revisionsgerichts

( 1 ) Ist die Revision unzulässig, so verwirft sie das Revisionsgericht durch Beschluss.
( 2 ) Ist die Revision unbegründet, so weist das Revisionsgericht die Revision zurück.
( 3 ) Ist die Revision begründet, so kann das Revisionsgericht
  1. in der Sache selbst entscheiden,
  2. das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
( 4 ) Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.
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§ 74
Verfahrensvorschriften

Für die Revision gelten die Vorschriften des II. und IV. Abschnitts sinngemäß, soweit sich nicht aus diesem Abschnitt und dem von der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands gesetzten Verfahrensrecht etwas anderes ergibt.
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§ 75
Verfahrensvorschriften der VELKD

Die Vorschriften dieses Abschnitts finden nur Anwendung, soweit das Recht der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands über das Verfahren vor dem Revisionsgericht keine abweichenden Vorschriften enthält.
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VII. Abschnitt
Kosten des Verfahrens

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§ 76
Gerichtskosten und Kosten der Verfahrensbeteiligten

( 1 ) Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Verwaltungssachen nach Maßgabe der im Lande Schleswig-Holstein geltenden staatlichen Vorschriften mit Ausnahme der Auslagen, die durch Verhandlungen außerhalb des Gerichtssitzes entstehen, erhoben. Das Kirchengericht kann beschließen, dass von der Erhebung der Gebühren ganz oder teilweise abzusehen ist. In Verfassungssachen werden keine Gebühren erhoben.
( 2 ) Das Kirchengericht entscheidet in der Endentscheidung oder durch besonderen Beschluss, der nicht der Verkündung bedarf, unter Berücksichtigung der Entscheidung in der Hauptsache nach billigem Ermessen über die Verteilung der Gerichtskosten auf die Parteien und über die Erstattung von notwendigen Auslagen der Beteiligten und von durch die Vertretung in angemessenem Umfang entstandenen Kosten.
( 3 ) Soweit ein Verfahren stattgefunden hat, sind Gebühren und Auslagen für einen Bevollmächtigten nur erstattungsfähig, wenn das Kirchengericht dessen Zuziehung für das Vorverfahren für notwendig erklärt.
( 4 ) Über den Streitwert entscheidet das Kirchengericht mit der Endentscheidung oder durch besonderen Beschluss, der nicht der Verkündung bedarf.
( 5 ) Der Urkundsbeamte des Kirchengerichts setzt auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Kosten fest. Gegen die Kostenfestsetzung ist innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung die Erinnerung an den Vorsitzenden des Kirchengerichts gegeben. Dieser entscheidet endgültig.
( 6 ) Die Entscheidungen nach den Absätzen 1 bis 4 sind nicht selbstständig anfechtbar.
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§ 77
Entschädigung der Zeugen und Sachverständigen

Zeugen und Sachverständige werden nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen vom 26. September 1963 (BGBl. I S. 758) in seiner jeweils geltenden Fassung entschädigt.
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§ 78
Kosten des Revisionsverfahrens

Für die Kosten des Revisionsverfahrens gelten die Bestimmungen der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands.
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VIII. Abschnitt
Schlussvorschriften

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§ 79
Anwendung der Verwaltungsgerichtsordnung

Soweit diese Kirchengerichtsordnung keine Vorschriften über das Verfahren enthält, sind die Bestimmungen der Verwaltungsgerichtsordnung vom 21. Januar 1960 (BGBl. I S. 17) in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden.

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1 ↑ Red. Anm.: Die Kirchengerichtsordnung trat gemäß § 10 Absatz 2 Nummer 2 Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsgesetz vom 9. Oktober 2015 (KABl. S. 390) mit Ablauf des 31. Dezember 2015 außer Kraft. Sie war gemäß der §§ 4 und 5 des Vertrags über die Errichtung und Ordnung eines Kirchengerichts der evangelisch-lutherischen Kirchen in Schleswig-Holstein und Hamburg am 1. Janaur 1974 als Bestandteil dieses Vertrags in Kraft getreten (KGVOBl. S. 64).
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2 ↑ Red. Anm.: Gemäß Teil 1 § 69 Absatz 1 des Einführungsgesetzes vom 7. Januar 2012 (KABl. S. 30, 127, 234) in der jeweils geltenden Fassung unterhält die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland ein kirchliches Verfassungs- und Verwaltungsgericht mit Sitz in Kiel. Bis zu einer anderweitigen kirchengesetzlichen Regelung galten für Verfahren vor diesem Kirchengericht das Kirchengesetz über ein Kirchengericht der evangelisch-lutherischen Kirchen in Schleswig-Holstein und Hamburg vom 10. November 1972 (KGVOBl. 1974 S. 63) sowie die an dieser Stelle abgebildete Kirchengerichtsordnung des Kirchengerichts der evangelisch-lutherischen Kirchen in Schleswig-Holstein und Hamburg vom 2. April 1974 (KGVOBl. S. 65), zuletzt geändert durch § 47 des Einführungsgesetzes zur Verfassung der Nordelbischen Evangelisch- Lutherischen Kirche vom 12. Juni 1976 (KGVOBl. S. 179).