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Kirchengericht:Verfassungs- und Verwaltungsgericht der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland
Entscheidungsform:Urteil (rechtskräftig)
Datum:12.10.2015
Aktenzeichen:NK-VG II 2/2012
Rechtsgrundlage:§ 21 PastVO; § 556 BGB
Vorinstanzen:nachfolgend: Verfassungs- und Verwaltungsgericht der VELKD: RVG 2/2016
Schlagworte:
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Leitsatz:

Pastoren sind zur Leistung von Nebenkosten der Dienstwohnung auch dann verpflichtet, wenn deren Abrechnung erst mehr als ein Jahr nach Ablauf des Abrechnungszeitraums erfolgt. Auf das öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnis, das durch die Zuweisung des Pastorats entsteht, findet die Vorschrift des § 556 Absatz 3 Sätze 2, 3 BGB keine Anwendung.

Tenor:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 1.442,67 nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem jeweiligen Basiszinssatz ab X.Y.2012 zu zahlen.
Die Kosten des Verfahrens fallen der Beklagten zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Forderung abwenden, wenn die Klägerin nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von Nebenkosten der seinerzeit von der Beklagten genutzten Pastoratswohnung für das Jahr 2009 in Anspruch.
Die Beklagte war bis zum X.Y.2011 Pastorin in der klägerischen Gemeinde, dann wechselte sie auf eine Kirchenkreispfarrstelle.
Zum X.Y.2009 wies die Klägerin der Beklagten eine in B gelegene Dienstwohnung zu. Von 99,54 qm Gesamtfläche entfielen auf den privaten Bereich 76,82 qm, auf den Amtsbereich 22,72 qm. Diese Wohnung gehörte nicht der Klägerin, sondern wurde von der Klägerin selbst erst angemietet, um sie der Beklagten zur Verfügung zu stellen. Neben einer Dienstwohnungsvergütung von EUR 478,59 zahlte die Beklagte keine Vorauszahlung auf die Nebenkosten. Die Beklagte gab die Dienstwohnung am X.Y.2011 geräumt zurück.
In einem auf den X.Y.2011 datierten und der Beklagten am selben Tag zugegangenen Schreiben rechnete die Klägerin gegenüber der Beklagten Betriebs- und Heizkosten für die Zeit vom X.Y. bis X.Y.2009 ab. Die Abrechnung schloss mit einem Zahlungsbetrag von EUR 1.442,67. Diese Forderung ist Gegenstand der Klage.
Die Klägerin verweigerte letztlich die Zahlung für 2009 im Wesentlichen deswegen, weil ihr gegenüber die Nebenkosten erst im Februar 2011 und damit nach Ablauf der Jahresfrist des § 556 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) abgerechnet worden seien.
Für das Jahr 2010 errechnete die Klägerin unter dem X.Y.2011 einen Nebenkostenanspruch in Höhe von EUR 1.579,66, der nicht Gegenstand des Verfahrens ist.
Die Klägerin hat mit Schreiben vom X.Y.2012 am X.Y.2012 Klage erhoben.
Die Klägerin meint, die Beklagte berufe sich zu Unrecht auf die Ausschlussfrist des § 556 Absatz 3 BGB.
Nach den Pastoratsvorschriften der Nordelbischen Kirche (PastVO) würden Pastorate den Pastoren ohne Abschluss eines Mietvertrags zugewiesen. Das Rechtsverhältnis sei öffentlich-rechtlicher Natur und in den Pastoratsvorschriften geregelt. § 21 Absatz 1 PastVO regele, dass der Pastor die Nebenkosten für Wasser, Heizung und Müll zu tragen habe. Die Klägerin habe die Nebenkosten für den Abrechnungszeitraum 2009 in ihrer Funktion als Mieterin gegenüber dem Vermieter zunächst selbst verauslagt und könne gemäß § 21 Absatz 2 PastVO von der Beklagten verlangen, dass sie ihr die Kosten erstatte. Eine Frist für die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs enthielten die Pastoratsvorschriften nicht. Die Vorschriften des BGB fänden keine Anwendung. Eine gesetzliche Verweisung auf sie gebe es nicht. Eine analoge Anwendung der Vorschrift des privaten Mietrechts komme nicht in Betracht, denn im Hinblick auf den öffentlich-rechtlichen Zuweisungscharakter des Dienstwohnungsverhältnisses fehle es bereits an einem rechtsähnlichen Tatbestand. Dass es bei der Zuweisung eines Pastorats aufgrund der Pastoratsvorschriften wie im privatrechtlichen Mietrecht zu einer Überlassung von Räumlichkeiten komme, die auch zum privaten Wohnen dienten, sei für eine Anwendung der BGB-Frist nicht hinreichend, zumal das Pfarrerdienstwohnungsrecht durch das Alimentationsprinzip determiniert sei, das auf dem kirchlichen Selbstverwaltungsrecht beruhe. Einer Anwendung der von der Beklagten bemühten Vorschrift des BGB stehe weiterhin entgegen, dass sie nicht dem Willen des Kirchen-Gesetzgebers entspreche. Wäre eine Angleichung der Pastoratsvorschriften an das BGB gewollt gewesen, dann würde eine entsprechende Gesetzesänderung durch den Dienstherren der Beklagten erfolgt sein.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 1.442,67 nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Klageerhebung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Meinung, die Geltendmachung einer Nachforderung für das Abrechnungsjahr 2009 sei der Klägerin nach dem X.Y.2010 nicht mehr möglich gewesen. § 556 Absatz 3 BGB sei auf das Dienstwohnungsverhältnis analog anzuwenden, um eine planwidrige Regelungslücke zu schließen. Da es zur Wahrung des Rechtsfriedens zwingend erforderlich sei, die zeitliche Befristung von Ansprüchen und Rechten zu regeln, sei in dem Fehlen einer Vorschrift wie § 566 Absatz 3 BGB eine planwidrige Regelungslücke zu erkennen.
Die Vorschrift in § 21 PastVO sei eng an das Wohnraummietrecht und insbesondere an die zum Zeitpunkt der Entstehung der entsprechenden Pastoratsvorschriften geltende Regelung des § 4 des Gesetzes zur Regelung der Miethöhe (Miethöhegesetz – MHG –) angelehnt. Auch im Miethöhegesetz sei eine Frist für die jährlich vorzunehmende Abrechnung der Vorauszahlung von Betriebskosten nicht bestimmt gewesen. Unter Hinweis auf § 20 Absatz 3 Satz 4 der Verordnung über die Ermittlung der zulässigen Miete für preisgebundene Wohnungen (Neubaumietenverordnung 1970 – NMV –) sei die Frist für die Abrechnung durch die Rechtsprechung auf ein Jahr beschränkt worden (Bundesgerichtshof – BGH –, Urteil vom 09.03.2005, VIII ZR 57/04), weil die Abrechnung nicht in das freie Belieben des Vermieters gestellt sein könne. Diese Rechtslage sei auf die Pastoratsvorschriften zu übertragen. Es finde sich kein Anhaltspunkt dafür, dass mit Übernahme der jährlichen Abrechnungsverpflichtung des § 4 MHG in § 21 PastVO nicht auch die hierzu seinerzeit geltende zivilrechtliche Rechtslage habe übernommen werden sollen. Es sei vielmehr wahrscheinlich, dass die entsprechenden Gremien der Nordelbischen Kirche infolge ihrer Inanspruchnahme durch den Fusionsprozess zur Nordkirche an einer Übernahme der Ausschlussfrist des BGB in die Pastoratsvorschriften gehindert gewesen seien.
Die Beklagte meint, andernfalls sei es Willkür, wenn eine Landeskirche für sie vorteilhafte Ausschlussfristen, wie z. B. für die Abrechnung von Dienstfahrten oder im Rahmen der Beihilfe, aus den allgemeinen Rechtsvorschriften übernehme, während pastorenschützende Ausschlussfristen wie § 556 Absatz 3 BGB nicht übernommen würden.
Zu bedenken sei auch, dass der Dienstwohnungsnutzer nicht im geringeren, sondern sogar im höheren Maße als ein Mieter von „normalem“ Wohnraum schutzbedürftig sei. Die Pastoratsvorschriften stünden in keinem Zusammenhang mit dem Alimentationsprinzip. Die Zurverfügungstellung des Pastorats sei nicht Teil der Alimentation des Pastors, was sich darin zeige, dass die Pastorinnen und Pastoren eine Gegenleistung in Form der Dienstwohnungsvergütung an ihren Dienstherren zu leisten hätten.
Die Beklagte trägt unter Hinweis auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 27.01.2010 (XII ZR 22/07, NWM 2010, 240) weiter vor, selbst im Gewerberaummietverhältnis sei anerkannt, dass der Vermieter keine Nachforderungen mehr nach Ablauf einer einjährigen Abrechnungsfrist geltend machen könne.
Während des Klageverfahrens hat die Beklagte hilfsweise die Aufrechnung mit zwei eigenen Schadensersatzansprüchen gegen die Nebenkostenforderung der Klägerin für 2009 erklärt. Ihre hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzansprüche begründet die Beklagte wie folgt: Gegen den Wunsch und ausdrücklichen Widerspruch der Beklagten habe die Klägerin der Beklagten eine Dienstwohnung mit drei Zimmern statt mit nur zwei Zimmern zugewiesen, wie es § 9 Absatz 2 PastVO entsprochen hätte. Unter Zugrundelegung der flächenmäßig anteiligen Kosten für Miete, Schönheitskostenpauschale und Heizung für das kleinste Zimmer sei ihr während der 30-monatigen Mietzeit ein Schaden von EUR 2.526,90 entstanden, für den die Klägerin ihr Ersatz schulde. Außerdem habe die Klägerin der Beklagten einen Schaden zugefügt, indem sie während der Mietzeit keine Abschlagszahlungen auf die jetzt streitgegenständlichen Nebenkosten berechnet und von ihrer, der Beklagten, Dienstvergütung in Abzug gebracht habe, obwohl ihr, der Beklagten, vor ihrem Einzug die Berechnung der Nebenkosten in Aussicht gestellt worden sei. Deswegen habe sie darauf vertraut, dass eine Abschlagszahlung mit der Dienstvergütung verrechnet werde. Die Beklagte berechnet insoweit einen Schaden von EUR 2.400,00, weil sie ohne die behauptete Pflichtverletzung der Klägerin während zwei Jahren monatlich EUR 100,00 weniger für anderes ausgegeben hätte.
Die Klägerin hat sich nicht zu den geltend gemachten Schadensersatzansprüchen geäußert.
Dem Gericht lag außer den Schriftsätzen der Beteiligten nebst Anlagen ein Konvolut vor, das die Klägerin dem Gericht auf Anforderung als seinen Verwaltungsvorgang eingereicht hat. Ergänzend wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung am X.Y.2014 Bezug genommen. Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung ihr Einverständnis mit dem Übergang in das schriftliche Verfahren erklärt.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Das Gericht entscheidet im Einvernehmen mit den Beteiligten im schriftlichen Verfahren.
Die Klage ist als Leistungsklage zulässig und begründet.

I.

Die Klägerin hat dem Grunde nach einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von Nebenkosten. Dies ergibt sich aus § 21 Absatz 1, Absatz 3 Satz 2 PastVO, der auf den Streitfall Anwendung findet. Nach Absatz 1 dieser Vorschrift hat der Pastor die Nebenkosten, wie sie in der Vorschrift aufgelistet sind, neben der Dienstwohnungsvergütung zu tragen. Nach § 21 Absatz 3 Satz 2 PastVO ist der Ausgleich jährlich vorzunehmen. Dass ein Anspruch dem Grund nach bestanden hat, wurde auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt. Es liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass die streitgegenständliche Abrechnung für das Jahr 2009 vom X.Y.2011 der Höhe nach nicht zutreffend ist. Dies hat die Beklagte im Übrigen auch nicht behauptet.
Die Geltendmachung des Nachzahlungsanspruchs ist der Klägerin nicht deswegen verwehrt, weil die Abrechnung der Klägerin gegenüber der Beklagten erst später als ein Jahr nach Ablauf des Abrechnungszeitraums – dem Kalenderjahr 2009 – am X.Y.2011 erfolgte.
Der Anspruch der Klägerin ist nicht durch Aufrechnung der Beklagten erloschen, weil Gegenansprüche der Beklagten nicht erkannt werden können.
Im Einzelnen:

II.

1. Die für das Dienstwohnungsverhältnis maßgeblichen Pastoratsvorschriften enthalten keine Regelung, dass nach Ablauf eines Jahres eine Geltendmachung von Nachzahlungsansprüchen ausgeschlossen ist. In § 21 Absatz 3 Satz 2 PastVO ist hinsichtlich der Abrechnung nur geregelt, dass der Ausgleich nach den tatsächlich zu zahlenden Beträgen jährlich sowie nach Wechsel des Wohnungsinhabers vorzunehmen ist.
2. Die Vorschrift des § 556 Absatz 3 Sätze 2, 3 BGB, auf die sich die Beklagte beruft und nach der die Geltendmachung einer Nachforderung von Nebenkosten durch den Vermieter grundsätzlich ausgeschlossen ist, wenn er nicht innerhalb eines Jahres nach Ende des Abrechnungszeitpunkts gegenüber dem Mieter abgerechnet hat, findet keine unmittelbare Anwendung. Denn die Beteiligten sind nicht durch einen zivilrechtlichen Mietvertrag miteinander verbunden, sondern die Klägerin hatte der Beklagten die Wohnung als Dienstwohnung zugewiesen. Gemäß § 1 Absatz 1 PastVO werden Pastorate den Pastoren im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses zugewiesen.
Eine Verweisung in den ansonsten maßgeblichen kirchenrechtlichen Gesetzen auf die Vorschrift des § 556 Absatz 3 Satz 2 BGB ist nicht ersichtlich und wird auch von der Beklagten nicht geltend gemacht.
3. Ob die Vorschriften des BGB auf das öffentliche Rechtsverhältnis der Pastorats- bzw. Dienstwohnungszuweisung im Wege einer Analogie, wie die Beklagte meint, überhaupt ergänzende Anwendung finden bzw. finden können, bedarf im vorliegenden Fall keiner abschließenden Klärung.
Denn nach Ansicht des erkennenden Gerichts käme, würde eine Anwendbarkeit dem Grundsatz nach überhaupt bejaht werden, jedenfalls keine schematische Anwendung in Betracht, sondern allenfalls eine Anwendung unter wertender Berücksichtigung der Besonderheiten des öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses und der konkreten Zuweisungssituation. Ergebnis dieser wertenden Berücksichtigung wäre, dass ein Nachzahlungsanspruch des Dienstherrn nicht zwingend nach Ablauf der Zwölfmonatsfrist untergehen würde. Im Streitfall würde die Abrechnung nach 13,5 Monaten, statt der von der Beklagten geltend gemachten 12 Monate, die Klägerin mit ihrem Erstattungsanspruch nicht ausschließen.
a) Soweit die Beklagte meint, sich auf eine analoge Anwendung der Vorschrift des § 556 Absatz 3 Satz 2 BGB berufen zu können, ist folgendes anzumerken:
Die Pastoratsvorschriften stammen aus dem Jahr 1986.
Das Zivilrecht ist erst im Jahr 2001 um die Vorschrift des § 556 Absatz 3 Satz 2 BGB ergänzt worden. Zuvor galt im Zivilrecht, wie selbst die Beklagte vorträgt, die Vorschrift des § 4 MHG (s. o.), die für die jährlich vorzunehmende Nebenkostenabrechnung – ebenso wie § 21 PastVO – keine Frist vorsah.
Die Gründe, die dazu führten, dass das Bestehen einer Jahresfrist für die Nebenkostenabrechnung durch staatliche Gerichte für den Regelungsbereich der Wohnraummiete bereits für die Zeit vor Einführung des § 556 Absatz 3 Satz 2 BGB angenommen wurde, sind nicht ohne weiteres auf das öffentlich-rechtliche Verhältnis der Beteiligten zu übertragen und schon gar nicht mit der von der Beklagten behaupteten Konsequenz, dass in dem Fehlen einer entsprechenden Vorschrift mit derselben Ausschlussfrist eine planwidrige Lücke oder ein Willkürakt des Kirchengesetzgebers zu sehen wäre:
aa) Wie sich aus der von der Beklagten zitierten Entscheidung des BGH vom 09.03.2005 (VIII ZR 57/04) ergibt, war es durchaus nicht zwingend, neben den allgemeinen Verjährungsfristen eine zwölfmonatige Ausschlussfrist für die Nebenkostenabrechnung zugrunde zu legen. Der BGH hat in dieser Entscheidung – für den Bereich des Mietrechts – ausgeführt:
„Auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung erscheint es selbstverständlich, dass der Zeitpunkt für die Abrechnung nicht in das freie Belieben des Vermieters gestellt ist, sondern dass die Abrechnung innerhalb angemessener Frist zu erfolgen hat. … sieht der Senat in der für den preisgebundenen Wohnraum maßgebenden Jahresfrist des § 20 Absatz 3 Satz 4 NMV einen brauchbaren Anhaltspunkt für die Angemessenheit der Abrechnungsfrist. Eine Überschreitung dieser Frist kann dem Vermieter nur dann zugestanden werden, wenn er an der rechtzeitigen Erstellung der Abrechnung aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen gehindert war.“
Die spezielle Frist der Neubaumietenverordnung war dem BGH zunächst also nicht mehr als ein bloßer Anhaltspunkt im Rahmen einer umfassenderen Angemessenheitsprüfung.
bb) Zur Frage, ob diese Überlegungen überhaupt aus dem Bereich des Wohnraummietrechts auf andere Fälle der Nutzungsüberlassung von Räumen übertragen werden können, wird zunächst Bezug genommen auf Ausführungen des LG Essen (Urteil vom 29.11.2007, 10 S 240/07).
„§ 556 Absatz 3 Satz 3 BGB, der die Ausschlussfrist für Nachzahlungsansprüche des Vermieters regelt, ist seinerzeit in Anlehnung an § 20 Absatz 3 Satz 4 NMV neu durch die Mietrechtsreform geschaffen worden. Nach ihrer systematischen Stellung im Regelungszusammenhang gilt die Vorschrift für Wohnraummietverhältnisse, einschließlich der in § 549 Absatz 2 und 3 BGB aufgeführten Mietverhältnisse. Zweck der Norm ist, dem Mieter Sicherheit über den Verbleib seiner Vorauszahlungen zu geben und Streit über lange zurückliegende Abrechnungszeiträume zu vermeiden (Staudinger § 556 BGB Rdn. 106; Beck-online, Kommentar zum BGB § 556 BGB Rdn. 3). Anknüpfungspunkt für die Regelung ist, dass es den Parteien eines Mietvertrags frei steht, abweichend von § 535 Absatz 1 Satz 3 BGB zu vereinbaren, dass die auf der Mietsache ruhenden Lasten – hierzu zählen im Rahmen von Wohnraummietverträgen die Betriebskosten – nicht vom Vermieter, sondern vom Mieter zu tragen sind. Ohne eine solche Abrede verbleibt es bei der Grundregel des § 535 I Satz 3 BGB, wonach der Vermieter von Wohnraum die Betriebskosten zu tragen hat (Staudinger § 535 BG Rdn. 63). § 556 Absatz 3 Satz 3 BGB stellt unter Berücksichtigung seiner historischen Entwicklung und seiner systematischen Stellung im Regelungszusammenhang eine für das Wohnraummietrecht geltende Ausnahmevorschrift dar. Zwar ist mittlerweile wohl anerkannt, dass auch Ausnahmevorschriften analogiefähig sind und damit auf solche Fälle anzuwenden sind, die zwar in der Ausnahmeregelung nicht scharf angesprochen sind, für die aber bei sinngemäßer Wertung der der Ausnahmeregelung zugrunde liegenden gesetzgeberischen Gedanken die Anwendung der Ausnahmeregelung erforderlich ist (MüKo Einleitung Band 1, Rdn. 112 ff. m. w. N.).“
Das erkennende Gericht macht sich diese Erwägungen zu dem Ausnahmecharakter der von der Beklagten geltend gemachten Fristenregelung zu Eigen. Es ist schon zweifelhaft, ob die genannten Voraussetzungen, auf deren Grundlage eine Übertragung der Regelung des § 20 Absatz 3 NMV auf das Wohnraummietrecht insgesamt begründet worden ist, in anderen Bereichen als dem der Wohnraummiete – hier dem Pfarrerdienstwohnungsrecht – gegeben sind.
So ist etwa für den Bereich der gewerblichen Mietverhältnisse noch immer streitig, ob § 556 Absatz 3 Satz 3 BGB anzuwenden ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Beklagten angesprochenen Entscheidung des BGH vom 27.01.2010 (XII ZR 22/07). Dort heißt es zwar, dass nach Ablauf des zwölften Monats nach dem Ende des Abrechnungszeitraums der Mieter den Vermieter auf Erteilung der Nebenkostenabrechnung in Anspruch nehmen kann und keine weiteren Vorauszahlungen auf die Nebenkosten erbringen muss. Weiter heißt es aber ausdrücklich, dass damit jedoch ein Ausschluss mit Nachforderungen, wie er für die Wohnraummiete gilt, nicht verbunden ist.
Auch der als Anknüpfungspunkt für die Sondervorschrift des § 556 Absatz 3 Satz 3 BGB genannte Umstand, dass nach den gesetzlichen Regeln die Nebenkosten grundsätzlich vom Vermieter zu tragen sind, ist für den Fall der Zuweisung nach den Pastoratsvorschriften nicht gegeben. Denn die Pastoratsvorschriften geben eben genau die gegenteilige Kostentragungslast vor.
cc) Gegen das Bestehen einer durch Gesetzesanalogie zu schließenden Lücke spricht nach Ansicht des erkennenden Gerichts auch, dass nach erfolgter Änderung des zivilrechtlichen Mietrechts durch Einfügung der Regelung des § 556 Absatz 3 Satz 3 BGB zwar in Gesetze einiger anderer Kirchen durchaus Regelungen aufgenommen worden sind, die § 556 Absatz 3 Satz 3 BGB entsprechen, nicht jedoch im Bereich der Nordelbischen Kirche, deren Recht zum Zeitpunkt der Abrechnung für die Beteiligten galt. Beispielhaft erwähnt sei die Rechtsordnung über die Umlage der Nebenkosten der Pfarrdienstwohnungen der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (ABl. 2004, Seite 318, geändert am 30.04.2009, ABl. 2009, Seite 225, § 7 Absatz 5: „Die Betriebskostenabrechnung ist der Inhaberin oder dem Inhaber spätestens zum Ablauf des zwölften Monats nach Ende des Abrechnungszeitraums mitzuteilen. Nach Ablauf dieser Frist ist die Geltendmachung einer Nachforderung nur möglich, wenn die Verspätung nicht schuldhaft war.“). Dass das Recht der Nordelbischen Kirche nicht geändert worden war, obwohl die Änderung des Zivilrechts und die Änderung entsprechender Vorschriften anderer Kirchen die Möglichkeit zur Änderung aufgezeigt hatte, ist ein Indiz dafür, dass eine Lücke vom Gesetzgeber der Nordelbischen Kirche jedenfalls nicht gesehen worden war.
dd) Entscheidend ist für das erkennende Gericht Folgendes: Selbst für die von der Beklagten in Bezug genommen Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 09.03.2005 (s. o.) stand im Vordergrund die Ermittlung einer angemessenen Frist, für die sich der BGH in dem Fall, dass es in den maßgeblichen Gesetzen keine Regelung einer Frist gibt, bloß an der für einen anderen Regelungsbereich geschaffenen Vorschrift für den preisgebundenen Wohnraum orientiert hat. Angemessene Regelungen können indes nur begrenzt schematisch erfolgen, sondern müssen grundsätzlich Besonderheiten berücksichtigen. Vor dem Hintergrund, dass der Bundesgerichtshof das ansonsten „freie Belieben“ des Vermieters mit den Interessen des Mieters in Ausgleich bringen wollte, müssen bei der Frage einer Übertragung auf den Bereich der Pastoratszuweisung die dort bestehenden Besonderheiten bei der Ermittlung einer angemessenen Frist berücksichtigt werden.
Im Rahmen der Bestimmung einer „Angemessenheit“ ist zu berücksichtigen, dass das öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnis der Zuweisung von Pastoraten (bzw. von Dienstwohnungen) Teil des Dienstverhältnisses ist, das über ein Austauschverhältnis von Zurverfügungstellung von Wohnraum gegen Entgelt hinausgeht und insbesondere auch durch das zugrunde liegende Dienstverhältnis geprägt ist, das bereits als solches ein besonderes Vertrauensverhältnis begründet.
Bei Bewertung der konkreten Zuweisungssituation der Beteiligten ist weiter zu berücksichtigen, dass die Klägerin – anders als im „Normalfall“ einer Vermietung von (preisgebundenem) Wohnraum – der Beklagten keine eigene Wohnung aus ihrem, der Klägerin Bestand zu Verfügung stellte, sondern der Beklagten eine Dienstwohnung zuwies, die sie, die Klägerin, selbst für diesen Zweck angemietet hatte. Soweit dem Vermieter dieser Wohnung im Verhältnis zur Klägerin als Mieterin ebenfalls eine angemessene Frist zur Erstellung der Nebenkostenabrechnung von einem Jahr zuzubilligen wäre, wäre dieser Umstand bei der Bemessung einer angemessenen Frist, innerhalb der die Klägerin gegenüber der Beklagten abzurechnen hätte, zu berücksichtigen. Wenn die Anschlussabrechnung durch die Klägerin gegenüber der Beklagten in einer um anderthalb Monate verlängerten Frist – vom X.Y.2010 bis zum X.Y.2011 – erfolgte, ist dies als durchaus noch angemessen zu würdigen. Denn die Klägerin hatte die Abrechnung nicht einfach weiterzureichen, sondern musste sie selbst noch nach den für das Pfarrerdienstwohnungsrecht maßgeblichen Vorschriften weiter bearbeiten, z. B. den Anteil für den amtsgenutzten Wohnungsteil heraus rechnen. Die Beklagte ist insoweit auch nicht in besonderem Maße schutzwürdig, denn als Gemeindepastorin im Dienste der Klägerin wusste sie um die Gegebenheiten. Ob etwas anderes gelten würde, wenn die Beklagte ein berechtigtes Interesse an einer rascheren Abrechnung gehabt und die Klägerin unter Hinweis auf dieses Interesse gebeten hätte, sich um eine frühere Abrechnung zu bemühen, kann schon deswegen dahinstehen, weil dieser Fall nicht gegeben ist.
Im Übrigen ist das erkennende Gericht auch der Meinung, dass eine starre Übertragung der Jahresfrist dem Treueverhältnis zuwiderliefe, das dem Pastorats- bzw. Dienstwohnungsverhältnis, wie es oben beschrieben ist, innewohnt – anders und in stärkerem Maße als in einem normalen Mietverhältnis. Das erkennende Gericht hielte es für unangemessen, wenn die Rechtsfolge der vollständigen Versagung des Nachzahlungsanspruchs – erst Recht, wenn die Pastorin oder der Pastor wie hier noch überhaupt keine Zahlungen auf die Nebenkosten geleistet hat – nach Ablauf der Jahresfrist ohne weiteres eintreten würde; vielmehr gebietet es das Treueverhältnis, dass jedenfalls im Regelfall der Betroffene die Abrechnung zunächst bei der zuweisenden Körperschaft nachfragt oder jedenfalls eine erhebliche Zeit nach dem Zeitpunkt, zu dem die Abrechnung im Regelfall erstellt sein sollte, abzuwarten ist, bevor der Betroffene unter dem Gesichtspunkt der Verfristung die Erfüllung einer Nebenkostenforderung verweigern darf. Dieser Zeitraum wäre mit weniger als anderthalb Monaten jedenfalls zu knapp bemessen. Ob und in welchem Umfang dem Pastor zur Vermeidung von Härten ggf. Stundung bzw. Ratenzahlung der Nachzahlungen zu gewähren wäre – um die die Beklagte hier nachgesucht hatte – kann für die Entscheidung des Rechtsstreits dahinstehen, weil die Ablehnung eines Stundungsantrags nicht streitgegenständlich ist und ein dem konkreten Sachverhalt angemessener Stundungszeitraum inzwischen jedenfalls abgelaufen wäre.
In Anbetracht dieses Ergebnisses braucht es keiner weiteren Prüfung, ob die Beklagte seinerzeit Kirchenvorstandsvorsitzende war und insofern eine eigene Verantwortung für die von ihr behauptete Verfristung getragen hat und diese Verantwortung gegebenenfalls ihrem Berufen auf die Verfristung unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben entgegensteht.

III.

Der Anspruch der Klägerin besteht unbeschadet der hilfsweise erklärten Aufrechnung der Beklagten. Denn das Bestehen der zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzansprüche kann nicht erkannt werden.
1. Selbst wenn zugunsten der Beklagten unterstellt würde, dass sie aufgrund eines seinerzeit gegenüber der Klägerin formulierten Wunsches ein Recht auf Zuweisung einer Zweizimmer-Wohnung gehabt hätte und die Klägerin dieses Recht durch Zuweisung der Dreizimmer-Wohnung entgegen eines von der Beklagten behaupteten Widerspruchs verletzt hätte, stünde der Beklagten der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht zu, weil die Beklagte gegen die Zuweisung kein Rechtsmittel eingelegt hat, sondern die Dreizimmer-Wohnung ohne weiteres bezogen und genutzt hat.
2. Soweit die Beklagte vorträgt, wenn die Klägerin von der Besoldung der Beklagten einen monatlichen Nebenkostenvorschuss einbehalten oder sie, die Beklagte, jedenfalls über das Unterlassen informiert hätte, dann hätte sie monatlich einen Betrag EUR 100,00 weniger für andere Dinge ausgegeben, begründet dies keinen ersatzfähigen Schaden, sondern ist die Behauptung einer Entreicherung; gemäß § 818 Absatz 3 BGB kann derjenige, der zu einer Herausgabe oder zum Ersatz eines Wertes nach § 812 BGB deswegen verpflichtet ist, weil er etwas ohne Rechtsgrund erlangt hat („ungerechtfertigte Bereicherung“), dem Berechtigten entgegenhalten, wenn er insoweit nicht mehr bereichert ist. Unbeschadet der Frage, ob die Entreicherungseinrede im Dienstverhältnis zwischen der Beklagten und der Klägerin überhaupt Anwendung finden kann, liegen ihre Voraussetzungen schon deswegen nicht vor, weil die Klägerin keinen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung geltend macht, sondern eine Nebenkostenforderung.
3. Die Beklagte kann von der Klägerin keinen Erlass der Forderung verlangen. Einen Erlassantrag hat sie nicht gestellt. Zudem sind die Voraussetzungen für einen Erlass aus sachlichen oder persönlichen Billigkeitsgründen nicht gegeben. Eine sachliche Unbilligkeit, die angenommen werden könnte, wenn die Verpflichtung zur Zahlung der Nebenkosten zwar unter den gesetzlichen Tatbestand fällt, im Einzelfall mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes aber nicht vereinbar ist, liegt nicht vor. Eine persönliche Unbilligkeit liegt gleichfalls nicht vor, denn die Beklagte hat nicht dargetan, dass sie eines Erlasses des Betrags von unter EUR 1.500,00 bedürftig ist, zumal ihr von der Klägerin eine Ratenzahlung angeboten wurde. Mangels persönlicher Unbilligkeit kommt es nicht mehr entscheidend darauf an, ob es der Beklagten unter dem Gesichtspunkt eines Mitverschuldens und ihrer seinerzeitigen Verantwortlichkeit in dem Kirchenvorstand der Klägerin an einer Erlasswürdigkeit fehlt.
Aus den ausgeführten Umständen folgt zudem, dass auch eine möglicherweise nachgelagerte Fürsorgepflicht gegenüber der Beklagten der Klägerin keinen Verzicht auf die Forderung gebietet.

IV.

Der Anspruch der Klägerin auf Prozesszinsen folgt aus § 76 Absatz 2 KGerO i. V. m. § 167 Absatz 1, § 90 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i. V. m. § 288 Absatz 1, § 291 BGB.
Die Kostenentscheidung zu Lasten der unterlegenen Beklagten folgt aus § 76 Absatz 2 KGerO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach § 79 KGerO i. V. m. § 167 Absatz 1 VwGO i. V. m. § 709, § 708 Nr. 11, § 711 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO).
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 65 Absatz 1 Satz 1 i. V. m. Satz 2 KGerO liegen nicht vor.
gez. Dr. Labe
(Präsident)
gez. Dr. Kuhl-Dominik
(Stellvertretender Präsident)
gez. Tiemann
(Rechtskundiger Beisitzer)
gez. Dr. Dübbers
(Ordinierter Beisitzer)
gez. Dr. Pfaff
(Sonstiger Beisitzer)