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Geltungszeitraum von: 02.03.1991

Geltungszeitraum bis: 02.01.2018

Kirchengesetz
über das Archivwesen
(Archivgesetz)1#

Vom 11. Februar 1991

(GVOBl. S. 99, 162)

Die Synode hat das folgende Kirchengesetz beschlossen:
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§ 1
Archivwesen

Das Archivwesen dient der Dokumentation kirchlicher Tätigkeit in der Vergangenheit und hat damit Teil an der Erfüllung des kirchlichen Auftrages. Die Nordelbische Kirche regelt das Archivwesen im Rahmen ihrer Mitverantwortung für das kulturelle Erbe und im Bewusstsein der rechtlichen Bedeutung sowie des wissenschaftlichen, geschichtlichen und künstlerischen Wertes kirchlichen Archivgutes.
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§ 2
Begriffsbestimmungen

( 1 ) Kirchliches Archivgut ist das in den kirchlichen Stellen erwachsene Schriftgut, soweit es auf Dauer aufbewahrungswürdig ist und für die laufende Arbeit nicht mehr benötigt wird. Nicht darunter fallen eigene Aufzeichnungen, die Pastoren und Pastorinnen sowie Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Wahrnehmung ihres Seelsorgeauftrages gemacht haben.
( 2 ) Kirchliche Stellen im Sinne dieses Gesetzes sind die Körperschaften öffentlichen Rechts nach Artikel 3 Absatz 2 der Verfassung sowie ihre Dienste, Werke und Einrichtungen.
( 3 ) Schriftgut sind Informations- und Datenträger, insbesondere Akten, Amtsbücher, Karten, Siegel, Stempel, Pläne, Bilder und Tonträger.
( 4 ) Auf Dauer aufbewahrungswürdig ist Schriftgut, dem aufgrund seines kirchlichen, wissenschaftlichen, geschichtlichen oder künstlerischen Wertes oder aufgrund von Rechtsvorschriften bleibender Wert zukommt.
( 5 ) Privates Schriftgut ist bei Dritten erwachsenes, nicht amtliches Schriftgut (z. B. Nachlässe oder Sammlungsgut). Es kann von kirchlichen Stellen übernommen werden, sofern an der Übernahme ein kirchliches Interesse besteht. Dann ist es wie kirchliches Archivgut zu behandeln.
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§ 3
Erhaltung, Sicherung, Aufbewahrung, Erschließung von Archivgut

( 1 ) Kirchliches Archivgut ist unveräußerlich.
( 2 ) Die kirchlichen Stellen haben sicherzustellen, dass ihr Archivgut erhalten bleibt, dass es gegen Verlust und Beschädigung gesichert ist, dass es sachgerecht aufbewahrt und im Interesse der Kirche und der wissenschaftlichen Forschung erschlossen wird. Diese Aufgaben werden ausschließlich durch kirchliche Archive wahrgenommen.
( 3 ) Vor jeder Maßnahme, die kirchliches Archivgut in seiner Erhaltung, Sicherung, Aufbewahrung oder Erschließung betrifft, ist die Beratung des Nordelbischen Kirchenamtes (Nordelbisches Kirchenarchiv) einzuholen.
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§ 4
Kirchliche Archive

( 1 ) Die Nordelbische Kirche, ihre Kirchengemeinden, Kirchengemeindeverbände, Kirchenkreise und Kirchenkreisverbände richten je für sich oder gemeinsam kirchliche Archive ein und unterhalten diese. Eine Deponierung ihres Archivgutes ist ausschließlich bei einem kirchlichen Archiv nach Satz 1 zulässig. Die Übertragung der Aufgaben nach § 3 Absatz 2 und die Deponierung bedürfen der schriftlichen Vertragsform (Depositalvertrag) und der Genehmigung der nach § 7 zuständigen Stelle. Die jeweiligen Eigentumsrechte am Archivgut bleiben davon unberührt.
( 2 ) Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Kirchengesetzes bereits bestehende Depositalverträge bleiben unberührt.
( 3 ) Das Archivgut der Nordelbischen Kirche wird von dem Nordelbischen Kirchenamt durch das Nordelbische Kirchenarchiv verwaltet; hierzu gehört auch das bei den ehemaligen Landeskirchen Eutin, Hamburg, Lübeck und Schleswig- Holstein bis zum 31. Dezember 1976 erwachsene Archivgut. Im Übrigen nimmt das Nordelbische Kirchenamt (Nordelbisches Kirchenarchiv) für den Bereich der Nordelbischen Kirche die Aufgaben nach § 1 wahr.
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§ 5
Bewertung und Vernichtung von Schriftgut

( 1 ) Das Nordelbische Kirchenamt regelt im Rahmen von § 2 Absatz 4, welches Schriftgut auf Dauer aufbewahrungswürdig ist (Bewertung).
( 2 ) Schriftgut, das nicht auf Dauer aufbewahrungswürdig ist, kann vernichtet werden. Eigene Aufzeichnungen, die Pastoren und Pastorinnen sowie Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Wahrnehmung ihres Seelsorgeauftrages gemacht haben, sind zu vernichten, sobald sie zur Seelsorge nicht mehr benötigt werden. Die Vernichtung hat sachgerecht zu erfolgen.
( 3 ) Die sich aus der Regelung nach Absatz 1 ergebenden Aufgaben sowie die Aufgaben nach Absatz 2 werden von den kirchlichen Archiven im Benehmen mit dem Nordelbischen Kirchenamt (Nordelbisches Kirchenarchiv) für die Nordelbische Kirche vom Nordelbischen Kirchenarchiv wahrgenommen. Wird eine Einigung nicht erzielt, trifft das Nordelbische Kirchenamt die Entscheidung.
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§ 6
Anzeige- und Ablieferungspflicht

( 1 ) Schriftgut, das aus der laufenden Registratur oder Arbeit ausgeschieden werden muss, ist in einer Altregistratur zu verwahren, bis die Bewertung nach § 5 erfolgt.
( 2 ) Schriftgut, das zur Bewertung nach § 5 ansteht, ist dem kirchlichen Archiv anzuzeigen. Archivgut ist an das kirchliche Archiv abzugeben.
( 3 ) Werden kirchliche Stellen geteilt, aufgehoben oder zusammengelegt, so soll ihr Archiv- oder Schriftgut geschlossen erhalten bleiben und entweder an den Rechtsnachfolger oder, wenn ein solcher nicht vorhanden ist, an ein kirchliches Archiv nach § 4 Absatz 1 abgegeben werden.
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§ 7
Rechts- und Fachaufsicht

( 1 ) Im Archivwesen führt die Aufsicht
  1. über die Kirchengemeinden und Kirchengemeindeverbände sowie ihre Dienste, Werke und Einrichtungen der Kirchenkreisvorstand, unbeschadet der allgemeinen Aufsicht des Nordelbischen Kirchenamtes,
  2. über die Kirchenkreise, die Kirchenkreisverbände sowie ihre Dienste, Werke und Einrichtungen und die Dienste, Werke und Einrichtungen der Nordelbischen Kirche das Nordelbische Kirchenamt,
  3. über das Nordelbische Kirchenamt die Kirchenleitung.
( 2 ) Die Aufsicht über die Archive der kirchlichen Dienste, Werke und Einrichtungen mit eigener Rechtspersönlichkeit führen ihre durch Kirchengesetz, Satzung, Vereinbarung oder Stiftungsurkunde bestimmten Aufsichtsorgane.
( 3 ) Die Aufsicht über die Archive im Übrigen liegt bei der Kirchenleitung.
( 4 ) Zur Unterstützung der Aufsicht nach Absatz 1 Buchstabe a ist die Beratung des Nordelbischen Kirchenamtes (Nordelbisches Kirchenarchiv) einzuholen.
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§ 8
Zulässigkeit der Bearbeitung

( 1 ) Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen kirchlicher Archive dürfen zur Wahrnehmung von Aufgaben nach § 3 Absatz 2 und 3, § 4 und § 5 Absatz 2 kirchliches Archivgut und Schriftgut einsehen und bearbeiten.
( 2 ) Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen kirchlicher Stellen dürfen zur Wahrnehmung der Aufsicht nach § 7 kirchliches Archivgut und Schriftgut einsehen und bearbeiten.
( 3 ) Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die bei Wahrnehmung der Aufgaben nach Absatz 1 und 2 Einsicht erhalten in Aufzeichnungen, die Pastoren und Pastorinnen sowie Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Wahrnehmung ihres Seelsorgeauftrages gemacht haben, müssen über deren Inhalt absolute Verschwiegenheit wahren.
( 4 ) Wird kirchliches Archivgut im Auftrag kirchlicher Stellen oder kirchlicher Archive bearbeitet, so ist die Bearbeitung nur im Rahmen der Weisungen des jeweiligen Auftraggebers zulässig. Die Erteilung von Aufträgen bedarf der schriftlichen Vertragsform und ist genehmigungspflichtig. Sofern die kirchlichen Archivbestimmungen auf den Auftragnehmer keine Anwendung finden, ist der Auftraggeber verpflichtet sicherzustellen, dass der Auftragnehmer diese Bestimmungen beachtet und sich der Aufsicht einer kirchlichen Stelle unterwirft.
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§ 9
Rechte Betroffener

( 1 ) Betroffenen ist auf Antrag Auskunft zu erteilen über die sie betreffenden personenbezogenen Angaben im Archivgut, soweit das Archivgut durch Namen der Person erschlossen ist.
( 2 ) Rechtsansprüche Betroffener auf Löschung oder Vernichtung der sie betreffenden personenbezogenen Angaben sowie Ansprüche aus den Datenschutzbestimmungen der Nordelbischen Kirche bleiben unberührt.
( 3 ) Bestreiten Betroffene die Richtigkeit der sie betreffenden personenbezogenen Angaben in dem Archivgut und lässt sich weder die Richtigkeit noch die Unrichtigkeit der sie betreffenden personenbezogenen Angaben feststellen, sind diese zu anonymisieren oder zu sperren; die kirchlichen Archive können jedoch verlangen, dass an die Stelle der Anonymisierung oder Sperrung eine Gegendarstellung der Betroffenen tritt, soweit dadurch deren schutzwürdige Belange angemessen berücksichtigt werden.
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§ 10
Benutzung durch kirchliche und sonstige öffentliche Stellen

Die Benutzung von kirchlichen Archiven durch kirchliche oder sonstige öffentliche Stellen ist grundsätzlich zulässig, soweit
  1. das Archivgut keine personenbezogenen Angaben enthält oder
  2. diese Benutzung im Rahmen der ursprünglichen Zweckbestimmung liegt oder
  3. die Betroffenen der Benutzung zugestimmt haben oder
  4. die Bestimmungen der Nordelbischen Kirche über Datenübermittlungen in entsprechender Anwendung dies zulassen.
§ 11 Absatz 2 und 3 ist zu beachten.
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§ 11
Benutzung durch Sonstige

( 1 ) Das Recht, kirchliches Archivgut zu benutzen, steht allen, die ein berechtigtes Interesse geltend machen, auf Antrag zu, es sei denn, Rechtsvorschriften oder vertragliche Vereinbarungen nach § 2 Absatz 5 stehen dem entgegen. Kirchliches Archivgut, dessen Entstehungszeit weniger als 15 Jahre zurückliegt, soll nicht zur Benutzung vorgelegt werden.
( 2 ) Die beantragte Benutzung ist nicht zulässig, soweit
  1. Grund zu der Annahme besteht, dass die Wahrnehmung des Auftrages der Kirche gefährdet würde, oder
  2. die Sicherheit oder der Erhaltungszustand des Archivgutes gefährdet würde oder
  3. ein nicht vertretbarer Aufwand entstehen würde oder
  4. die Geheimhaltungspflicht nach § 203 Absatz 1 bis 3 des Strafgesetzbuches oder andere Rechtsvorschriften über Geheimhaltung verletzt würden oder
  5. es sich um gesperrte oder unzulässig erhobene Angaben handelt.
( 3 ) Die beantragte Benutzung ist des Weiteren unzulässig, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass schutzwürdige Belange Dritter entgegenstehen, es sei denn,
  1. es handelt sich um Angaben, die veröffentlicht oder allgemein zugänglich sind, oder
  2. das kirchliche Interesse oder das Allgemeininteresse an der Auswertung überwiegt, oder
  3. ein rechtliches Interesse des Benutzers oder der Benutzerin überwiegt, oder
  4. die Betroffenen stimmen der Benutzung zu.
( 4 ) Für die Benutzung können Gebühren erhoben werden.
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§ 12
Ergänzende Bestimmungen

Das Nähere zu § 3 Absatz 2 und 3, § 4 Absatz 1, § 5, § 7 Absatz 4, § 8 Absatz 4 und § 11 regelt die Kirchenleitung durch Rechtsverordnung.
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§ 13
Schlussbestimmungen

( 1 ) Dieses Kirchengesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.2#
( 2 ) Die aufgrund des Archivgesetzes vom 20. Januar 1979 (GVOBl. S. 35) in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Februar 1989 (GVOBl. S. 61) sowie der Rechtsverordnung zur Ermächtigung des Nordelbischen Kirchenamtes zum Erlass von Ausführungsverordnungen zum Archivgesetz vom 27. April 1979 (GVOBl. S. 147), zuletzt geändert durch Kirchengesetz vom 28. Januar 1989 (GVOBl. S. 48), erlassene
sowie die allgemeine Verwaltungsanordnung über die Tätigkeit kirchlicher Archivpfleger vom 9. August 1977 (GVOBl. S. 192) bleiben bis zu einer Neuregelung in Kraft.
( 3 ) Gleichzeitig treten das Archivgesetz vom 20. Januar 1979 (GVOBl. S. 35) in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Februar 1989 (GVOBl. S. 61) sowie die Rechtsverordnung zur Ermächtigung des Nordelbischen Kirchenamtes zum Erlass von Ausführungsverordnungen zum Archivgesetz vom 27. April 1979 (GVOBl. S. 147), zuletzt geändert durch Kirchengesetz vom 28. Januar 1989 (GVOBl. S. 48), außer Kraft.

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1 ↑ Red. Anm.: Das Kirchengesetz trat gemäß § 15 Absatz 2 Nummer 1 des Archivgesetzes vom 29. November 2017 (KABl. 2018 S. 3) mit Ablauf des 2. Januar 2018 außer Kraft. Es galt zuvor gemäß Teil 1 § 40 Absatz 2 Nummer 1 des Einführungsgesetzes vom 7. Januar 2012 (KABl. S. 30, 127, 234) in der jeweils geltenden Fassung bis zum Inkrafttreten eines Archivrechts der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) für das landeskirchliche Archivgut der Nordkirche sowie auf dem Gebiet der ehemaligen Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche weiter.
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2 ↑ Red. Anm.: Das Kirchengesetz trat am 2. März 1991 in Kraft.