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Kirchengericht:Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:11.10.2018
Aktenzeichen:NK-MG 1 13/2018
Rechtsgrundlage:§ 4 Abs. 2 MVG-EKD, § 4 Abs. 2 WahlO-MVG.EKD
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:
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Leitsatz:

Eine formale Stellung, die auf eine Leitungsfunktion schließen lässt, reicht allein noch nicht aus, um annehmen zu können, dass ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin zur Dienststellenleitung gehört; es kommt vielmehr darauf an, dass diese Person tatsächlich selbstständig mitbestimmungspflichtige Angelegenheiten entscheidet.

Tenor:

Der Antrag der Beteiligten zu 1. bis 4. wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 1. bis 4. fechten die Wahl der Beteiligten zu 5. vom 28. Februar 2018 an.
Bei der Wahl zur gemeinsamen Mitarbeitervertretung des Gemeindediakonie L 2 wurden auch Frau M 1 und Frau M 2 in die Mitarbeitervertretung gewählt. Beide sind Leiterinnen von Einrichtungen der Kindertagesstätte L 1. Frau M 2 leitet seit 1988 die Ev.-Luth. Kindertagesstätte K 2, Frau M 1 leitet die Ev.-Luth. Kindertagesstätte K 1. Die Beteiligten zu 1. bis 4. sind der Auffassung, dass beide Mitarbeiterinnen Mitglieder der Dienststellenleitung sind und daher nicht hätten gewählt werden dürfen; aus der Wahl nicht wählbarer Personen folge ein Anfechtungsgrund für die Wahl.
Die Beteiligten zu 1. bis 4. sind der Auffassung, dass beide die Entscheidungskompetenz, insbesondere hinsichtlich der Auswahl der einzustellenden und zu entlassenden Personen für ihre jeweilige Einrichtung hätten, insbesondere die Ausschreibung selbstständig durchführten, Adressat der Bewerbungen seien, die Auswahlgespräche eigenständig durchführten und die Entscheidung träfen. Diese Entscheidung werde dann der Personalabteilung mitgeteilt, die dann den weiteren Einstellungsvorgang administrativ durchführe, nämlich die Mitarbeitervertretung anhöre und die Verträge vorbereite. Hinsichtlich der Durchführung von Mitbestimmungsverfahren gebe es eine Dienstvereinbarung vom X.Y.2014, mit der sich Dienststelle und Mitarbeitervertretung auf ein schriftliches Verfahren geeinigt hätten. Auch andere Einrichtungsleitungen seien befugt, Einstellungs- und Kündigungsentscheidungen zu treffen; ohne Entscheidung der Einrichtungsleitung würde eine Kündigung durch die Personalabteilung nicht veranlasst werden. Richtig sei, dass beide Mitarbeitende - ebenso wie weitere Einrichtungsleitungen - gegenüber der Mitarbeitervertretung nicht als Mitglieder der Dienststellenleitungen bezeichnet worden seien. Diese unterlassene Mitteilung habe jedoch keine rechtlichen Auswirkungen, da sie nicht konstitutiv sei. Entscheidend seien vielmehr die Umstände in der Dienststelle.
Die Beteiligten zu 1. bis 4. beantragen,
die Wahl der Beteiligten zu 5. vom 28. Februar 2018 für unwirksam zu erklären.
Die Beteiligte zu 5. beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Die Beteiligte zu 5. ist der Auffassung, dass weder Frau M 1 noch Frau M 2 selbstständig Einstellungs- oder Entlassungsentscheidungen träfen. Insoweit sei die reine Mitwirkung oder ein bloßes Mitspracherecht nicht ausreichend. Zutreffend sei, dass beide Bewerbungsgespräche führten und Empfehlungen an die Dienststellenleitung weitergäben. Diese entscheide dann jedoch, ob der Empfehlung gefolgt werde und eine Einstellung erfolge. Frau M 1 und Frau M 2 seien ausdrücklich angewiesen, keine mündliche verbindliche Zusage an die Bewerber zu erteilen; eine solche dürfe erst nach Rückmeldung durch den Personalleiter, Herrn P, erfolgen. Ebenso seien beide angehalten, der Dienststelle umgehend Vorkommnisse zu melden und diese zu dokumentieren, damit die Dienststellenleitung ggf. rechtzeitig arbeitsrechtliche Maßnahmen einleiten könne. Die Personalabteilung prüfe dann arbeitsrechtliche Konsequenzen und entscheide über den Ausspruch einer Kündigung. In der Regel folge die Dienststellenleitung insoweit auch der Empfehlung der Kindertagesstättenleitung; allerdings werde in Einzelfällen einer Kündigungsempfehlung nicht gefolgt und folglich die Kündigung nicht ausgesprochen. Die Beteiligte zu 5. verweist auch auf die Stellenbeschreibungen für Frau M 1 und Frau M 2, die jeweils lediglich ein Mitspracherecht hinsichtlich der Auswahl der Mitarbeiterinnen vorsähen.

II.

Der Antrag ist sowohl unzulässig als auch unbegründet.
Gem. § 4 Abs. 2 der Wahlordnung können Rügen hinsichtlich der Listen der Wählbaren bis zum Beginn der Wahlhandlung von Mitarbeitenden wie von der Dienststellenleitung schriftlich und begründet vorgebracht werden; der Wahlvorstand hat hierüber unverzüglich und spätestens bis zum Ende der Wahlhandlung zu entscheiden und seine Entscheidung schriftlich mitzuteilen. Diese Frist ist eine Ausschlussfrist; wenn innerhalb dieser Frist Rügen gegen die Listen der Wählbaren nicht vorgebracht werden, dann ist in diesem Falle die Dienststellenleitung nicht mehr zur Anfechtung der Wahl berechtigt; dies entspricht auch einer Entscheidung der Schlichtungsstelle der Evangelischen Landeskirche in Baden vom 8. April 1992 (ZMV 1993, Seite 27). Vorliegend ist bis zum Beginn der Wahlhandlung von den Beteiligten zu 1. bis 4. ein Einspruch gegen die Liste der Wählbaren gegenüber dem Wahlvorstand nicht vorgebracht worden; daher sind sie insoweit nunmehr nach Durchführung der Wahl mit diesem Anfechtungsgrund ausgeschlossen.
Aber auch dann, wenn die Anfechtung aus dem hier vorgebrachten Grund noch zulässig wäre, wäre sie unbegründet, denn beide Mitarbeitende sind aus Sicht des Kirchengerichtes gerade nicht Teil der Dienststellenleitung i. S. v. § 4 Abs. 2 MVG-EKD. Denn dazu gehören nach der gesetzlichen Vorschrift diejenigen Personen, die allein oder gemeinsam mit anderen ständig und nicht nur in Einzelfällen zur Entscheidung in Angelegenheiten der Mitberatung oder der Mitbestimmung befugt sind.
Die Entscheidungsbefugnis muss ständig gegeben sein und insbesondere muss selbstständig entschieden werden können. Die Mitwirkung, ein bloßes Mitreden oder die Vorbereitung einer Personalmaßnahme begründen noch keine Dienststellenleitungsfunktion. Auch eine formale Stellung, die auf eine Leitungsfunktion schließen lässt, reicht allein noch nicht aus, um annehmen zu können, dass ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin zur Dienststellenleitung gehört; es kommt vielmehr darauf an, dass diese Person tatsächlich selbstständig mitbestimmungspflichtige Angelegenheiten entscheidet.
Dies ist aber bei beiden Mitarbeitenden, Frau M 1 und Frau M 2, aus Sicht des Kirchengerichtes gerade nicht gegeben und ergibt sich schon überdeutlich aus der Stellenbeschreibung. In beiden Fällen ist unter der Ziffer 6 und der Überschrift „Aufgaben und Tätigkeiten“ und der weiteren Rubrik „Mitarbeiterführung“ aufgelistet, dass die jeweilige Kita-Leiterin zusammen mit dem Träger Vorgespräche bei geplanten Einstellungen führt und Mitspracherecht bei der Auswahl der Mitarbeiterinnen hat. An keiner Stelle in beiden Stellenbeschreibungen findet sich jedoch ein Hinweis darauf, dass die jeweilige Kindergartenleiterin allein über die Auswahl neu einzustellender Mitarbeitender entscheidet oder auch allein über Kündigungen entscheidet. Die Stellenbeschreibungen umfassen jeweils mehr als vier Seiten und beschreiben die Aufgaben der Kindertagesstättenleiterinnen sehr detailliert. Eine so wichtige Aufgabe wie die selbstständige Entscheidung über Einstellungen und Entlassungen hätte aus Sicht des Kirchengerichtes zwingend in dieser Stellenbeschreibung aufgelistet werden müssen. An keiner Stelle findet sich jedoch ein Hinweis auf eine selbstständige Einstellungs- oder Entlassungsbefugnis. Die Kita-Leiterin ist zwar den Mitarbeitenden in der Kindertagesstätte überstellt und in Wahrnehmung ihrer Aufgaben weisungs- und delegierungsbefugt. Sie ist aber im Übrigen jeweils dem Träger der Kindertagesstätte unterstellt, der auch die Dienstaufsicht hat.
Unstreitig ist es auch im Nachgang die Personalabteilung, die die Mitarbeitervertretung zur beabsichtigten Einstellung anhört und die Verträge vorbereitet. Auch an dieser Stelle wird zur Überzeugung des Kirchengerichtes deutlich, dass beide Mitarbeitende nicht als Teil der Dienststellenleitung i. S. v. § 4 Abs. 2 MVG-EKD zu betrachten sind. Denn diese Regelung soll gerade ausschließen, dass ein Beschäftigter „auf beiden Seiten des Tisches sitzt“, dass nämlich eine Person in die Mitarbeitervertretung gewählt wird, die in Ausübung ihrer Leitungsfunktion selbstständig die Mitarbeitervertretung zu mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen anhört und unterrichtet. Dies ist aber ganz deutlich für beide Beschäftigte so nicht gegeben; die Anhörung und Unterrichtung der Mitarbeitervertretung erfolgt durch die Personalabteilung, nicht durch die Kita-Leiterinnen. Aus der Dienstvereinbarung über die interne Kommunikation vom X.Y. 2014 lässt sich zur Überzeugung des Kirchengerichtes nichts anderes herleiten; dort ist lediglich geregelt, auf welchen Kommunikationswegen Dienststellenleitung und Mitarbeitervertretung sich austauschen. Eine Regelung dahingehend, wer als Teil der Dienststellenleitung gegenüber der Mitarbeitervertretung auftritt, ist dieser Vereinbarung jedoch an keiner Stelle zu entnehmen. Dass sich aus dieser Dienstvereinbarung ergäbe, dass Kita-Leiterinnen die Mitarbeitervertretung über mitbestimmungs- und mitberatungspflichtige Angelegenheiten unterrichteten, und sie somit als Teil der Dienststellenleitung anzusehen wären, ist dem Kirchengericht nicht nachvollziehbar. Dafür gibt es in dieser Dienstvereinbarung keinerlei Anhaltspunkte. Warum also die Dienststellenleitung - aus Sicht des Kirchengerichtes insoweit vertreten als Träger der Kindertagesstätte - mit der Mitarbeitervertretung nicht sollte vertrauensvoll zusammenarbeiten können, wenn Frau M 1 und M 2 dieser angehören, dafür sieht das Kirchengericht keinen Grund. Beide waren wählbar und sind insoweit zu Recht in die Mitarbeitervertretung gewählt worden; ein Anfechtungsgrund findet sich hier nicht.
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Raasch (Vorsitzende Richterin)
Jensen-Bundels (Richterin)
Bodin (Richter)