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Kirchengericht:Verfassungs- und Verwaltungsgericht der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland
Entscheidungsform:Urteil (rechtskräftig)
Datum:27.03.2017
Aktenzeichen:NK-VG II 2/2013
Rechtsgrundlage:§ 32 VVZG-EKD, § 54 PfG.VELKD, § 101 Abs. 1 PfG.VELKD, Art. 79 Abs. 3 Verfassung NEK
Vorinstanzen:nachfolgend: Verfassungs- und Verwaltungsgericht der VELKD: RVG 2/2017
Schlagworte:
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Leitsatz:

Eine Verletzung der sachlichen Zuständigkeit einer Behörde führt nur dann zu einer Nichtigkeit, wenn die mit der betreffenden Maßnahme geregelte Angelegenheit unter keinem sachlichen Gesichtspunkt Bezug zum Aufgabenbereich der Behörde hat.
Eine Ermessensentscheidung muss hinreichenden Niederschlag in dem ergehenden Bescheid finden, um eine Überprüfung zu ermöglichen. Die Ermessenserwägungen hat das Gericht lediglich zu überprüfen und nicht durch eigene Erwägungen zu ersetzen.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

Tatbestand

Der 19XX geborene Kläger ist Pastor im Ruhestand. Mit der vorliegenden Klage begehrt er die Feststellung seines Status als Pastor in der Zeit vom 1. Februar 1996 bis zum 1. September 2001, hilfsweise die Neufestsetzung seines Ruhegehaltes.
Seit dem 1. Januar 1985 war der Kläger ordinierter Pastor der Landeskirche L 1 und bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand in verschiedenen Kirchengemeinden sowie auf Pfarrstellen für Krankenhausseelsorge und mit besonderem Auftrag tätig. Nach Trennung von seiner Ehefrau war er aufgrund eines Bescheides des Kirchenamtes L 1 vom 23. Januar 1996 ab dem 1. Februar 1996 bis zum 31. August 2001 Pastor im Wartestand mit wechselnden, durch Zeiten des Urlaubes ohne Dienstbezüge unterbrochenen Dienstaufträgen, nämlich zu 100 % vom 15. Februar 1997 bis 30. Juni 1998 und vom 1. Juni bis 15. Dezember 1999, zu 75 % vom 1. Mai 2000 bis 28. Februar 2001. Danach war er Pastor mit einem Stellenumfang/Dienstauftrag zu 75 %.
Mit Urteil in der Rechtssache NELK 02/2001 verpflichtete das Kirchengericht der Landeskirche L 1 die Beklagte, die Zeit des 75%-igen Dienstauftrages im Status des Wartestandes des Klägers vom 1. Mai 2000 bis 28. Februar 2001 entsprechend diesem Umfang als ruhegehaltsfähige Dienstzeit anzuerkennen.
Mit Bescheid vom 17. April 2007 wurde der anwaltlich vertretene Kläger mit Wirkung vom 1. Mai 2007 auf Grundlage eines nervenärztlichen Fachgutachtens vorzeitig in den Ruhestand versetzt. Seinen zunächst gegen die Festsetzung des Ruhegehaltes durch Bescheid vom 19. April 2007 eingelegten Widerspruch nahm der Kläger mit Schreiben vom 14. Juli 2008 zurück. Bei der Festsetzung des Ruhegehalts wurden nur die Zeiten des Wartestandes mit Dienstaufträgen entsprechend deren Umfang als ruhegehaltsfähig berücksichtigt.
Mit Schreiben vom 20. März 2012 beantragte der Kläger eine Abänderung der Festsetzungen des Ruhegehaltes im Hinblick auf Sprachsemester seines Studiums. Mit weiterem Schreiben vom 30. März 2012 beantragte er die Rücknahme seiner Versetzung in den Wartestand und deren sämtlicher nachteiliger Rechtsfolgen. Die Beklagte teilte ihm darauf mit Schreiben des Kirchenamtes L 1 vom 3. Mai 2012, dem keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war, mit, die Versetzung in den Wartestand sei bestandskräftig geworden. Schon aus Gründen des Rechtsfriedens werde von einer Rücknahme abgesehen. Mit weiterem Schreiben vom 23. Juli 2012 wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass auch der Ruhegehaltsfestsetzungsbescheid vom 19. April 2007 bestandskräftig geworden sei. An einer Abänderung sehe sich die Beklagte daher gehindert. Gegen dieses Schreiben sowie gegen die Festsetzung seiner ruhegehaltsfähigen Dienstzeit im Rahmen des Bescheids vom 19. April 2007 legte der Kläger persönlich mit Schreiben vom 8. August 2012 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, es fehlten im Einzelnen vier Monate seiner Dienstzeit, seine Sprachsemester seien nicht entsprechend einer anzuwendenden Altfallregelung berücksichtigt und er habe eigentlich nicht in den Wartestand versetzt werden dürfen, weshalb auch die Zeiten ohne Dienstauftrag während des Wartestandes für die Ruhegehaltsberechnung voll zu berücksichtigen seien. Gegen eine Zwischenmitteilung des Kirchenamtes L 1 vom 22. Oktober 2012 legte er ebenfalls Widerspruch ein.
Mit Bescheid vom 28. November 2012 nahm die Beklagte den Ruhegehaltsfestsetzungsbescheid vom 19. April 2007 insoweit teilweise zurück, als darin die Zeiträume Januar 1985 sowie vom 15. Februar bis 30. April 1997 nicht als ruhegehaltsfähige Dienstzeiten berücksichtigt worden waren, und änderte die Berechnung der ruhegehaltsfähigen Dienstzeiten sowie des Ruhegehaltssatzes entsprechend ab. Auch hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 21. Dezember 2012 Widerspruch ein, den er nachfolgend wie folgt begründete: Es seien weitere Zeiten seiner Studiensprachsemester im Umfang von 1 Jahr und 181 Tagen anzuerkennen. Seine Versetzung in den Wartestand im Jahre 1996 sei wegen Ermessensausfalls rechtswidrig gewesen. Daher seien alle Zeiten des Wartestandes zu 100 % als geleisteter Dienst zu berücksichtigen. Auch wegen der §§ 4 und 10 des bis 2007 geltenden Beschäftigungsförderungsgesetzes hätte er während dieser Zeit eine Pfarrstelle erhalten müssen. Daher müsse er versorgungsrechtlich entsprechend gleichgestellt werden. Deshalb seien den berücksichtigten Dienstzeiten weitere 33,5 Monate hinzuzurechnen. Entsprechend eines Urteils des Oberverwaltungsgerichts O 1 dürfe für die Zeiten des Wartestandes ohne Dienstauftrag auch kein Versorgungsausgleichsbeitrag für seine geschiedene Ehefrau abgezogen werden.
Mit Schreiben vom 5. März 2013, dem Kläger nach eigenen Angaben zugegangen am 9. März 2013, wies die Beklagte den Kläger erneut auf die Rechtskraft des Bescheides vom 19. April 2007 aufgrund der Rücknahme des damaligen Widerspruchs hin und teilte mit, sie sehe keine Veranlassung, jenen Bescheid aus den vom Kläger gerügten Gründen nach § 36 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsverfahrens- und Zustellungsgesetz der EKD zurückzunehmen und den Kläger insoweit neu zu bescheiden.
Hiergegen richtet sich die am 9. April 2013 erhobene Klage. Diese wird wie folgt begründet:
Der Kläger habe den Rechtsweg insoweit eingehalten, als er gegen den Bescheid vom 28. November 2012, gegen welchen sich die Klage richte, fristgerecht Widerspruch eingelegt habe, den die Beklagte mit Schreiben vom 5. März 2013 als solchen jedoch nicht akzeptiert habe. Gegen Bescheide, die die Rechtsstellung des Klägers änderten, dürfe ihm jedoch ein Rechtsmittel nicht abgeschnitten werden. Die Ausgangsbescheide der Beklagten litten unter besonders schwerwiegenden Fehlern und seien offensichtlich nichtig, weil das Beschäftigungsförderungsgesetz nicht angewandt worden sei. Der Kläger hätte danach nicht in den Wartestand versetzt werden dürfen. Auch nach der bis 2012 geltenden Personalbedarfsrichtlinie habe jeder Pfarrer einen Anspruch auf eine volle Pfarrstelle gehabt. Dies habe zusammen mit dem Beschäftigungsförderungsgesetz sichern sollen, dass die Zahl der vollen Pfarrstellen nicht unter die Zahl der Pastoren sinke und ein Anspruch auf Beschäftigung auch gegenüber Neueinstellungen gelte.
Das Pfarrdienstverhältnis sei ein auf Lebenszeit ausgerichtetes Beschäftigungsverhältnis. Der Kläger sei mit Berufungsurkunde zum 1. Oktober 1993 auf die 1. Pfarrstelle der Kirchengemeinde K 1 berufen worden. Mit der Urkunde vom 23. Januar 1996, mit welcher er in den Wartestand versetzt worden sei, sei die vorangegangene Berufungsurkunde nicht aufgehoben worden. Diese Urkunde sei lediglich von der Verwaltung unterzeichnet, während für die Aufhebung der ursprünglichen Berufung der Bischof zuständig gewesen wäre. Daher sei die in K 1 bekleidete Pfarrstelle dem Kläger letztlich erhalten geblieben, zumal die Urkunde über die Versetzung in den Wartestand bescheinige, dass das aktive Dienstverhältnis zur Kirche L 1 nicht beendet werde.
Die Abberufung aus einer Pfarrstelle sei nicht vom Delegationsbeschluss vom 10./11. Februar 1992 erfasst, sondern hätte nach dem später, nämlich 1994, erlassenen § 23 Satz 2 des Kirchengesetzes zur Ergänzung des Pfarrergesetzes der VELKD (PfGErgG) nur durch die Kirchenleitung und nicht lediglich durch das Landeskirchenamt getroffen werden dürfen. Auch § 79 Abs. 3 der Verfassung der Kirche L 1 habe nicht die Übertragung der Versetzung in den Wartestand auf das Kirchenamt erfasst. Es gehe dabei nicht um dienstrechtliche Angelegenheiten, sondern um statusrechtliche Fragen. Das 1994 ergangene Pfarrergesetzergänzungsgesetz habe die Verfassung präzisiert und die Zuständigkeit für eine Wartestandsversetzung aus gutem Grund speziell geregelt. Die Entscheidung des Kirchenamtes sei daher nichtig. Außerdem hätte die von der Kirchenleitung vorgenommene Berufung in das Pfarramt nur von derselben Stelle aufgehoben werden dürfen. Auch gemessen an § 54 Pfarrergesetz der VELKD (PfG.VELKD) sei die Versetzung in den Wartestand unwirksam gewesen. Der Kläger sei nicht angehört worden. Der Kläger sei auch nicht nach § 54 Abs. 6 PfG.VELKD zur Frage einer Trennung auf Dauer befragt worden. Es hätte ein Versöhnungsversuch der Eheleute stattfinden und ein Scheidungsurteil abgewartet werden müssen. Dieses sei aber erst im Mai 1997 ergangen. Das aus § 54 PfG.VELKD folgende Ermessen zur Erteilung eines Dienstauftrages während des Ehescheidungsverfahrens sei nicht ausgeübt worden.
Die Anforderungen der Rechtsprechung des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtes der VELKD, wonach vor einer Versetzung in den Wartestand die Versetzung auf eine andere Pfarrstelle geprüft und aus der Begründung des entsprechenden Bescheides erkennbar werden müsse, warum eine solche Versetzung unterblieben sei und welche Ermessenserwägungen für die Maßnahme maßgeblich gewesen seien, seien in seinem Fall nicht eingehalten worden. Soweit der Wartestand auch mit der finanziellen Situation der Kirche begründet worden sei, seien die zur Beschäftigung der Pastoren vom Land zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel nicht zur Vermeidung eines Wartestandes genutzt worden.
Schließlich sei der Status des Klägers auch hinsichtlich der teilweise unterlassenen Anerkennung von Sprachsemestern als Dienstzeiten verletzt. Der Kläger habe ein besonderes Interesse an der Klärung seines Status, da dieser sich auf die damaligen aktiven Dienstbezüge wie auch auf die Ruhestandsbezüge auswirke. Daraus ergebe sich das Rechtsschutzinteresse des Klägers an der Feststellung. Betroffen seien insgesamt 34,5 Monate der anzuerkennenden Dienstzeiten.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass sein Status in der Zeit vom 1. Februar 1996 bis zum 1. September 2001 „Pastor“ war,
hilfsweise,
die Beklagte zu verpflichten, die Bescheide vom 14. Januar 1996, vom 19. April 2007, vom 28. November 2012 und vom 5. März 2013 aufzuheben und das Ruhegehalt des Klägers unter voller Berücksichtigung der Zeit vom 1. Februar 1996 bis 1. September 2001 neu festzusetzen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die Feststellungsklage bereits für unzulässig, weil der Kläger seine Rechte durch Anfechtung des Bescheides vom 23. Januar 1996, in welchem ihm die Entscheidung des Kirchenamtes L 1 über seine Versetzung in den Wartestand mitgeteilt worden sei, hätte wahren können. Seinerzeit habe der Kläger jedoch keinen Widerspruch eingelegt. Das subsidiäre Feststellungsbegehren könne die Anforderungen an eine daher nicht mehr zulässige Anfechtungsklage nicht umgehen. Die Voraussetzungen einer Feststellungsklage gegen einen bestandskräftigen Verwaltungsakt seien hier nicht erfüllt, weil es für die Nichtigkeit des Bescheides vom 23. Januar 1996 keine Anhaltspunkte gebe.
Die dem Kläger übergebene Urkunde über die Versetzung in den Wartestand sei vom Kirchenamt L 1 als zuständiger Stelle unterzeichnet worden. Die Wirksamkeit einer Versetzung in den Wartestand sei nach dem Pfarrergesetz der VELKD, anders als bei der Begründung des Pfarrdienstverhältnisses, nicht an die Übergabe einer entsprechenden Urkunde geknüpft. Für die Versetzung in den Wartestand reiche eine Bescheidung aus; eine Urkunde sei dafür nicht konstitutiv, zumal durch diese Entscheidung nicht das Pfarrdienstverhältnis auf Lebenszeit berührt werde.
Eine Nichtigkeit ergebe sich auch nicht aus einer Unzuständigkeit für die Entscheidung über die Versetzung in den Wartestand. Die Zuständigkeit der Kirchenleitung aus § 23 Abs. 2 PfGErgG sei in Ziff. 2 des Delegationsbeschlusses vom 10./11. Februar 1992 auf das Kirchenamt übertragen worden. Es habe sich um eine dienstrechtliche Angelegenheit gehandelt. § 23 Abs. 2 PfDErgG wiederhole lediglich die Regelung aus Art. 79 Abs. 2 Ziff. f) der Verfassung der Kirche L 1. Nach Art. 79 Abs. 3 der Verfassung sei aber eine Delegation zulässig gewesen und per Erlass 1992 auch erfolgt.
Selbst bei einer Unzuständigkeit des Kirchenamtes wäre jedoch nicht von einer Nichtigkeit nach dem insoweit maßgeblichen § 32 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrens- und –zustellungsgesetzes der EKD (VVZG-EKD) auszugehen. Das Kirchenamt sei ressortzuständig und in einer Vielzahl von ähnlichen Personalentscheidungen auch zweifellos zuständig gewesen. Jedenfalls fehle es daher an der Offensichtlichkeit einer Nichtigkeit.
Ein vom Kläger gerügter Verstoß gegen das Beschäftigungsförderungsgesetz hätte allenfalls die Frage der Zulässigkeit der Versetzung in den Wartestand berühren können. Eine Feststellung der Rechtswidrigkeit eines bestandskräftigen Verwaltungsaktes könne jedoch nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein. Außerdem seien Pastoren im Wartestand nicht von § 4 Beschäftigungsförderungsgesetz erfasst gewesen. Die §§ 54, 100 PfG.VELKD seien für sie Spezialnormen gewesen. Solchen Pastoren habe auch gestattet werden können, sich um eine Pfarrstelle zu bewerben; die Kirche sei jedoch nicht verpflichtet gewesen, ihnen eine Pfarrstelle anzubieten.
Soweit der Kläger die Nichtanerkennung von Sprachsemestern rüge, sei der zugrundeliegende Ruhestandsfestsetzungsbescheid ebenfalls bestandskräftig geworden. Auf diese Rüge habe sich auch der seinerzeit erhobene Widerspruch, der nachfolgend zurückgenommen worden sei, nicht bezogen.
Auf eine Rücknahme der im Hilfsantrag des Klägers genannten Bescheide habe der Kläger keinen Anspruch. Die Aufrechterhaltung der Bescheide sei nicht „schlechthin unerträglich“. Nur dann bestünde jedoch ein Anspruch auf Rücknahme. In Ausübung des der Beklagten zustehenden Rücknahmeermessens werde der Rücknahmeantrag des Klägers abgelehnt und der Bestandskraft der ergangenen Bescheide der Vorrang eingeräumt. Dafür sprächen der Rechtsfrieden, der Grundsatz der Verfahrensökonomie und die Tatsache, dass der Kläger die Möglichkeit ordentlicher Rechtsbehelfe gehabt habe. Der Rücknahmeantrag des Klägers sei im Übrigen durch Schreiben vom 3. Mai 2012 abgelehnt worden, gegen welches der Kläger keinen Widerspruch eingelegt habe, so dass auch über sein hilfsweises Begehren bestandskräftig entschieden worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die von der Beklagten eingereichten Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Entscheidungsgründe

Das Gericht konnte gemäß § 9 des Kirchengesetzes über ein kirchliches Verfassungs- und Verwaltungsgericht der Nordkirche (Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsgesetz – VerfVwGG vom 9. Oktober 2015, KABl. S. 390) in Verbindung mit § 33 Abs. 2 des Kirchengesetzes über die Verwaltungsgerichtsbarkeit der Evangelischen Kirche in Deutschland (Verwaltungsgerichtsgesetz der EKD – VwGG.EKD vom 10. November 2010, ABl. EKD 2010 S. 330, berichtigt am 4. Juli 2011, ABl. EKD 2011 S. 149) ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung des Kirchengerichts vom 12. Oktober 2015 mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt haben.
I.
1. Soweit der Kläger mit seinem Hauptantrag die Feststellung begehrt, dass sein Status in der Zeit vom 1. Februar 1996 bis zum 1. September 2001 „Pastor“ war, ist die Klage bereits unzulässig.
Nach § 17 Abs. 3 des seit dem 1. Januar 2016 über die oben genannte Verweisung in § 9 VerfVwGG anzuwendenden Verwaltungsgerichtsgesetzes der EKD kann eine Klage mit dem Ziel der Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses nur erheben, wer ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat – diese Voraussetzung könnte im Falle des Klägers gegeben sein – und dieses Interesse nicht durch Anfechtungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Die Feststellungsklage ist somit auch nach dieser verfahrensrechtlichen Norm, wie zuvor gemäß dem bis zum 31. Dezember 2015 anzuwendenden § 58 Abs. 2 KiGO, subsidiär gegenüber einer auch nur in der Vergangenheit möglichen Anfechtungs- oder Leistungsklage. Der Kläger möchte mit der begehrten Feststellung die Folgen seiner zum 1. Februar 1996 erfolgten Versetzung in den Wartestand beseitigen. Damit verfolgt er ein Begehren, das er durch fristgerechte Anfechtung des Bescheides der Beklagten vom 23. Januar 1996, mit welchem er in den Wartestand versetzt wurde, nach vorheriger Durchführung eines Widerspruchsverfahrens hätte verfolgen können und müssen. Er hat seinerzeit jedoch keinen Rechtsbehelf gegen den Wartestandsbescheid ergriffen, sondern erstmals im Jahr 2012 gegenüber der Beklagten geltend gemacht, seine Versetzung in den Wartestand sei rechtlich fehlerhaft gewesen. Damit ist sein Feststellungsbegehren bereits unzulässig. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, es sei ihm in seiner damaligen belasteten persönlichen Situation kaum möglich gewesen, einen Rechtsbehelf zu ergreifen, konnte ihn dies nicht davon entbinden, erforderlichenfalls Rechtsrat einzuholen und die Wahrung seiner Rechte innerhalb der laufenden Widerspruchsfrist entweder selbst zu betreiben oder einen Verfahrensbevollmächtigten damit zu beauftragen. Um Rechtssicherheit zu gewährleisten und ergangene Verfügungen der kirchlichen Verwaltung in absehbarer Zeit in Bestandskraft zu versetzen, mutet die Rechtsordnung den Rechtssuchenden allgemein die Wahrung von Rechtsbehelfsfristen zu. Wiedereinsetzungsgründe hat der Kläger nicht geltend gemacht, sie sind auch nicht ersichtlich.
Der als Hauptantrag gestellte Feststellungsantrag ist auch nicht im Hinblick auf die Regelung des § 17 Abs. 3 Satz 2 VwGG.EKD (bislang: § 58 Abs. 2 Satz 2 KiGO) zulässig, wonach der Vorrang der Anfechtungs- und Leistungsklage nicht gilt, wenn die Feststellung der Nichtigkeit einer kirchlichen Entscheidung begehrt wird. Einen Nichtigkeitsfeststellungsantrag hat der Kläger nicht gestellt. Die zur Zeit der Antragsformulierung geltende Kirchengerichtsordnung differenziert, ebenso wie das jetzt anzuwendende Verwaltungsgerichtsgesetz sowie im Bereich des staatlichen Rechts § 43 Abs. 2 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), klar zwischen verschiedenen Arten von Feststellungsanträgen und regelt Nichtigkeitsfeststellungsanträge gerade deshalb besonders, weil sie sich nicht auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses richten (vgl. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 22. Auflage 2016, § 43 Rn. 20). Deshalb, gerade auch wegen der gravierenden Unterschiede hinsichtlich einer Subsidiarität gegenüber anderen Klagearten, muss die Formulierung des Antrages klar zu erkennen geben, dass es sich um einen derartigen Nichtigkeitsfeststellungsantrag handelt. Das ist hier nicht der Fall.
2. Selbst wenn man den Feststellungsantrag des Klägers als zulässig ansehen würde, weil er sich in der Sache auch auf eine Nichtigkeit des Bescheides der Beklagten vom 23. Januar 1996 berufen hat, hätte seine Klage keinen Erfolg, da sie jedenfalls unbegründet wäre. Gründe, aufgrund derer die Nichtigkeit dieses Bescheides festzustellen wäre, sind nicht gegeben.
Maßgeblicher Zeitpunkt für eine Nichtigkeitsfeststellung wäre der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts. Der somit hier anzuwendende § 32 des Verwaltungsverfahrens- und -zustellungsgesetzes der EKD (VVZG-EKD) vom 28. Oktober 2009 (ABl. EKD S. 334, 2010 S. 296) (N. GVOBl. 2010 S. 315) lautet:
§ 32
Nichtigkeit des Verwaltungsaktes
( 1 ) Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet oder gegen Schrift und Bekenntnis
verstößt und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist.
( 2 ) Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 ist ein Verwaltungsakt nichtig,
1. der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Kirchenbehörde aber nicht erkennen lässt,
2. der nach einer Rechtsvorschrift nur durch die Aushändigung einer Urkunde erlassen werden kann, aber dieser Form nicht genügt,
3. den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann,
4. der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht,
5. der gegen die guten Sitten verstößt.
( 3 ) Ein Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb nichtig, weil
1. Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht eingehalten worden sind,
2. eine nach § 9 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 bis 6 ausgeschlossene Person mitgewirkt hat,
3. eine durch Rechtsvorschrift zur Mitwirkung berufene Kirchenbehörde den für den Erlass des Verwaltungsaktes vorgeschriebenen Beschluss nicht gefasst hat oder nicht beschlussfähig war,
4. die nach einer Rechtsvorschrift erforderliche Mitwirkung einer anderen Kirchenbehörde unterblieben ist.
( 4 ) Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Verwaltungsaktes, so ist er im Ganzen nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Kirchenbehörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte.
( 5 ) Die Kirchenbehörde kann die Nichtigkeit jederzeit von Amts wegen feststellen; auf Antrag ist sie festzustellen, wenn der Antragsteller oder die Antragstellerin hieran ein berechtigtes Interesse hat.
Da Nichtigkeitsgründe nach § 32 Abs. 2 VVZG-EKD nicht ersichtlich sind – insbesondere ist dem Kläger eine nach § 100 Abs. 1 des zur Zeit der Versetzung des Klägers in den Wartestand anzuwendenden Kirchengesetzes der VELKD zur Regelung des Dienstes der Pfarrer und Pfarrerinnen in der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (Pfarrergesetz – PfG.VELKD) vom 17. Oktober 1995 (ABl. Bd. VI S. 274) erforderliche Urkunde ausgehändigt worden -, käme eine Nichtigkeit nur bei Vorliegen eines bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offensichtlichen, besonders schwerwiegenden Fehlers i. S. v. § 32 Abs. 1 VVZG-EKD in Betracht. Dafür ist jedoch nichts ersichtlich.
Der Kläger macht zum einen geltend, die Versetzung in den Wartestand sei von einer unzuständigen Behörde, dem Kirchenamt L 1, erlassen worden. Zuständig sei jedoch nach § 23 Abs. 2 des Kirchengesetzes der Evangelisch-Lutherischen Kirche L 1 zur Ergänzung des Pfarrergesetzes der VELKD (PfGErgG) vom 5. Februar 1994 (GVBl. 1994 S. 31) die Kirchenleitung gewesen.
Die Argumentation des Klägers, dass damals die Kirchenleitung für eine Versetzung in den Wartestand zuständig gewesen wäre, ist nicht gänzlich von der Hand zu weisen. Art. 79 Abs. 1 Ziff. f) der Verfassung der Kirche L 1 vom 12. Juni 1976 (KGVOBl. S. 159) in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Februar 1994 (GVOBl. S. 81) lautete auszugsweise:
Artikel 79
( 1 ) Die Kirchenleitung hat insbesondere folgende Aufgaben:
a. bei der Wahl der Bischöfinnen und Bischöfe sowie der Pröpstinnen und Pröpste mitzuwirken,
b. die Präsidentin bzw. den Präsidenten und die Mitglieder des Kirchenamtes L 1 zu berufen,
c. der Synode Vorlagen zu machen und zu Gesetzesvorlagen aus der Mitte der Synode Stellung zu nehmen,
d. [weggefallen]
e. Grundsätze kirchlicher Planung zu entwickeln und die regionale Planung zu koordinieren,
f. in dienstrechtlichen Angelegenheiten der Pastorinnen und Pastoren sowie der Kirchenbeamtinnen und -beamten nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu entscheiden,
g. Gnadenentscheidungen zu treffen,
h. bei der Wahl oder Berufung der Pastorinnen und Pastoren, der Kirchenbeamtinnen und -beamten sowie der leitenden Angestellten für einen gesamtkirchlichen Dienst zu entscheiden oder mitzuwirken und deren Stellung und Aufgaben zu regeln, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist,
i. die Freigabe von Mitteln im Rahmen des Haushalts beim Hauptausschuss zu beantragen,
j. [weggefallen]
k. den Kollektenplan aufzustellen und gesamtkirchliche Sammlungen auszuschreiben.
(...)
( 3 ) Die Kirchenleitung kann die Aufgaben nach Absatz 1 Buchstabe f dem Kirchenamt L 1 im Einzelfall oder im Ganzen zur Erledigung übertragen.
Bei der Versetzung in den Wartestand handelte es sich um eine dienstrechtliche Angelegenheit im Sinne des Art. 79 Abs. 1 Ziff. f der Verfassung, da mit ihr das Pfarrerdienstverhältnis nicht beendet wurde. Vielmehr verlor der Pfarrer mit Beginn des Wartestandes bei fortbestehendem aktivem Dienstverhältnis (wie es auch der gegenüber dem Kläger ergangene Bescheid vom 23. Januar 1996 ausweist) die ihm übertragene Pfarrstelle oder allgemeinkirchliche Aufgabe (vgl. § 101 Abs. 1 PfG.VELKD). Damit bezog sich die in Art. 79 Abs. 3 der Verfassung allgemein geregelte Delegationsbefugnis der Kirchenleitung bezüglich dienstrechtlicher Angelegenheiten u. a. der Pastorinnen und Pastoren auch auf eine Versetzung in den Wartestand. Eine Delegation war mit § 1 Abs. 2 der Rechtsverordnung der Kirchenleitung über das Kirchenamt L 1 vom 10. Mai 1983 (GVOBl. S. 144) sowie erneut mit Beschluss der Kirchenleitung vom 10./11. Februar 1992 als Anlage zu § 16 der Geschäftsordnung des Kirchenamtes L 1 vom 17. Mai 1983 (GVOBl. S. 145) auch erfolgt, wobei die Versetzung in den Wartestand dort nicht ausdrücklich hervorgehoben, sondern als Teil der „übrigen dienstrechtlichen Angelegenheiten“ von der Delegation auf das Kirchenamt erfasst wurde. Wenn nun im Jahre 1994, also nach Erlass dieser beiden untergesetzlichen Normen, § 23 Abs. 2 des Pfarrergesetzergänzungsgesetzes u. a. die Entscheidung über die Versetzung in den Wartestand der Kirchenleitung zuwies, spricht Einiges dafür, dies als in der Rechtsquellenhierarchie über der zuvor erfolgten Delegation stehende Neuzuordnung der Zuständigkeit zu verstehen mit der Folge einer Unzuständigkeit des Kirchenamtes nach diesem Zeitpunkt, mithin auch zum Zeitpunkt der Maßnahme gegenüber dem Kläger im Januar 1996. Diese Auslegung ist allerdings nicht die einzig denkbare. Das Pfarrergesetzergänzungsgesetz enthielt keine eigene Regelung über Delegationsmöglichkeiten der Kirchenleitung an das Kirchenamt und ordnete nicht nur die Entscheidung über den Wartestand, sondern auch viele andere, nach ihrer Tragweite durchaus delegationsfähige Entscheidungen der Kirchenleitung zu. Gleichzeitig bestand die höchstrangige Delegationsbefugnis in Art. 79 Abs. 3 der Verfassung fort, so dass die Regelung in § 23 Abs. 2 PfGErgG auch als Nachzeichnung der grundsätzlich gegebenen Zuständigkeit nach Art. 79 Abs. 1 Ziff. f der Verfassung verstanden werden konnte, welche die Delegationsbefugnis aus der Verfassung schon wegen deren höherem Rang unberührt ließ. Bei dieser Auslegung konnten auch die vor Erlass des § 23 Abs. 2 PfGErgG in Geltung gesetzten untergesetzlichen Delegationsnormen, die sich letztlich aus der Verfassung ableiteten, fortbestehen.
Es kann im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits letztlich dahinstehen, welcher Auslegung der Vorzug zu geben wäre. Denn selbst bei einer mangelnden Zuständigkeit des hier tätig gewordenen Kirchenamtes würde es sich in Anbetracht der dargestellten Auslegungsvarianten, von denen keine von vornherein ausscheidet, nicht um einen offensichtlichen Mangel im Sinne von § 32 Abs. 1 VVZG-EKD handeln. Offensichtlich ist ein Mangel nur dann, wenn er dem betreffenden Verwaltungsakt „auf die Stirn geschrieben“ ist, d. h. sich jedem verständigen Betrachter ohne Weiteres aufdrängen muss (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl. 2016, § 44 Rn. 12). Daran fehlt es hier. Darüber hinaus wäre die Unzuständigkeit des Kirchenamtes auch kein besonders schwerer Fehler im Sinne dieser Norm. Denn selbst eine offensichtliche Verletzung der sachlichen Zuständigkeit einer Behörde führt nur dann zu einer Nichtigkeit, wenn die mit der betreffenden Maßnahme geregelte Angelegenheit unter keinem sachlichen Gesichtspunkt Bezug zum Aufgabenbereich der Behörde hat, etwa bei einer fehlenden Ressortzuständigkeit (für das staatliche Recht, welches in § 44 VwVfG eine § 32 VVZG-EKD entsprechende Regelung enthält, vgl. Kopp/Ramsauer, a. a. O. § 44 Rn. 15). Das Kirchenamt war mit dienstrechtlichen Angelegenheiten befasst und keineswegs offensichtlich sachlich unzuständig. Vielmehr hätte es nach Art. 102 Abs. 2 der damaligen Verfassung selbst im Falle einer Entscheidung durch die Kirchenleitung diese in der Sache vorbereitet und ausgeführt, wäre also gleichfalls mit der Angelegenheit befasst gewesen, wenn auch nicht in eigenverantwortlich entscheidender Funktion.
Eine Nichtigkeit des Bescheides vom 23. Januar 1996 wäre (selbst wenn die Zulässigkeit des auf Feststellung gerichteten Hauptantrages unterstellt würde) darüber hinaus auch nicht wegen eines materiellrechtlichen Fehlers gegeben. Soweit der Kläger geltend macht, die Versetzung in den Wartestand habe Verpflichtungen der damaligen Kirche L 1 aus dem Beschäftigungsförderungsgesetz verletzt und sei auch deshalb nichtig, kann dem nicht gefolgt werden. Maßgeblich ist die Neufassung des Beschäftigungsförderungsgesetzes (BFG) vom 17. Februar 1992 (GVOBl. S. 91). Dieses sah in § 1 Maßnahmen zur Übernahme von Kandidatinnen und Kandidaten des Predigtamtes in den Vorbereitungsdienst, in §§ 2 und 3 Maßnahmen zur deren Übernahme in ein Dienstverhältnis auf Probe und in § 4 eine vorrangige Berücksichtigung von Pastorinnen und Pastoren, deren Beurlaubung, Freistellung oder befristete Berufung endete oder die aus anderen Gründen keine Pfarrstelle verwalteten, aber eine solche übertragen erhalten sollten, vor. Zu diesem Personenkreis gehörten Pastorinnen und Pastoren, die aufgrund der Regelungen des Pfarrergesetzes der VELKD in den Wartestand versetzt worden waren, jedoch nicht. Die damaligen Regelungen über ihren Wartestand sahen nicht vor, dass sie eine Pfarrstelle übertragen erhalten sollten. Nach § 101 Abs. 1 PfG.VELKD verloren Pastorinnen und Pastoren mit Beginn des Wartestandes die ihnen übertragene Pfarrstelle. Gemäß § 102 Abs. 1 PfG.VELKD konnte ihnen gestattet werden, sich um eine Pfarrstelle zu bewerben. Der Wartestand endete nach § 103 Nr. 1 PfG.VELKD u. a. durch erneute Übertragung einer Pfarrstelle. Eine gesetzliche Regelung, die anordnete, dass einem Pastor im Wartestand eine Pfarrstelle übertragen werden sollte, gab es gerade nicht.
Eine Nichtigkeit des Wartestandsbescheides wird auch nicht durch eine fehlerhafte Ausstellung der Urkunde über den Wartestand an den Kläger begründet. Weder das Pfarrergesetz der VELKD noch das Pfarrergesetzergänzungsgesetz der Kirche L 1 sahen eine Ausfertigung der Urkunde über den Wartestand, die nach § 100 Abs. 1 Satz 1 PfG.VELKD zu erteilen war, durch dieselbe Stelle wie bei der Berufung auf eine Pfarrstelle vor. Nach § 101 Abs. 1 Satz 2 PfG.VELKD war der Verlust der übertragenen Pfarrstelle gesetzliche Folge des Beginns des Wartestandes, während die Wirksamkeit der Berufung auf eine Pfarrstelle nach § 25 Abs. 1 PfG.VELKD von der Aushändigung der Berufungsurkunde abhängig war, die u. a. die übertragene Pfarrstelle angeben musste. Beide Urkunden waren in dem hier maßgeblichen Pfarrergesetz der VELKD unterschiedlich geregelt und unterlagen nicht notwendigerweise korrespondierenden Anforderungen an die sachliche Zuständigkeit.
Der Bescheid zur Versetzung des Klägers in den Wartestand ist auch nicht wegen inhaltlicher Mängel nichtig. Nichtig sind Verwaltungsakte, die unter offensichtlichem und schwerem Verstoß gegen wesentliche Grundsätze des formellen oder materiellen Rechts erlassen wurden, insbesondere bei reiner Willkür oder absoluter Gesetzlosigkeit. Der Mangel eines Verwaltungsaktes muss ihn schlechthin unerträglich, also mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten Wertvorstellungen unvereinbar erscheinen lassen, so dass von niemandem erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen (vgl. Kopp/Ramsauer, a. a. O. § 44 Rn. 24, 29; BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2016 – 4 BN 36.15 – juris Rn. 10 m. w. N.).
Anhand dieses Maßstabes begründen die Einwände des Klägers dagegen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 54 PfG.VELKD in der zum Zeitpunkt des Bescheides am 23. Januar 1996 geltenden Fassung nicht vorgelegen hätten, keine Nichtigkeit dieser Verfügung. Ob sie rechtswidrig war, bleibt im Rahmen des Hilfsantrages des Klägers zu prüfen. Soweit der Kläger geltend macht, die Beklagte habe das ihr aus § 54 Abs. 6 i. V. m. Abs. 3 PfG.VELKD eröffnete Ermessen nicht ausgeübt, so lässt der Bescheid vom 23. Januar 1996 in der Tat keinerlei Ermessenserwägungen erkennen. Ein Ermessensausfall führt jedoch noch nicht zur Nichtigkeit eines Verwaltungsakts, sondern allenfalls zu seiner Rechtswidrigkeit.
Eine Nichtigkeit des Wartestandsbescheides ergibt sich schließlich auch nicht aufgrund allgemeiner Erwägungen zu einer Unvereinbarkeit dieses Rechtsinstituts im Hinblick auf höherrangiges Recht. Dass der nach wie vor im Pfarrerdienstrecht bestehende Wartestand (vgl. §§ 83 ff. des Pfarrerdienstgesetzes der EKD, ABl. EKD 2010 S. 307, 2011 S. 149, 289, KABL. der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland 2014 S. 228) mit höherrangigem Recht grundsätzlich vereinbar ist, erkennt die kirchengerichtliche wie auch die höchstrichterliche staatliche Rechtsprechung an.
II.
Der Hilfsantrag ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Mit dem Hilfsantrag verfolgt der Kläger im Klageverfahren ausschließlich das Begehren, sein Ruhegehalt unter Aufhebung der Versetzung in den Wartestand und der weiteren, seinem Begehren entgegenstehenden Bescheide sowie unter voller Berücksichtigung der vom Wartestand umfassten Zeiten neu festzusetzen. Die in der Klagebegründung zunächst noch mit angesprochene Frage der Anerkennung weiterer Sprachsemester des Klägers ist von dessen Hilfsantrag nicht mit umfasst und bedarf daher keiner Erörterung.
1. Der Hilfsantrag ist nicht insoweit unzulässig, als der Antrag des Klägers vom 30. März 2012 auf Rücknahme des Bescheides zur Versetzung in den Wartestand vom 23. Januar 1996 bereits mit Bescheid der Beklagten vom 3. Mai 2012 abgelehnt worden ist und der Kläger hiergegen keinen Widerspruch eingelegt hat. Denn der Kläger hat zwar insoweit kein Vorverfahren durchgeführt, jedoch innerhalb der mangels einer Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides laufenden Jahresfrist nach dem damaligen § 60 Abs. 2 Kirchengerichtsordnung Klage eingereicht. Dieser Bescheid ist also vor Klageerhebung nicht bestandskräftig geworden. Auf das insoweit fehlende Vorverfahren hat sich die Beklagte, die den Bescheid nicht mit den Verwaltungsakten eingereicht hatte und ihn erst mit Schriftsatz vom 20. Januar 2016 erwähnt und nachgereicht hat, zunächst nicht berufen, sondern sich in der Sache auf die Klage eingelassen. Sie hat zugleich zu erkennen gegeben, dass ein Widerspruch des Klägers keinen Erfolg gehabt hätte, so dass ein Vorverfahren entbehrlich ist (vgl. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 68 Rn. 30).
Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf Aufhebung des Wartestandsbescheides vom 23. Januar 1996. Ein Anspruch auf Rücknahme des Bescheides, welche auch für unanfechtbar gewordene Verwaltungsakte in Betracht kommt, setzt nach § 36 Abs. 1 VVZG-EKD tatbestandlich dessen Rechtswidrigkeit voraus. Ist der Bescheid rechtswidrig, so eröffnet § 36 Abs. 1 VVZG-EKD dem Beklagten auf der Rechtsfolgenseite ein Rücknahmeermessen.
Der Bescheid vom 23. Januar 1996 war jedenfalls wegen Ermessensausfalls rechtswidrig. Nach § 54 Abs. 6 i. V. m. Abs. 3 des zur Zeit des Bescheides vom 23. Januar 1996 geltenden PfG.VELKD konnte der Pastor in den Wartestand versetzt werden, wenn die zuständige Stelle feststellte, dass die Ehegatten getrennt lebten und aus den Umständen zu schließen war, dass ein Ehegatte nicht beabsichtigte, zu seinem Ehegatten zurückzukehren. Zwar spricht auch der Vortrag des Klägers im vorliegenden kirchengerichtlichen Verfahren nicht dagegen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Regelung zum damaligen Zeitpunkt gegeben waren. Dafür ist nicht erheblich, ob der Bischof damals seiner Verpflichtung aus § 54 Abs. 1 Satz 2 PfG.VELKD nachgekommen ist, einen Versöhnungsversuch der Ehegatten zu initiieren bzw. zu unterstützen. Die Befugnis zur Versetzung in den Wartestand steht neben dieser Verpflichtung und wird in § 54 Abs. 6 i. V. m. Abs. 3 nicht unter die Voraussetzung eines solchen Versöhnungsbemühens des Bischofs gestellt. Anhaltspunkte dafür, dass die Feststellung eines Getrenntlebens und der fehlenden Rückkehrabsicht eines Ehegatten zu seinem Ehepartner zum maßgeblichen Zeitpunkt im Januar 1996 fehlerhaft war, sind nicht ersichtlich. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass sich der Kläger damals in keiner Weise gegen seine Versetzung in den Wartestand gewandt hat und auch nicht geltend gemacht hat, es sei nicht von einer verfestigten Trennung auszugehen. Die zuständige Stelle – nach den obigen Ausführungen entweder das Kirchenamt oder die Kirchenleitung – hätte aber ihr Ermessen darüber ausüben müssen, ob eine Versetzung in den Wartestand auch im Falle des Klägers geboten und angemessen war, um die mit § 54 Abs. 6 und 3 PfG.VELKD nach damaliger Anschauung geschützten Belange des gemeindlichen Friedens und der Orientierungsfunktion des Pastors für die Gemeindemitglieder zu wahren. Diese Ermessensentscheidung hätte hinreichenden Niederschlag in dem gegenüber dem Kläger ergehenden Bescheid finden müssen, um eine Überprüfung im Widerspruchsverfahren und ggf. einem gerichtlichen Verfahren zu ermöglichen. Daran fehlt es hier.
Ob im Hinblick auf die Zuständigkeit für die Entscheidung oder wegen der nach dem Vortrag des Klägers vollständig unterbliebenen Anhörung vor Erlass des Bescheides ein weiterer, nicht zwischenzeitlich im Verfahren geheilter (vgl. § 33 Abs. 2 VVZG-EKD) Rechtswidrigkeitsgrund gegeben ist, kann dahinstehen. Denn selbst wenn damals die Kirchenleitung und nicht das Kirchenamt L 1 für die Entscheidung über eine Versetzung des Klägers in den Wartestand zuständig gewesen wäre und der Fehler einer unterbliebenen Anhörung durch die zwischenzeitlichen Einlassungen im kirchengerichtlichen Verfahren nicht geheilt werden konnte (vgl. Kopp/Ramsauer, a. a. O. § 45 Rn. 26 f.), hat die Beklagte ihr Rücknahmeermessen fehlerfrei dahin ausgeübt, dass sie von einer Aufhebung des bereits 1996 in Bestandskraft erwachsenen Bescheides vom 23. Januar 1996 absieht. Dass sie das ihr eröffnete Rücknahmeermessen gesehen und betätigt hat, ergibt sich hinreichend aus dem nun im kirchengerichtlichen Verfahren nachgereichten Bescheid vom 3. Mai 2012, in dem die Beklagte auf die Erwägung des Rechtsfriedens hinweist. Die Beklagte hat ihr Ermessen zudem im gerichtlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 18. Januar 2016 in zulässiger Weise (§ 41 Satz 2 VwGG.EKD) durch die Erwägungen ergänzt, der Kläger hätte die Möglichkeiten ordentlicher Rechtsbehelfe nutzen können; gegen eine Rücknahme sprächen die Gründe der Rechtssicherheit, des Rechtsfriedens und der Verfahrensökonomie. Diese Ermessenserwägungen, die das Gericht lediglich zu überprüfen und nicht durch eigene Erwägungen zu ersetzen hat, sind nicht fehlerhaft. Das Ermessen der Beklagten war nicht zugunsten einer Rücknahme des Bescheides reduziert. Das wäre nur dann der Fall, wenn die Versetzung in den Wartestand unter einem schweren materiellrechtlichen Fehler litte, der ihre Aufrechterhaltung unerträglich erscheinen ließe und dessen Korrektur folglich aus Gründen der materiellen Gerechtigkeit ungeachtet des großen zeitlichen Abstandes zu den damaligen Abläufen geboten wäre. So verhält es sich hier jedoch nicht. Die Rechtsgrundlage des § 54 Abs. 6 i. V. m. Abs. 3 PfG.VELKD ließ eine Versetzung in den Wartestand in der damaligen Situation des Klägers zu. Der Kläger hat die damalige Entscheidung zunächst rechtlich akzeptiert und sie erst 16 Jahre später mit Argumenten in Frage gestellt, die aus heutiger Sicht nach dem damals geltenden rechtlichen Maßstab keine Rechtswidrigkeit in der Sache erkennen lassen.
Eine andere Entscheidung ist auch nicht wegen eines Anspruchs des Klägers auf Wiederaufnahme des Verwaltungsverfahrens zur Versetzung in den Wartestand nach § 40 VVZG-EKD geboten. Dafür müsste sich die Sach- oder Rechtslage geändert haben, was hier nicht der Fall ist, da für die rechtliche Bewertung die zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides geltende Fassung des § 54 PfG.VELKD maßgeblich bleibt.
2. Nachdem die Versetzung des Klägers in den Wartestand rechtlichen Bestand hat, bleibt der Hilfsantrag auch hinsichtlich der ergangenen Bescheide zur Festsetzung des Ruhegehalts des Klägers ohne Erfolg. Auch die Ablehnung einer Rücknahme des im Jahre 2008 bereits bestandskräftig gewordenen Bescheides vom 19. April 2007 und der weitergehenden Berücksichtigung der während des Wartestandes zurückgelegten Zeiten durch den Bescheid des Beklagten vom 28. November 2012 und den – als Widerspruchsbescheid anzusehenden – Bescheid vom 5. März 2013 ist rechtmäßig, insbesondere ermessensfehlerfrei erfolgt. Die Beklagte hat bei der Festsetzung des Ruhegehaltes die Dienstzeiten des Klägers im Wartestand entsprechend dem Umfang seiner Dienstaufträge berücksichtigt. Dagegen ist nichts zu erinnern.
Die Klage war daher in vollem Umfang abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 9 VerfVwGG i. V. m. § 60 Abs. 1 VwGG.EKD.

gez. Dr. Labe
(Präsident und Vorsitzender Richter)
gez. Dr. Kuhl-Dominik
(Rechtskundiger Beisitzer)
gez. Dr. Rublack
(Rechtskundige Beisitzerin)
gez. Dr. Höser
(Ordinierte Beisitzerin)
gez. Weiherich
(Nichttheologischer Beisitzer)