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Kirchengericht:Verfassungs- und Verwaltungsgericht der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland
Entscheidungsform:Gerichtsbescheid (rechtskräftig)
Datum:30.11.2021
Aktenzeichen:NK-VG I 4/2019
Rechtsgrundlage:§ 28 KGRBG (jetzt § 31 KGRWG), § 37 Absatz 1 Satz 4 und § 31 Absatz 2 Satz 4 KGRBG (jetzt § 17e Absatz 1 Satz 6 und § 17b Absatz 2 Satz 4 KGO)
Vorinstanzen:Beschluss vom 23.09.2019 - NK-VG I 2/2019
Schlagworte:
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Leitsatz:

1. Gegenstand der Wahlbeschwerde ist nicht nur der Wahlakt selbst, sondern sind auch Vorbereitungshandlungen oder die Wahl unziemlich beeinflussende Handlungen. Die Wahlbeschwerde präkludiert insoweit andere Rechtsmittel, wie die Beanstandung nach § 33 Kirchengemeindeordnung.
2. Verwandte sind von der Nachwahl oder -berufung zum Kirchengemeinderat ausgeschlossen, solange keine Ausnahmegenehmigung des Kirchenkreisrates vorliegt. Der Kirchengemeinderat ist nicht verpflichtet, diese zu beantragen. Die Ausnahmegenehmigung soll nur in Ausnahmefällen die Arbeitsfähigkeit des Kirchengemeinderates sichern und nicht den Wahlchancen einzelner Kandidierender dienen.
3. Bei aller Zurückhaltung in der Form dürfen auch Pastorinnen und Pastoren in innergemeindlichen Konflikten klare Positionen beziehen.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger war Mitglied des Kirchengemeinderates der beklagten Gemeinde und bestreitet die Rechtmäßigkeit von Wahlen zum dortigen Kirchengemeinderat. Er hat sein Begehren auch im Wege eines Antrages auf einstweilige Anordnung verfolgt, den das Gericht durch Beschluss vom 23.09.2019 zurückgewiesen hat
Am 23.05.2019 wählte der Kirchengemeinderat der Beklagten zwei neue Mitglieder in das Gremium, Frau S und Herrn H. 14 stimmberechtigte Mitglieder waren anwesend. Zunächst wurde für das Mitglied Herrn L eine Vertretung gewählt. Von den drei angetretenen Kandidaten erhielten Frau S und eine weitere Kandidatin je sechs, ein weiterer Kandidat eine Stimme. Ein Mitglied enthielt sich. Durch Losentscheid zwischen den Bewerberinnen mit der gleichen Stimmenzahl wurde Frau S als gewählt festgestellt. Sodann wurde für ein zurückgetretenes berufenes Mitglied eine neue Berufung vorgenommen. Hier standen Herr H und eine weitere Kandidatin zur Wahl. Auf Herrn H entfielen 10, auf die andere Kandidatin vier Stimmen. Vor diesen Wahlentscheidungen hatte der Vorsitzende des Kirchengemeinderates eine Kandidatur von Frau K ausgeschlossen, da diese Schwester eines Mitgliedes des Kirchengemeinderates sei.
Durch Schreiben vom 25.05.2019 schloss sich der Kläger einer „Anfechtung“ sämtlicher Wahlbeschlüsse an, die ein anderes Mitglied des Kirchengemeinderates am selben Tage angebracht hatte. In seiner Funktion als stellvertretender Vorsitzender beanstandete er zudem die „Sitzungsleitung und Durchführung der Sitzung“.
Mit seiner Klage vom 26.08.2019 rügt der Kläger die Nichtberücksichtigung der Kandidatin K. Der Kirchengemeinderat habe die ausnahmsweise rechtmäßige Zulassung ihrer Kandidatur jedenfalls beantragen müssen. Auch sei die Bemessung des Kirchengemeinderates mit nun 16 Mitgliedern rechtsfehlerhaft. Weiter wird vorgetragen, eine der Pastorinnen der Gemeinde habe unziemlich auf das Abstimmungsverhalten anderer Mitglieder des Gremiums Einfluss genommen.
Unter dem 26.09.2019 hat der Evangelisch-Lutherische Kirchenkreis Hamburg-Ost die Beschwerden gegen die Wahl von Frau S und die Berufung von Herrn H als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat der Kirchenkreis ausgeführt, dass zu der Sitzung ordentlich geladen worden und die erreichte Größe des Kirchengemeinderates rechtmäßig sei. Auch sei der Ausschluss der Kandidatin K zu Recht erfolgt, da diese die Schwester eines bestehenden Mitgliedes des Kirchengemeinderates sei. Eine Ausnahme von dieser Einschränkung des passiven Wahlrechtes habe nicht vorgelegen. Der Losentscheid bei Stimmengleichheit entspreche dem Gesetz. Die behauptete unzulässige Beeinflussung der Wahlberechtigten durch eine Pastorin der Gemeinde sei nicht zu erkennen.
Auch nach Entscheidung des Kirchenkreises erhält der Kläger seine bereits zuvor erhobene Klage aufrecht. In der Gemeinde A sei der um die Pfadfindergruppe gewachsene Teil der Gemeinde ausgegrenzt und seien zu diesem Zweck die Mehrheitsverhältnisse im Kirchengemeinderat verändert worden. Er selbst und weitere Mitglieder seien deshalb aus dem Gremium zurückgetreten.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Wahl der Mitglieder des Kirchengemeinderates Frau S und Herrn H unter Aufhebung der Beschwerdeentscheidung vom 26.09.2919 für ungültig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf die Begründung der Beschwerdeentscheidung.

II.

Das Gericht entscheidet gemäß § 25 Verwaltungsgerichtsgesetz der EKD (VwGG.EKD) durch Gerichtsbescheid, weil die Sache keine besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeit aufweist. Die Parteien sind dazu zuvor angehört worden.
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Maßgebliche Prozessordnung ist das VwGG.EKD, soweit nicht die Nordkirche in ihrem Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsgesetz (VerfVwGG) Abweichendes geregelt hat, § 9 VerfVwGG.
Zwar ist die Klage vor Abschluss des nach § 18 Absatz 1 VwGG.EKD i. V. m. § 28 Absatz 5 des zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Wahl geltenden und weiterhin auf sie anwendbaren Kirchengesetzes über die Bildung der Kirchengemeinderäte (Kirchengemeinderatsbildungsgesetz - KGRBG, KABl. 2015 S. 142) nötigen Vorverfahrens erhoben worden. Diese Sachurteilsvoraussetzung ist jedoch durch die spätere Beschwerdeentscheidung des Kirchenkreises eingetreten und der Kläger hat seinen auch danach unveränderten Prozessführungswillen erklärt.
Wie bereits in der Eilentscheidung in dieser Sache ausgeführt, ist maßgebliche Norm allein § 28 des damals geltenden Kirchengemeinderatsbildungsgesetzes (KGRBG), der die Wahlbeschwerde regelt. Mit der Einrichtung dieses besonderen Rechtsmittels soll das Interesse an rechtmäßigen Mandaten und effektivem Rechtsschutz mit dem Interesse eines handlungsfähigen Kirchengemeinderates in Ausgleich gebracht und eine rasche und klare Entscheidung zur Legalität der Mandate im Interesse der Handlungsfähigkeit der Gemeinde und des Ansehens der Amtsinhaber erreicht werden. Deshalb ist nicht nur der Wahlakt selbst, sondern sind auch Vorbereitungshandlungen oder die Wahl unziemlich beeinflussende Handlungen Gegenstand der Wahlbeschwerde. Sie sind damit aber auch für andere Rechtsmittel, wie die Beanstandung nach § 33 Kirchengemeindeordnung oder eine Nichtigkeitsklage nach § 17 Absatz 3 VwGG.EKD, präkludiert.
Gegen die beiden angefochtenen Wahlhandlungen ergeben sich keine rechtlichen Bedenken. Zunächst war die Nichtberücksichtigung der Kandidatin K rechtmäßig, da sie die Schwester eines zum Wahlzeitpunkt im Amt befindlichen Mitgliedes des Kirchengemeinderates ist. Eine solche Nachwahl oder auch Nachberufung setzte eine Ausnahmegenehmigung des Kirchenkreisrates voraus, die nicht vorlag (§ 37 Absatz 1 Satz 4 und § 37 Absatz 2 i. V. m. § 31 Absatz 2 Satz 4 KGRBG). Eine solche zu beantragen war die Beklagte auch nicht verpflichtet. Das auf Antrag eröffnete Ausnahmeermessen des Kirchenkreisrates dient nicht den Wahlchancen einzelner Kandidaten, sondern soll in seltenen Fällen die Arbeitsfähigkeit des Kirchengemeinderates sichern, wenn diese nur durch die Hinzuwahl oder Nachberufung einer eigentlich ausgeschlossenen Person gewahrt werden kann. Hierfür ist in dieser Gemeinde nichts ersichtlich. Die sodann erfolgte Wahl von Frau S war rechtmäßig, da sie gemeinsam mit einer anderen Kandidatin die höchste Anzahl an Stimmen erhielt und dann das Los auf sie entfiel, § 24 Absatz 3 KGRBG. Rechtmäßig war auch die Nachberufung von Herrn H. Der Kläger trägt vor, durch diese sei der Kirchengemeinderat rechtswidrig vergrößert worden, was als „Verwässerung“ der in der Urwahl errungenen Mandate rechtlich bedenklich sein könnte. Wie jedoch der Kirchenkreisrat in seiner Beschwerdeentscheidung richtig dargelegt hat, entspricht auch die nach der Nachberufung erreichte Größe des Kirchengemeinderates dem Gesetz, vgl. Artikel 30 Absatz 7 Verfassung der Nordkirche. Soweit im Beschwerdeverfahren vorgetragen worden war, die Wahl sei rechtswidrig, weil eine Pastorin Mitglieder des Gremiums unter Druck gesetzt hätte, ist der Kläger den Feststellungen der Beschwerdeentscheidung, die betreffenden Personen hätten einen solchen Druck nicht verspürt, im Klageverfahren nicht entgegengetreten. Bei aller Zurückhaltung in der Form dürfen auch Pastorinnen und Pastoren in solchen innergemeindlichen Konflikten klare Positionen beziehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 60 Abs. 1 VwGG.EKD, § 22 Abs. 1 KiGG. Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der Zulassungsgründe nach § 8 Abs. 2 Satz 1 VerfVwGG vorliegt.

gez. Dr. Kuhl-Dominik
(Präsident und Vorsitzender Richter)
gez. Dr. Rublack
(Rechtskundige Richterin)
gez. Gleim
(Rechtskundiger Richter)
gez. Dr. Dübbers
(Ordinierter Richter)
gez. Dr. Pfaff
(Nichtordinierter Richter)