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Kirchengericht:Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:24.03.2022
Aktenzeichen:NK-MG 5 7/2022 DWHH
Rechtsgrundlage:§ 3 Absatz 2 MVG-EKD, § 2 WahlO-MVG.EKD
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:
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Leitsatz:

1. Die laufende Wahl zur Mitarbeitervertretung ist im einstweiligen Verfügungsverfahren abzubrechen, wenn die Wahl mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nichtig sein wird, weil selbst der Anschein einer Wahl nicht gegeben ist.
2. Zweifel an einer ordnungsgemäßen Wahl bestehen, da der Wahlvorstand nicht dargelegt hat, woraus er seine bestrittene Berechtigung zur Durchführung der Wahl nimmt.

Tenor:

1. Der Beteiligte zu 3 (= Wahlvorstand Einrichtung M) wird verpflichtet, das zur Zeit laufende Wahlverfahren zur Wahl einer Mitarbeitervertretung für die Einrichtung M abzubrechen, wobei ihm jede weitere Handlung untersagt wird, die auf Durchführung der laufenden Mitarbeitervertretungswahl für die Einrichtung M gerichtet ist und bekannt zu machen, dass der Wahlgang abgebrochen wird.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes über den Abbruch einer laufenden Wahl.
Die Beteiligte zu 4 (= Arbeitgeberin Einrichtung A) ist eine kirchliche Stiftung, die insgesamt elf Altenpflegeheime betreibt mit insgesamt 1.222 Pflegeplätzen in verschiedenen Stadtteilen Hamburgs.
Die Mitarbeitervertretung (= MAV), Beteiligte zu 2 bei der Beteiligten zu 4 unter Vorsitz von Herrn K vertrat bisher neun der elf Einrichtungen. Die Einrichtung N und die Einrichtung M wurden seitens der MAV nicht vertreten.
Die MAV und die Beteiligte zu 1 (= Wahlvorstand der Einrichtung A) behaupten, die MAV habe mit Beschluss vom 04.01.2022 die Beteiligte zu 1 eingesetzt. Der Wahlvorstand habe sich am 15.02.2022 konstituiert.
In der Einrichtung M habe es zwar eine eigene Vertretung der Mitarbeiterschaft gegeben, die aus Sicht der Antragstellerinnen jedoch nicht rechtmäßig gewesen sei. Nach Mitteilung der bisherigen Vertretung, nunmehr sich der MAV anschließen zu wollen, hätte offenbar die Heimleitung veranlasst, dass eine Abstimmung nach § 3 Abs. 2 MVG.EKD erfolge. Die MAV reklamiere daher ihren Vertretungsanspruch. Dass in der Einrichtung jemals eines Abstimmung nach § 3 Abs. 2 MVG.EKD durchgeführt worden sei, werde bestritten. Die zu verhindernde Wahl werde nichtig sein. Es gäbe bereits keinen Wahlvorstand. Durch hauseigenen Aushang sei dies am 08.02.2022 auch mitgeteilt worden. Eine Mitarbeiterversammlung i. S. d. § 2 WO habe nicht stattgefunden. Auch sei bereits am 04.01.2022 ein Wahlvorstand durch die MAV eingesetzt worden. Auch die bisher bekannten Umstände der Durchführung der Wahl sprächen für derartige Verstöße gegen die WO, dass von einer Nichtigkeit der Wahl auszugehen ist. Am 10.03.2022 sei dem Vorsitzenden der Beteiligten zu 2 zwar mitgeteilt worden, dass ein Wahlvorstand, bestehend aus Frau U, Frau K und Herrn X, bestellt worden sei. Die Umstände der Wahl seien aber unbekannt.
Die Antragsteller zu 1 und 2 beantragen,
der Beteiligte zu 3 wird verpflichtet, das zurzeit laufende Wahlverfahren zur Wahl einer Mitarbeitervertretung für die Einrichtung M abzubrechen, wobei ihm jede weitere Handlung untersagt wird, die auf die Durchführung der laufenden Mitarbeitervertretungswahl für die Einrichtung M gerichtet ist und bekannt zu machen, dass der Wahlgang abgebrochen wird.
Hilfsweise,
der Beteiligte zu 3 wird bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens vor dem Kirchengericht zum Aktenzeichen NK-MG 5 3/2022 DWHH, bei Obsiegen des Beteiligten zu 1, in diesem Verfahren darüber hinaus verpflichtet, das zurzeit laufende Wahlverfahren zur Wahl einer Mitarbeitervertretung für die Einrichtung M abzubrechen, wobei ihm jede weitere Handlung untersagt wird, die auf die Durchführung der laufenden Mitarbeitervertretungswahl für die Einrichtung M gerichtet ist und bekannt zu machen, dass der Wahlgang abgebrochen wird, insbesondere die am 30.03.2022 terminierte Stimmabgabe nicht durchgeführt wird.
Die Beteiligte zu 4 beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Der Beteiligte zu 3 hat sich in der mündlichen Verhandlung nicht erklärt, er ist nicht erschienen. Er hat auch nicht schriftsätzlich vorgetragen.
Die Beteiligte zu 4 ist der Ansicht, bereits von Rechts wegen könne die Wahl nicht abgebrochen werden. Es handele sich um die Kontinuität einer Interessenvertretung und im Übrigen auch dem klaren Willen der Belegschaft, eine eigene Mitarbeitervertretung zu haben. Zumindest eine Nichtigkeit der Wahl könne nicht erkannt werden.
Im Ergebnis seien Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund nicht gegeben.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Vorsitzenden allein gewesen sind, sowie das Sitzungsprotokoll und die gerichtlichen Beschlüsse Bezug genommen und verwiesen.

II.

Der zulässige Antrag ist begründet.
1. Im kirchengerichtlichen Verfahren sind einstweilige Verfügungsverfahren nach § 62 MVG.EKD i. V. m. § 85 ArbGG, § 935 ZPO zulässig.
2. Die Entscheidung durch den Vorsitzenden allein nach § 61 Abs. 10 MVG.EKD ist zulässig. Die Kammer konnte, trotz entsprechender Ladungen, nicht zusammentreten.
3. Die Voraussetzungen einer einstweiligen Entscheidung liegen vor, Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund sind gegeben.
a. Einstweilige Verfügungen auf den Streitgegenstand sind nach § 935 ZPO zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Dabei zeichnen sich einstweilige Verfügungen dadurch aus, dass diese auf unsicherer Tatsachengrundlage in Abwägung der Rechtsfolgen zu ergehen haben.
b. Ein Verfügungsanspruch ist gegeben, die offensichtlich laufende Wahl einer Mitarbeitervertretung in der Einrichtung M ist abzubrechen.
Eine Wahl ist nur dann abzubrechen, wenn nicht bloße Anfechtbarkeit der Wahl gegeben wäre, sondern eine bereits absehbar nichtige Wahl durchgeführt werden würde.
Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes werden Entscheidungen auf unsicherer Tatsachengrundlage getroffen in Ansehung auch der möglichen Konsequenzen des kirchengerichtlichen Eingriffs.
Vorliegend gibt es eine in ihrer Rechtmäßigkeit bestrittene Mitarbeitervertretung in der Einrichtung M, für welche erstmal im Januar und Februar 2022 ein Verfahren nach § 3 Abs. 2 MVG.EKD durchgeführt worden sein soll. Für die Einrichtung ist vermutlich ein Wahlvorstand bestellt worden, der Beteiligter dieses Verfahrens ist. Wie dieser Wahlvorstand gebildet worden ist, ob die Wahl den Regeln des § 2 WO entsprechend erfolgt ist, ob die Durchführung der Wahl überhaupt nach den Vorschriften der WO noch durchgeführt werden kann, was die Antragsteller bestreiten, ist nicht vorgetragen worden.
Genereller Maßstab der Nichtigkeit einer Wahl ist, dass eine Wahl durchgeführt wird, die nicht einmal mehr den Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl genügt.
In Hinblick auf die Situation des einstweiligen Rechtsschutzes ist von der restriktiven Annahme einer Nichtigkeit einer Wahl zu Mitarbeitervertretungen sorgsam Gebrauch zu machen.
Der Abbruch einer Wahl ist ein erheblicher Eingriff in die Abläufe der Betriebsdemokratie.
Dieser hat hier zu erfolgen, bereits nach den seitens der Antragsteller vorgebrachten Tatsachen ist der Anschein einer ordnungsgemäßen Wahl zweifelhaft. Der Wahlvorstand selbst hat jedoch nicht im Ansatz dazu vorgetragen, woraus er seine bestrittene Berechtigung zur Durchführung einer in der Zulässigkeit nach § 3 Abs. 2 MVG.EKD bestrittenen Zuständigkeit nimmt, wie die Wahl selbst durchgeführt wird. Die Wahl wird mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nichtig sein, weil selbst der Anschein einer Wahl nicht gegeben ist.
Der Vortrag der Einrichtungsleiterin in der mündlichen Verhandlung kann nicht zugunsten des Beteiligten zu 3 gewertet werden, da diese prozessual nicht für den Beteiligten zu 3 auftreten kann.
4. Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.
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Tiemens (Vorsitzender Richter)