.

Kirchengesetz
über die Widmung, Entwidmung
und Nutzung von Kirchen und weiteren
gottesdienstlich genutzten Gebäuden
(Widmungsgesetz – WidmG)

Vom 5. November 2024

(KABl. A Nr. 93 S. 269)

Vollzitat:
Widmungsgesetz vom 5. November 2024 (KABl. A Nr. 93 S. 269)
#
Die Landessynode hat das folgende Kirchengesetz beschlossen:
###

§ 1
Widmung

( 1 ) Widmung im Sinne dieses Kirchengesetzes ist der Akt der zuständigen kirchlichen Körperschaft, eine Kirche oder weitere gottesdienstlich genutzte Gebäude auf Dauer zur Feier des Gottesdienstes der christlichen Gemeinde (Widmungszweck) zu bestimmen.
( 2 ) Durch die Widmung wird die Eigenschaft als öffentliche Sache mit Wirkung für die staatliche Rechtsordnung begründet.
( 3 ) Die Widmung kann auch für Gebäude erfolgen, die nicht im Eigentum einer kirchlichen Körperschaft stehen und an denen ein dingliches Nutzungsrecht für gottesdienstliche Zwecke eingeräumt wurde.
( 4 ) Die kirchliche Körperschaft legt in der Regel mit dem Widmungsbeschluss im Einvernehmen mit der zuständigen Bischöfin bzw. dem zuständigen Bischof im Sprengel den Namen der Kirche fest.
#

§ 2
Entwidmung

( 1 ) Entwidmung ist der Beschluss der zuständigen kirchlichen Körperschaft, die Widmung einer Kirche oder weiterer gottesdienstlich genutzter Gebäude aufzuheben.
( 2 ) Ein Entwidmungsbeschluss ist zu fassen, wenn eine Kirche oder ein gottesdienstlich genutztes Gebäude grundsätzlich und dauerhaft nicht mehr zur Feier des Gottesdienstes der christlichen Gemeinde verwendet wird (Wegfall des Widmungszwecks).
( 3 ) Von einer Entwidmung kann abgesehen werden, wenn der Widmungszweck nach § 1 Absatz 1 trotz Abgabe zur Nutzung oder trotz Veräußerung erhalten bleibt. Soll die kirchliche Körperschaft ein Nutzungsrecht behalten, ist dieses durch Vertrag abzusichern; im Fall von Erbbaurechtsverträgen und Kaufverträgen grundbuchlich.
#

§ 3
Entscheidungsfindung zur Entwidmung

( 1 ) Wird eine Kirche oder ein gottesdienstlich genutztes Gebäude nicht mehr für gottesdienstliche Zwecke benötigt, prüft die zuständige kirchliche Körperschaft mögliche Optionen:
  1. fortgesetzte Nutzung für eigene kirchliche Zwecke,
  2. anteilige oder vollständige Nutzung durch Dritte unter Abschluss eines längerfristigen Miet- oder Nutzungsvertrags oder unter Einräumung eines Erbbaurechts,
  3. Veräußerung,
  4. Weiterbestand ohne Nutzung,
  5. Abriss.
( 2 ) Die Begründung des Entwidmungsbeschlusses der zuständigen kirchlichen Körperschaft muss erkennen lassen, dass sie sich mit folgenden Aspekten auseinandergesetzt hat:
  1. den Gründen, weshalb die Kirche oder das gottesdienstlich genutzte Gebäude nicht mehr für den Gottesdienst benötigt werden,
  2. der zukünftigen Gewährleistung von gottesdienstlichem Leben und Verkündigung in der Kirchengemeinde unter Berücksichtigung der Erreichbarkeit des gottesdienstlichen Ortes und der besonderen Bedürfnisse von jüngeren und älteren Menschen,
  3. der Akzeptanz der Kirche oder des gottesdienstlich genutzten Gebäudes in der Kirchengemeinde, in der Region, in der Bevölkerung, ihrer bzw. seiner öffentlichen Wirkung und soziokulturellen Bedeutung,
  4. regionalen Kooperationen oder anderen Formen der Zusammenarbeit mit anderen Kirchengemeinden,
  5. der baukünstlerischen, historischen und städtebaulichen Bedeutung der Kirche oder des gottesdienstlich genutzten Gebäudes,
  6. dem künstlerischen und historischen Wert der Ausstattung der Kirche oder des gottesdienstlich genutzten Gebäudes und dem Verbleib der Ausstattung,
  7. der Baugeschichte, dem baulichen einschließlich des energetischen Zustands, dem Bauunterhaltungs- und Investitionsbedarf der Kirche oder des gottesdienstlich genutzten Gebäudes,
  8. Verpflichtungen, die sich aus vorangegangenen Fördermaßnahmen durch Dritte ergeben,
  9. einer Bewertung des sonstigen Gebäudebestands der kirchlichen Körperschaft, insbesondere alternativer gottesdienstlicher Orte,
  10. der grundstücks- und planungsrechtlichen Situation,
  11. der möglichen zukünftigen Nutzung nach §§ 7 bis 9,
  12. der zukünftigen Veränderung des Namens der Kirche oder des gottesdienstlich genutzten Gebäudes.
#

§ 4
Verfahren

( 1 ) Soll eine Kirche oder ein gottesdienstlich genutztes Gebäude gewidmet oder entwidmet werden, so informiert die zuständige Kirchengemeinde oder der Kirchengemeindeverband frühzeitig den Kirchenkreis und das Landeskirchenamt über das Vorhaben.
( 2 ) Die zuständige kirchliche Körperschaft erstellt ein Kommunikationskonzept für die Entscheidung zum Entwidmungsverfahren und die Vermittlung des Entscheidungswegs. Sie stimmt das Kommunikationskonzept mit dem Kirchenkreis und der zuständigen bischöflichen Person ab.
( 3 ) Beabsichtigt eine kirchliche Körperschaft, eine Kirche oder ein gottesdienstlich genutztes Gebäude unter Beibehaltung der Widmung zu veräußern oder vergibt ein Erbbaurecht an dem entsprechenden Grundstück, informiert der Kirchenkreis das Landeskirchenamt.
( 4 ) Soll eine Patronatskirche entwidmet werden, so informiert die kirchliche Körperschaft darüber hinaus frühzeitig die Patronatsinhaberin bzw. den Patronatsinhaber und setzt sich mit ihr oder ihm ins Benehmen, soweit nicht ohnehin weitergehende Mitbestimmungsrechte bestehen. Die Auswirkungen einer Entwidmung auf das Patronat sind zu prüfen.
( 5 ) Soll eine denkmalgeschützte Kirche oder ein denkmalgeschütztes gottesdienstlich genutztes Gebäude entwidmet werden, führt die zuständige kirchliche Körperschaft rechtzeitig vor einer Beschlussfassung die denkmalrechtliche Abstimmung gemäß § 5 Kirchbaugesetz vom 19. März 2020 (KABl. S. 100) in der jeweils geltenden Fassung herbei.
( 6 ) Die Kirchengemeinde oder der Kirchengemeindeverband fasst ihren bzw. seinen Beschluss über die Widmung oder die Entwidmung nach Beratung durch den Kirchenkreis und unter Berücksichtigung des Kommunikationskonzepts.
#

§ 5
Genehmigung

( 1 ) Beschlüsse des Kirchengemeinderats über die Widmung oder Entwidmung von Kirchen und weiteren gottesdienstlich genutzten Gebäuden der Kirchengemeinde bedürfen gemäß Artikel 26 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 Verfassung der Genehmigung des Landeskirchenamts.
( 2 ) Der Kirchenkreis leitet den Antrag der Kirchengemeinde auf Genehmigung eines Widmungs- oder Entwidmungsbeschlusses an das Landeskirchenamt. Im Fall eines Entwidmungsbeschlusses sind folgende Unterlagen beizufügen:
  1. der Entwidmungsbeschluss mit Begründung nach § 3 Absatz 2,
  2. das Inventarverzeichnis nach § 10 Absatz 1,
  3. eine Stellungnahme des Kirchenkreisrats zum Entwidmungsbeschluss und
  4. eine Mitteilung des Kirchenkreises zu Anträgen auf Genehmigungen nach Artikel 26 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 bis 4 Verfassung in Verbindung mit § 7 Absatz 2 Kirchbaugesetz und nach Artikel 26 Absatz 3 Verfassung in Verbindung mit § 7 Absatz 3 Kirchbaugesetz.
#

§ 6
Gottesdienst anlässlich der Widmung oder Entwidmung

( 1 ) Anlässlich der Widmung oder Entwidmung von Kirchen sowie gottesdienstlich genutzten Gebäuden ist ein Gottesdienst zu halten.
( 2 ) Die Leitung des Gottesdienstes erfolgt durch die Landesbischöfin bzw. den Landesbischof gemäß Artikel 97 Absatz 2 Satz 2 Nummer 10 Verfassung oder durch die zuständige Bischöfin bzw. den zuständigen Bischof im Sprengel gemäß Artikel 98 Absatz 2 Satz 2 Nummer 11 Verfassung oder im Vertretungsfall durch die jeweilige ständige bischöfliche Stellvertretung. Die Kirchengemeinde stimmt sich frühzeitig mit der jeweiligen Leitung des Gottesdienstes ab.
#

§ 7
Umnutzung, Nutzung durch Dritte

( 1 ) Möchte die zuständige kirchliche Körperschaft die Kirche oder das gottesdienstlich genutzte Gebäude an Dritte vermieten, einem Dritten ein Erbbaurecht an dem entsprechenden Grundstück einräumen oder es veräußern, hat sie vor dem Antrag auf Genehmigung nach Absatz 2 oder vor dem Abschluss eines Miet- oder Nutzungsvertrags mit einer Laufzeit von bis zu einem Jahr zu prüfen, ob
  1. Belange des Denkmalschutzes,
  2. dingliche Rechte Dritter,
  3. baurechtliche Vorschriften hinsichtlich einer zweckbestimmten Ausweisung von Grundstücken für eine kirchliche Nutzung,
  4. staatliche oder kommunale Baulastverpflichtungen oder
  5. die kirchliche Gebäudestrukturplanung
bei der geplanten Umnutzung oder Nutzung durch Dritte beachtet werden müssen bzw. dieser entgegenstehen könnten.
( 2 ) Der Beschluss eines Kirchengemeinderats zur Veräußerung oder zur Nutzung einer Kirche oder eines gottesdienstlich genutzten Gebäudes durch Abschluss eines Miet- oder Nutzungsvertrags mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr oder die Einräumung eines Erbbaurechts bedarf der Genehmigung des Kirchenkreisrats.
( 3 ) Die zuständige kirchliche Körperschaft ist verpflichtet bzw. die bzw. der Mietende, die bzw. der Erbbauberechtigte oder die bzw. der Erwerbende ist zu verpflichten, den Grundbesitz
  1. nicht für Handlungen und Zwecke zu nutzen oder durch Dritte nutzen zu lassen, die dem Ansehen der Kirche Schaden zufügen,
  2. nicht für Handlungen und Zwecke zu nutzen oder durch Dritte nutzen zu lassen, die der Unterbringung und Führung von Bordellen und bordellartigen Betrieben, dem Verkauf von Artikeln mit sexuellem Charakter, der Darbietung sexueller Handlungen oder Spiel- und Wettbetrieben dienen,
  3. nicht Gruppierungen zu überlassen, die unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stehen oder verboten sind oder deren Positionen und Ziele dem Auftrag der Kirche in sonstiger Weise entgegenstehen.
Die bzw. der Mietende, die bzw. der Erbbauberechtigte oder die bzw. der Erwerbende ist weiterhin zu verpflichten, den Grundbesitz religiösen Gemeinschaften nur nach Freigabe durch das Landeskirchenamt zu überlassen. Zur Sicherung dieser Verpflichtung und der Verpflichtungen nach Nummer 1 bis 3 ist im Fall von Erbbaurechtsverträgen und Kaufverträgen eine Dienstbarkeit einzutragen.
( 4 ) Den zugunsten der kirchlichen Körperschaft bestellten Dienstbarkeiten dürfen in Abteilung III des Grundbuchs keine Belastungen im Rang vorgehen. In Abteilung II dürfen nur solche Belastungen vorgehen, die weder zum Erlöschen der Dienstbarkeit führen können noch die Ausübung der Dienstbarkeit mehr als nur unerheblich einschränken.
#

§ 8
Einräumung eines Erbbaurechts bei fortgesetzter Nutzung

( 1 ) Räumt die zuständige kirchliche Körperschaft Dritten ein Erbbaurecht ein und beabsichtigt, die Kirche oder das gottesdienstlich genutzte Gebäude weiterhin anteilig oder vollständig selbst für gottesdienstliche oder andere Zwecke zu nutzen, ist das Nutzungsrecht der zuständigen kirchlichen Körperschaft im Erbbaurechtsvertrag durch im Grundbuch einzutragende Dienstbarkeit sicherzustellen. Regelungen zur Kostentragung oder zur Unterhaltung des Gebäudes oder andere Vereinbarungen, die nicht durch Dienstbarkeit gesichert werden können, sollen schuldrechtlich so vereinbart werden, dass sie auch Rechtsnachfolger mit Weitergabeverpflichtung binden.
( 2 ) Die bzw. der Erbbauberechtigte soll, abhängig von Umfang und Inhalt der beabsichtigten Nutzung, vertraglich verpflichtet werden, den Grundbesitz nicht in einer Form zu nutzen, die dem Charakter des Gebäudes als Kirche oder gottesdienstlich genutztes Gebäude zuwiderläuft oder den Nutzungszweck stört, den die Kirche sich vorbehalten hat. Zur Sicherung dieser Verpflichtungen soll eine Dienstbarkeit eingetragen und ein Heimfallgrund bei Zuwiderhandlung vereinbart werden. Darüber hinaus ist ein Vorkaufsrecht für alle Verkaufsfälle für den jeweiligen Grundstückseigentümer im Erbbaugrundbuch einzutragen.
( 3 ) Es ist darauf zu achten, dass die zuständige kirchliche Körperschaft kein Haftungsrisiko behält und von der Bauunterhaltung freigestellt wird.
( 4 ) § 7 Absatz 4 gilt entsprechend.
#

§ 9
Veräußerung bei fortgesetzter Nutzung

( 1 ) Für die Veräußerung einer Kirche oder eines gottesdienstlich genutzten Gebäudes gelten die Regelungen des § 8 entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Heimfallanspruchs ein Anspruch auf Rückübertragung tritt. Darüber hinaus ist ein Vorkaufsrecht für alle Verkaufsfälle für die zuständige kirchliche Körperschaft im Grundbuch einzutragen.
( 2 ) Die Vorschriften der Grundstücksrechtsverordnung bleiben unberührt.
#

§ 10
Inventarverzeichnis, Ausstattung, Rückbau

( 1 ) Wird eine Kirche oder ein gottesdienstlich genutztes Gebäude entwidmet oder erfolgt eine Umnutzung nach § 7, ist die bewegliche und unbewegliche Ausstattung gemäß § 2 Absatz 2 Kirchbaugesetz nach Vorgabe des Landeskirchenamts zu inventarisieren. Das Inventarverzeichnis ist dem Landeskirchenamt mit dem Entwidmungsbeschluss vorzulegen.
( 2 ) Über den Verbleib der Ausstattung, insbesondere der sakralen und liturgischen Ausstattung, ist in sorgfältiger Abwägung zu entscheiden. Zur sakralen und liturgischen Ausstattung gehören insbesondere Kreuze und andere christliche Symbole, Altar, Taufe und Kanzel, Orgeln, Glocken sowie christliche Darstellungen der bildenden Kunst. Für den sachgerechten Umgang und den Verbleib der Ausstattung nach einer Entwidmung sorgt der Kirchenkreis in Absprache mit dem Landeskirchenamt.
( 3 ) Anträge auf Genehmigungen nach Artikel 26 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 bis 4 Verfassung sind zeitgleich mit dem Antrag auf Entwidmung nach § 5 zu stellen.
#

§ 11
Name und frühere Förderung

( 1 ) Mit der Genehmigung des Entwidmungsbeschlusses erlischt der Name der Kirche oder des gottesdienstlich genutzten Gebäudes, soweit die kirchliche Körperschaft nichts anderes beschließt.
( 2 ) Im Zusammenhang mit der Änderung der Nutzungsart sind Verpflichtungen, die sich aus vorangegangenen Fördermaßnahmen durch Dritte ergeben, zu berücksichtigen.
#

§ 12
Bekanntmachung

Das Landeskirchenamt gibt die Widmung und Entwidmung einer Kirche oder eines gottesdienstlich genutzten Gebäudes im Kirchlichen Amtsblatt bekannt.
#

§ 13
Inkrafttreten und Außerkrafttreten

( 1 ) Dieses Kirchengesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung im Kirchlichen Amtsblatt in Kraft.1#
( 2 ) Gleichzeitig treten außer Kraft:
  1. das Kirchengesetz über die Widmung und Entwidmung von Kirchen (Widmungsgesetz – WidmungsG) vom 4. Dezember 2006 (GVOBl. 2007 S. 3) und
  2. die Rechtsverordnung über die Entwidmung, Umnutzung, Fremdnutzung und Veräußerung sowie den Abbruch von Kirchen vom 23. Februar 2007 (GVOBl. S. 86).

#
1 ↑ Red. Anm.: Das Kirchengesetz trat am 1. Januar 2025 in Kraft.