.Erläuterungen
Artikel 4
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Erläuterungen
zu Artikel 4 der Verfassung
Bearbeitungsstand: Juli 2024
####Artikel 4
Kirchliche Körperschaften
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Die Kirchengemeinden und deren Verbände, die Kirchenkreise und deren Verbände sowie die Landeskirche sind Körperschaften des Kirchenrechtes und zugleich Körperschaften des öffentlichen Rechtes.
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Weitere kirchliche Körperschaften können errichtet oder anerkannt werden.
#Grundinformationen
##I. Textgeschichte
#1. Veränderungen
Die Vorschrift ist seit dem Inkrafttreten unverändert.
#2. Textentwicklung
Artikel 5: Kirchliche Körperschaften
- (1) Die Kirchengemeinden und deren Verbände, die Kirchenkreise und deren Verbände sowie die Landeskirche sind Körperschaften des Kirchenrechtes. Weitere kirchliche Körperschaften können errichtet oder anerkannt werden.
- (2) Diese Körperschaften des Kirchenrechtes sind zugleich Körperschaften des öffentlichen Rechtes.
(1. Tagung der Verfassunggebenden Synode, Drucksache 5, Seite 8)
Im Entwurf der Verfassung für die 2. Tagung der Verfassunggebenden Synode (Drucksache 3/II, Seite 9) war die heutige Fassung bereits als Artikel 4 enthalten.
#3. Erläuterungen zum Entwurf der Verfassung
„Die Artikel 4, 5 und 6 beschreiben die organisatorische Gliederung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland in verschiedene selbstständige Ebenen, die jeweils den Status einer Körperschaft des Kirchenrechtes und zugleich des öffentlichen Rechtes haben. Sie haben das Recht zur Selbstverwaltung, das Haushaltsrecht und das Recht zur Normsetzung im Rahmen der verfassungsrechtlichen Ordnung (Grundsatz I.2.1 des Fusionsvertrages). Mit der Namensnennung der Kirche sind demzufolge alle Ebenen einschließlich Dienste und Werke erfasst. Der Kirchenname wird nicht synonym für die landeskirchliche Ebene verwendet, sondern immer für die Kirche in einem alle Ebenen umfassenden Sinn. Für die Gremien und Ämter auf der landeskirchlichen Ebene wird jeweils die Vorsilbe „Landes“ wie Landessynode, Landesbischöfin bzw. Landesbischof und Landeskirchenamt verwendet. Damit wird an eine evangelische Tradition angeknüpft, Kirche in einem bestimmten Gebiet zu sein, und in Abgrenzung zu Freikirchen deutlich gemacht, dass die Landeskirche sich als ein institutionelles Gegenüber zu Staat und Gesellschaft versteht.“
(1. Tagung der Verfassunggebenden Synode, Drucksache 5, Seite 72)
#4. Weitere Materialien (insbesondere des Verbandes)
Die AG Verfassung legte am 10. September 2007 fest, dass die Kirchengemeinde eine Körperschaft des öffentlichen Rechts sein solle. In der Sitzung der UG Kirchengemeindeordnung vom 14. Dezember 2009 wurde festgestellt, dass diese Regelung bereits in den Grundartikeln erfolgen solle.
Der Entwurf von Prof. Dr. Unruh vom 7. Mai 2010 hatte folgende Fassung:
Artikel 6: Kirchliche Körperschaften
- (1) Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland, ihre Kirchengemeinden und deren Verbände, sowie ihre Kirchenkreise und deren Verbände sind Körperschaften des öffentlichen Rechts.
- (2) Diese Körperschaften des öffentlichen Rechts sind zugleich Körperschaften des Kirchenrechts.
Dies wurde von der Textgruppe in folgende Fassung geändert (10. bis 12. Mai 2010):
Artikel 5: Kirchliche Körperschaften
- (1) Die Kirchengemeinden und deren Verbände, die Kirchenkreise und deren Verbände sowie die Landeskirche sind Körperschaften des öffentlichen Rechts.
- (2) Diese Körperschaften des öffentlichen Rechts sind zugleich Körperschaften des Kirchenrechts.
Mit Stand 31. Mai 2010 war folgender Absatz 2 Satz 2 angefügt: „Weitere kirchliche Körperschaften können errichtet oder anerkannt werden.“
Die Kirchenleitung der PEK fragte an, ob in Absatz 1 und 2 das Verhältnis der kirchlichen Körperschaft zur Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht umgekehrt werden solle und ob die Nennung überhaupt erforderlich sei.
In dem Beschluss der Steuerungsgruppe vom 3. September 2010 und gleichermaßen im Beschluss der Gemeinsamen Kirchenleitung vom 17. September 2010 wurde der Aufbau des Artikels folgendermaßen verändert:
Artikel 5: Kirchliche Körperschaften
- (1) Die Kirchengemeinden und deren Verbände, die Kirchenkreise und deren Verbände sowie die Landeskirche sind Körperschaften des Kirchenrechtes. Weitere kirchliche Körperschaften können errichtet oder anerkannt werden.
- (2) Diese Körperschaften des Kirchenrechtes sind zugleich Körperschaften des öffentlichen Rechtes.
Im Rahmen der 1. Tagung der Verfassunggebenden Synode wurde mit Antrag 66/3 die Streichung des Artikels beantragt, weil der ganze Artikel unnötig bzw. selbstverständlich sei.
In der Sitzung des Rechtsausschusses vom 11. bis 12. März 2011 wurden die „Körperschaften des Kirchenrechtes“ und „kirchliche Körperschaften“ in Frage gestellt. Es sollte erläutert werden, warum die kirchlichen Körperschaften als solche des „Kirchenrechtes“ noch bezeichnet werden müssten. Als Formulierung wurde insoweit vorgeschlagen: „(1) Kirchengemeinden, Kirchenkreise und ihre jeweiligen Verbände sind Körperschaften des Kirchenrechts.“ Des Weiteren wurde dafür votiert, die Verbände an dieser Stelle der Verfassung noch nicht zu benennen, außerdem wurde angeregt, die Regelung in einem Absatz zusammenzufassen. Der Ausschuss empfahl schließlich, die Verbände erst bei den später folgenden Spezialartikeln nach den Artikeln 37 ff. zu benennen.
Das Nordelbische Kirchenamt war der Auffassung, dass Absatz 1 verzichtbar sei. Es sei zu beachten, ob das Selbstbestimmungsrecht der Kirche und der Körperschaftsstatus nach staatlichem Recht angemessen aufeinander bezogen worden seien. Kirche sei Körperschaft des öffentlichen Rechts und dann auch des Kirchenrechtes. Es solle die Formulierung der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland analog übernommen werden. Wenn Artikel 5 beibehalten werden solle, solle er wie folgt gefasst werden: „Die Kirchengemeinden und deren Verbände, die Kirchenkreise und deren Verbände sowie die Landeskirche sind Körperschaften des öffentlichen und des kirchlichen Rechts.“
Der Kirchenkreis Nordfriesland hinterfragte, welche weiteren Körperschaften überhaupt noch in Frage kämen.
In der Sitzung der Steuerungsgruppe vom 25. und 26. August 2011 wurde dafür gestimmt, Absatz 1 Satz 1 wie folgt zu ergänzen: „[...] Kirchenrechtes und zugleich Körperschaften öffentlichen Rechtes. [...]“ Absatz 1 Satz 2 sollte den bisherigen Absatz 2 ersetzen.
#II. Vorgängervorschriften
#1. Verfassung der NEK
Artikel 3 Absatz 2 der Verfassung NEK lautete:
- Die Nordelbische Kirche, ihre Kirchengemeinden, Kirchengemeindeverbände, Kirchenkreise und Kirchenkreisverbände sind Körperschaften des öffentlichen Rechts.
2. Entsprechende Normen der ELLM/PEK
§ 4 der Kirchengemeindeordnung ELLM („Rechtsform“) regelte in Absatz 1:
- Die Kirchengemeinde und die örtlichen Kirchen sind Körperschaften des öffentlichen Rechts.
Artikel 4 Absatz 1 der Kirchenordnung PEK lautete:
- Die Kirche nimmt bei der Durchführung ihrer Aufgaben auch am allgemeinen Rechtsleben teil. Die Kirchengemeinden und Gemeindeverbände, die Kirchenkreise und die Pommersche Evangelische Kirche sind Körperschaften des öffentlichen Rechts.
3. Grundsätze zum Fusionsvertrag
I.2 Dreistufige Organisationsstruktur
I.2.1 Die gemeinsame Kirche ist organisatorisch in drei Ebenen gegliedert: Kirchengemeinden, Kirchenkreise und die Landeskirche (dreistufiger Verfassungsaufbau). Sie haben jeweils den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts mit dem Recht zur Selbstverwaltung, dem Haushaltsrecht und dem Recht zur Normsetzung im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung.
[…]
I.2.4 Die Landeskirche ist in drei geistliche Aufsichtsbezirke (Sprengel) gegliedert. Die Kirchen-kreise können in Propsteien gegliedert werden. Sprengel und Propsteien haben nicht den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts.
II.3 Zuschnitt und Zusammenarbeit
II.3.1 Beim Größenzuschnitt der Kirchengemeinden ist auf Überschaubarkeit und Erreichbarkeit zu achten sowie auf die Bildung arbeitsfähiger Größen, die Anstellungen auch in der Gemeinschaft der Dienste (I.3) ermöglichen.
II.3.2 Regionale Zusammenschlüsse von Kirchengemeinden bilden Gestaltungsräume für das kirchengemeindliche Leben und stärken die Gemeinschaft der Mitarbeitenden.
II.3.3 Die Kirchenkreise können Regelungen für eine verbindliche Zusammenarbeit von Kirchengemeinden in regionalen Zusammenschlüssen treffen.
#III. Ergänzende Vorschriften
#1. Normen mit Verfassungsrang
Artikel 22 und Artikel 43 regelt die Gründung, Veränderung, Teilung und den Zusammenschluss von Kirchengemeinden und Kirchenkreisen. Die Bildung von Kirchengemeinde- oder Kirchenkreisverbänden ist in Artikel 38 und Artikel 73 geregelt. Die kirchlichen Körperschaften werden gemäß Artikel 105 Absatz 2 Nummer 2 vom Landeskirchenamt bei der Erfüllung ihrer Aufgaben beraten und unterstützt. Nach Artikel 116 Absatz 1 können Dienste und Werke einer kirchlichen Körperschaft zugeordnet werden.
§ 2 der Kirchengemeindeordnung wiederholt die Regelung der Verfassung zur Rechtsform für die Kirchengemeinde: „Die Kirchengemeinde ist Körperschaft des Kirchenrechtes und zugleich Körperschaft des öffentlichen Rechtes.“
§ 6 Absatz 2 der Kirchengemeindeordnung lautet: „Die Personalkirchengemeinde ist Kirchengemeinde im Sinne der Verfassung. Sie wird durch einen Kirchengemeinderat geleitet und hat die Rechtsstellung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts.“ § 9 Absatz 2 Satz 3 regelt dies für die Anstaltskirchengemeinde; § 71 Absatz 2 der Kirchengemeindeordnung wiederum beinhaltet diese Regelung für Kirchengemeindeverbände: „Der Kirchengemeindeverband ist Körperschaft des Kirchenrechtes, zugleich ist er Körperschaft des öffentlichen Rechtes.“
Im Kirchenkreis Mecklenburg bestehen mit den örtlichen Kirchen besondere juristische Personen (§§ 56 ff. Kirchengemeindeordnung).
#2. Einfache Kirchengesetze
In Ausübung der Rechte als Körperschaft des öffentlichen Rechts wird in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland das Kirchensiegel als formgebundenes Beweiszeichen im Rechtsverkehr (§ 1 Absatz 1 Siegelgesetz).
#3. Satzungen (der Kirchenkreise etc.)
Die Satzungen der Kirchenkreise – so beispielsweise die Kirchenkreissatzung des Ev.-Luth. Kirchenkreises Altholstein vom 2. Oktober 2014 (KABl. 2015 S. 109) in § 1 Absatz 1 – enthalten die Regelung, dass der Kirchenkreis Körperschaft des Kirchenrechts und zugleich Körperschaft des öffentlichen Rechts ist. Gleiches gilt für die Kirchengemeindeverbände und Friedhofsverbände.
Im Evangelischen Kirchenvertrag Brandenburg, im Güstrower Vertrag (mit dem Land Mecklenburg-Vorpommern) sowie in den Staatskirchenverträgen mit dem Land Schleswig-Holstein und der Freien und Hansestadt Hamburg sind die Körperschaftsrechte ebenfalls vorausgesetzt.
#IV. Zusammenhänge und Rechtsvergleich
#1. Verweise auf andere Verfassungsbestimmungen
Bestehen für mehrere Kirchengemeinden gemeinsame Pfarrstellen, so sind diese Kirchengemeinden zu einem Pfarrsprengel verbunden (§ 81 KGO). Durch Kirchenkreissatzung kann auch bestimmt werden, dass die Kirchengemeinden innerhalb eines Kirchenkreises zu Kirchenregionen zusammengeschlossen werden (Artikel 39). In einem Kirchenkreis wird jeder pröpstlichen Person geistlicher Aufsichtsbezirk (Propstei) zugeordnet (Artikel 65 Absatz 2), welcher aus mehreren Kirchengemeinden besteht. Die Landeskirche gliedert sich in drei Sprengel (geistliche Aufsichtsbezirke der bischöflichen Personen), die aus mehreren Kirchenkreisen bestehen (Artikel 101). Diese Gliederungen haben aber keine eigene Rechtspersönlichkeit.
#2. Verweise auf kirchliches Recht (außerhalb der Nordkirche)
Artikel 7 Absatz 1 der Grundordnung der EKBO (Rechtsgrundlagen) lautet:
- Die Kirchengemeinden und ihre Zusammenschlüsse, die Kirchenkreise und die Landeskirche nehmen als Körperschaften des öffentlichen Rechts am allgemeinen Rechtsleben teil. Entsprechendes gilt für die rechtsfähigen sonstigen öffentlichen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen der Kirche.
In der Kirchenverfassung der EKM findet sich eine entsprechende Regelung in Artikel 7:
- (1) 1 Die Landeskirche sowie ihre Kirchengemeinden, Kirchengemeindeverbände und Kirchenkreise sind Körperschaften des Kirchenrechts. 2 Sie regeln und verwalten ihre Angelegenheiten selbstständig im Rahmen des geltenden Rechts.
- (2) 1 Kirchliche Körperschaften sind zugleich Körperschaften des öffentlichen Rechts nach staatlichem Recht. 2 Kirchliche Stiftungen sind zugleich Stiftungen des öffentlichen oder privaten Rechts.
Die ab dem 1. Januar 2020 geltende Kirchenverfassung der Landeskirche Hannover enthält in Artikel 14 Absatz 1 folgende Regelung:
- Die Kirchengemeinden und ihre Verbände, die Kirchenkreise und ihre Verbände und die Landeskirche sowie die Klöster Loccum und Amelungsborn sind Körperschaften des Kirchenrechts. Die sind nach staatlichem Recht zugleich Körperschaften des öffentlichen Rechts. Als solche handeln sie grundsätzlich öffentlich-rechtlich.
3. Verweise auf staatliches Recht
Der Status der kirchlichen Körperschaften als Körperschaft des öffentlichen Rechts ist verfassungsrechtlich vorgegeben durch Art. 140 Grundgesetz i.V.m. Art. 137 Absatz 5 Weimarer Reichsverfassung:
- „Die Religionsgesellschaften bleiben Körperschaften des öffentlichen Rechtes, soweit sie solche bisher waren. Anderen Religionsgesellschaften sind auf ihren Antrag gleiche Rechte zu gewähren, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. Schließen sich mehrere derartige öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften zu einem Verbande zusammen, so ist auch dieser Verband eine öffentlich-rechtliche Körperschaft.“
Die Durchführung dieser Bestimmungen obliegt der Landesgesetzgebung (Artikel 136 Absatz 8 WRV). Näheres regelt in Hamburg das Gesetz über die Verleihung der Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts an Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen vom 15. Oktober 1973 (HmbGVBl. S. 434).
Auch Bund, Länder und Gemeinden sind in Deutschland als territoriale Körperschaften des öffentlichen Rechts organsiert.