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Erläuterungen
zu Artikel 13 der Verfassung

Bearbeitungsstand: Juli 2024

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Artikel 13
Einladende Kirche

Alle Menschen sind eingeladen, am Leben der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland teilzunehmen, das Evangelium zu hören und christliche Gemeinschaft zu erfahren.
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Grundinformationen

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I. Textgeschichte

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1. Veränderungen

Die Vorschrift ist seit dem Inkrafttreten unverändert.
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2. Textentwicklung

Die Vorschrift war unter der Überschrift „Teilnahme“ bereits als Artikel 13 Bestandteil des Verfassungsentwurfs zur 1. Tagung der Verfassunggebenden Synode, enthielt aber zusätzlich einen Satz 2 mit folgendem Wortlaut: „Nicht Getaufte werden zur Taufe eingeladen.“
(1. Tagung der Verfassunggebenden Synode, Drucksache 5, Seite 11).
Zur 2. Tagung der Verfassunggebenden Synode lautete die Überschrift dann „Einladende Kirche“
(2. Tagung der Verfassunggebenden Synode, Drucksache 3/II, Seite 13).
Der Verfassungsentwurf zur 3. Tagung der Verfassunggebenden Synode (Drucksache 4/III,) sah dann in Artikel 13 die aktuelle Textfassung vor. Satz 2 wurde gestrichen und findet sich nun in Artikel 1 Absatz 6.
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3. Erläuterungen zum Entwurf der Verfassung

„Mit Artikel 13 spricht die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland eine Einladung an alle Menschen zur Teilnahme am kirchlichen Leben aus und nicht getaufte Menschen werden zur Taufe eingeladen. Es wurde angeregt, angesichts der großen Anzahl von Menschen im Gebiet der zukünftigen Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland, die ohne konfessionelle Bindung leben, den einladenden Charakter der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland noch deutlicher zum Ausdruck zu bringen.“
(1. Tagung der Verfassunggebenden Synode, Drucksache 5, Seite 74)
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4. Weitere Materialien (insbesondere des Verbandes)

In Anlehnung an die Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (Artikel 9 Absatz 3) und der Verfassung der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (Artikel 11) sollte eine Regelung geschaffen werden, die es Nicht-Getauften – und damit Nicht-Kirchenmitgliedern – ermöglicht, am kirchlichen Leben teilzuhaben. Sie sollten die Möglichkeit haben, am Leben der Gemeinde und an christlicher Unterweisung teilzunehmen, und zur Taufe ermutigt werden.
Die ursprüngliche Fassung sah im Mai 2010 eine Teilhabe „im Rahmen des Kirchenrechts“ vor.
Vorgeschlagen wurde daneben – im Rahmen weitergehender geplanter Änderungen – ein neuer Artikel 5, der Regelungen aus den damaligen Artikeln 13 Absatz 1, 10 Absatz 1 und 11 Absatz 1 unter der Überschrift „Einladung zur Kirche“ zusammenfasst:
(1) Alle Menschen sind eingeladen, am Leben der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland teilzunehmen, das Evangelium zu hören, christliche Gemeinschaft zu erfahren und an ihrem Dienst in der Gesellschaft mitzuwirken.
(2) Die Zugehörigkeit zu der einen Kirche Jesu Christi gründet in der Taufe.
(3) Die Taufe begründet das Allgemeine Priestertum aller Getauften. Alle Glieder der Kirche sind berufen, das Evangelium in Wort und Tat zu bezeugen und für die Erfüllung des Auftrags der Kirche Sorge zu tragen.
Dieser Vorschlag, d. h. die Gesamtänderung von Präambel und der Grundartikel, wurde von Kuratorium des Hauptbereichs 2 begrüßt. Insbesondere sei es theologisch wichtig, die Taufe in der Verfassung nicht erst nach den kirchlichen Gremien zu erwähnen.
Propst Dr. Gorski merkte in seiner Stellungnahme vom 30. Mai 2010 an, dass Satz 1 besser zu Artikel 11 passe. Für Satz 2, der zu diesem Zeitpunkt noch lautete „Nicht-Getaufte werden zur Taufe ermutigt.“, schlug er das Wort „einladen“ vor, wenn nicht sogar der missionarische Gedanke in Artikel 2 Absatz 2 ausreichend zur Geltung gekommen sei.
Auch die AG Theologie schlug in ihrem Votum für die AG Verfassung im Juli 2010 die Formulierung „einladen“ vor, da der Gedanke des Mutes im Zusammenhang mit der Taufe nicht mehr angemessen sei – anders als unter den Bedingungen der DDR.
In dieser Fassung wurde die Vorschrift von der Steuerungsgruppe am 3. September 2010 beschlossen.
Im Rahmen der 1. Tagung der Verfassunggebenden Synode wurde beantragt,
in Artikel 13 folgenden Satz zu ergänzen: „Die bleibende Treue Gottes zum Volk Israel ruft die Ev.-Luth. Kirche im Norden zum Dialog mit dem Judentum, beinhaltet aber nicht die aktive Mission am Volk Israel.“ (Antrag 57/2)
Ein weiterer Antrag (50) zum Artikel 13 lautete: „Artikel 13 Satz 2 wird gestrichen oder dahingehend geändert, dass die Aussagen der EKD-Denkschrift „Christen und Juden III“ Aufnahme finden, nach der unsere Kirche „schwerlich die Vollmacht zur Judenmission“ hat. Damit würde auch der Präambel Rechnung getragen.“
Außerdem wurde beantragt: „Der Artikel 13 wird um eine Formulierung ergänzt, die einladende, niederschwellige mitgliedschaftsähnliche Teilnahmemöglichkeiten eröffnet.“ (Antrag 86)
Die Arbeitsgruppe der Sondertagung der Verfassunggebenden Synode am 14. und 15. Januar 2011 formulierten ihre Ergebnisse wie folgt: „Alle Menschen sind eingeladen, am Leben der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland teilzunehmen, das Evangelium zu hören, sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu beteiligen, christliche Gemeinschaft zu erfahren und in dieser Gemeinschaft begleitet zu werden.“ Vorangegangen war eine Diskussion darüber, wie die Kirche in Situationen kirchlicher Minderheit gegenüber Nicht-Mitgliedern offen und einladend sein könne.
Der Rechtsausschuss sprach sich in seiner Sitzung vom 18./19. März 2011 dafür aus, den Missionsauftrag der Kirche in der Verfassung zu manifestieren. Über die Art und Weise wurde ausführlich diskutiert: Unter Bezugnahme auf Antrag 86 und Artikel 14 KO-PEK solle eine Formulierung mit „öffnendem Charakter“ gefunden werden. Teilweise wurde jedoch gefordert, dass dies nur in die Kirchengemeindeordnung aufgenommen werden solle. Auch die Bestimmtheit der Formulierung ist Gegenstand einer Debatte: Während einige die Formulierung für zu unbestimmt hielten, kam es anderen gerade auf diese Unbestimmtheit an, da es um etwas rechtlich Unbestimmtes im bewusst außerkirchlichen Bereich, nämlich das Gastrecht, gehe.
Gegen den Vorschlag, Satz 2 zu streichen, wurde starker Widerspruch geäußert, weil der Taufbefehl elementar wichtig sei. Auch wurde der Vorschlag geäußert, Satz 1 als eine reine Rechtsregelung in die Kirchengemeindeordnung zu verschieben, was jedoch ebenfalls auf Widerspruch stieß, weil Satz 2 nicht allein in der Verfassung stehen könne. Die Diskussion um die Formulierung dauerte an. Während einige die aktuelle Fassung begrüßten, sahen andere damit den einladenden Charakter geschwächt.
Schließlich wird der Beschluss gefasst: „Der Ausschuss empfiehlt, aus Artikel 13 den Satz 2 zu streichen.“
Die Redaktionsgruppe änderte in der Sitzung vom 13. Juni 2011 die Überschrift von „Teilnahme“ in „Einladende Kirche“, Satz 2 war in der Vorschrift aber noch enthalten.
Die neue Überschrift wurde vom Rechtsausschuss in seiner Sitzung vom 6. bis 8. Oktober 2011 begrüßt, die Beibehaltung von Satz 2 hingegen bedauert. Die Taufe sei originäre Aufgabe der Kirche, unabhängig davon, ob sie in der Verfassung noch einmal ausdrücklich benannt wurde oder nicht. Die Taufeinladung bestehe auch ohne Satz 2. Die ausführliche Diskussion und eine Debatte zur Frage der Judenmission solle nicht wieder aufgegriffen werden; der Beschluss zugunsten der Streichung von Satz 2 wird erneut gefasst – in diesem Fall einstimmig.
Der Theologische Ausschuss der VELKD wies in seiner Stellungnahme vom 14. Oktober 2011 darauf hin, dass Satz 2 die Frage aufwerfen könne, ob Nicht-Getaufte auch zum Abendmahl zuzulassen sind.
Bischof Gerhard Ulrich betonte im Rahmen der Einbringung der Verfassung auf der 2. Tagung der Verfassunggebenden Synode die Wichtigkeit des Artikels 13, weil damit das grundsätzliche Kirchenbild vermittelt werde.
Der Antrag auf Streichung von Artikel 13 Satz 2 wurde von der Verfassunggebenden Synode auf ihrer 2. Tagung abgelehnt.
Der Theologische Ausschuss befasste sich am 2. November 2011 mit der o. g. Stellungnahme der VELKD und schlug vor, Satz 2 zu streichen und die Formulierung: „Sie [Anm.: Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland] lädt zur Taufe ein.“ In Artikel 1 Absatz 5 am Ende einzufügen. So werde auch die Stigmatisierung bzw. die Ausgrenzung von Nicht-Getauften vermieden.
Der Entwurf des Rechtsausschusses für die 3. Tagung der Verfassunggebenden Synode ohne Satz 2 wurde schließlich beschlossen.
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II. Vorgängervorschriften

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1. Verfassung der NEK

Es gibt keine entsprechende Vorgängervorschrift in der Verfassung der Nordelbischen Kirche. Artikel 5 stellt aber (wie Artikel 9 der Verfassung der Nordkirche) auf die Taufe als Grundlage für die Mitgliedschaft in der Kirche ab.
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2. Entsprechende Normen der ELLM/PEK

Auch das Verfassungsrecht der ELLM sprach keine Einladung aus, nimmt in § 5 Absatz 1 der Kirchgemeindeordnung aber auch Bezug auf die Taufe als Grundlage der Mitgliedschaft in der Kirchgemeinde.
Gleiches gilt für die Kirchenordnung der PEK, die Voraussetzung der Taufe für die Mitgliedschaft der Kirchengemeinde findet sich in Artikel 8 Absatz 1.
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3. Grundsätze zum Fusionsvertrag

Die Grundsätze zum Fusionsvertrag enthalten keine Ausführungen zum Thema der einladenden Kirche.
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III. Ergänzende Vorschriften

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1. Normen mit Verfassungsrang

Der Gedanke der einladenden Kirche findet sich wieder in § 19 Kirchengemeindeordnung, wonach es u.a. Aufgabe des Kirchengemeinderates ist, die Botschaft des Evangeliums auf vielfältige und einladende Weise erfahrbar werden zu lassen.
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2. Synodenbeschlüsse

Die Grundlinien kirchlichen Handelns bei Taufe und Abendmahl sowie bei Gottesdiensten anlässlich der Konfirmation, der Eheschließung (Trauung) und der Bestattung vom 4. Dezember 2019 (KABl. 2020 S. 26) benennen Artikel 13 als „Grundhaltung kirchlichen Handelns“ (II.1).
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IV. Zusammenhänge und Rechtsvergleich

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1. Verweise auf andere Verfassungsbestimmungen

Gemäß Artikel 9 ist die Taufe die Grundlage der Mitgliedschaft in der Nordkirche. Mit Artikel 13 soll jedoch die Teilnahme am Leben in der Gemeinde auch ohne Taufe und damit ohne Kirchenmitgliedschaft ermöglicht werden. Artikel 1 Absatz 6 bestimmt: „Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland lädt zur Taufe ein.“
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2. Verweise auf kirchliches Recht (außerhalb der Nordkirche)

Die Grundordnung EKBO regelt in Artikel 3 Absatz 1: „Die Gliedschaft in der Kirche Jesu Christi gründet sich auf Gottes Handeln in der Taufe“. Absatz 3 bezieht sich dann auf Nicht-Mitglieder:
Wer nicht Mitglied einer Kirchengemeinde ist, kann sich am kirchlichen Leben beteiligen und nach den Bestimmungen der Ordnung des kirchlichen Lebens Mitglied werden.
Artikel 11 der Verfassung der EKM enthält folgende Regelung zur Teilnahme nicht Getaufter:
(1) Nicht Getaufte sind eingeladen, am Leben der Gemeinde und der Kirche im Rahmen der kirchlichen Ordnung teilzunehmen. Sie werden von der Kirchengemeinde begleitet und zur Taufe ermutigt.
(2) Nicht getauften Kindern gibt die Gemeinde in der christlichen Unterweisung, im gottesdienstlichen Leben und in der Inanspruchnahme kirchlicher Einrichtungen an ihrem Leben.
Artikel 12 Absatz 2 bestimmt:
(2) Die Kirchengemeinde hat den Auftrag, aus der Kirche Ausgetretenen seelsorgerlich nachzugehen. Sie lädt sie zur Wiederaufnahme ein.
Die ab dem 1. Januar 2020 geltende Kirchenverfassung Hannover spricht in Artikel 10 (Einladende Kirche) eine deutliche Einladung – auch zur Taufe – aus:
Alle Menschen sind eingeladen, das Evangelium zu hören, am kirchlichen Leben teilzunehmen und christliche Gemeinschaft zu erfahren. Nicht Getaufte werden begleitet und zur Taufe ermutigt. Ausgetretene bleiben eingeladen, wieder Mitglied der Kirche zu werden.
Artikel 9 der Verfassung der Ev.-Luth Kirche in Bayern, auf den für die Ausgangsidee Bezug genommen wurde, sieht in Absatz 3 vor:
„Bestimmte Teilnahmerechte und Mitwirkungsmöglichkeiten am kirchlichen Leben kann auch erhalten, wer sich auf dem Weg zur Taufe befindet.“