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Erläuterungen
zu Artikel 17 der Verfassung

Bearbeitungsstand: Juli 2024

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Artikel 17
Verschwiegenheitspflichten

Die Unverbrüchlichkeit des Beichtgeheimnisses und die seelsorgerliche Schweigepflicht sind zu wahren. Sie stehen unter dem Schutz der Kirche. Das Nähere, insbesondere die besondere Beauftragung mit der Seelsorge, wird durch Kirchengesetz oder aufgrund eines Kirchengesetzes geregelt.
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Grundinformationen

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I. Textgeschichte

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1. Veränderungen

Die Vorschrift ist seit dem Inkrafttreten unverändert.
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2. Textentwicklung

Im ersten Verfassungsentwurf war die Pflicht zur Wahrung des Beichtgeheimnisses als Regelung in Absatz 3 Satz 2 des Artikels 15 (Amt der öffentlichen Verkündigung) vorgesehen:
„Sie [die Ordinierten] haben die Unverbrüchlichkeit des Beichtgeheimnisses und die seelsorgerliche Schweigepflicht zu wahren.“
Darüber hinaus enthielt Artikel 16 (Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter; Ehrenamtliche) in Satz 3 folgende Regelung:
„Sie [die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie alle, die sich ehrenamtlich in den Dienst der Kirche stellen; die zur öffentlichen Verkündigung Berufenen, pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Gemeindepädagoginnen und Gemeindepädagogen, Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker sowie Küsterinnen und Küster] haben über alles, was ihnen in Ausübung der Seelsorge anvertraut und bekannt geworden ist, Verschwiegenheit zu wahren.“
(1. Tagung der Verfassunggebenden Synode, Drucksache 5, Seite 12)
Im zweiten Verfassungsentwurf wurde dann als Artikel 18 eine eigenständige Regelung zu Verschwiegenheitspflichten in die Verfassung eingeführt:
(1) Die Unverbrüchlichkeit des Beichtgeheimnisses und die seelsorgerliche Schweigepflicht sind zu wahren. Sie stehen unter dem Schutz der Kirche. Das Nähere, insbesondere die besondere Beauftragung mit der Seelsorge, wird durch Kirchengesetz oder aufgrund eines Kirchengesetzes geregelt.
(2) Alle Personen, die im ehrenamtlichen oder beruflichen Dienst an der Erfüllung des kirchlichen Auftrages teilhaben, haben auch nach Beendigung ihres Dienstes über die ihnen bei oder bei Gelegenheit der Ausübung ihres Dienstes bekannt gewordenen dienstlichen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren. Das gilt nicht für Mitteilungen im dienstlichen Verkehr und über Tatsachen, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen. Das Nähere wird durch Kirchengesetz oder aufgrund eines Kirchengesetzes geregelt.
(2. Tagung der Verfassunggebenden Synode, Drucksache 3/II, Seite 15)
Zur 3. Tagung der Verfassunggebenden Synode hatte Artikel 17 seine aktuelle Fassung (Drucksache 4/III).
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3. Erläuterungen zum Entwurf der Verfassung

Die Erläuterungen zu den Artikeln 15 und 16 des ersten Verfassungsentwurfs beziehen sich jeweils nicht auf das Beichtgeheimnis oder die Pflicht zur Verschwiegenheit.
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4. Weitere Materialien (insbesondere des Verbandes)

In der Sitzung der Steuerungsgruppe am 7. Juli 2011 wurde beschlossen, der Redaktionsgruppe den Auftrag für einen eigenen Artikel zum Thema Verschwiegenheitspflicht der Ehrenamtlichen und der Hauptamtlichen zu geben. Bis dahin waren die entsprechenden Regelungen auf mehrere Verfassungsartikel verteilt gewesen.
Die Redaktionsgruppe erarbeitete daraufhin die Formulierung des damaligen Artikels 16 („Verschwiegenheitspflichten), die als Artikel 18 Bestandteil des Verfassungsentwurfs für die 2. Tagung der Verfassunggebenden Synode wurde.
Der Rechtsausschuss empfahl in seiner Sitzung vom 6. bis 8. Oktober 2011 jedoch, den Absatz 2 ersatzlos zu streichen, da die ehrenamtlichen Dienste rechtlich nicht unter das Zeugnisverweigerungsrecht der Strafprozessordnung fallen könnten und die Formulierungen des Absatzes 2 daher gefährlich und nicht verfassungswürdig seien. Absatz 2 wurde schließlich von der Synode auf ihrer 2. Tagung komplett gestrichen.
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II. Vorgängervorschriften

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1. Verfassung der NEK

Die Verfassung der NEK sah in Artikel 20 Absatz 2 Satz 2 vor:
„Sie [die Pastorinnen und Pastoren] haben die Unverbrüchlichkeit des Beichtgeheimnisses und die seelsorgerliche Schweigepflicht zu wahren.“
Darüber hinaus enthielt Artikel 21 in den Sätzen 2 und 3 die Regelung:
„Sie [die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter] haben über alles, was ihnen in Ausübung der Seelsorge anvertraut und bekannt geworden ist, Verschwiegenheit zu bewahren. Bei der Wahrung dieser Pflicht gewährt die Nordelbische Kirche den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Schutz und Fürsorge.“
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2. Entsprechende Normen der ELKM/PEK

Die Kirchenordnung der PEK enthielt in Artikel 19 Absatz 1 die Vorschrift: „Das Beichtgeheimnis ist unverbrüchlich.“ und verwies in Absatz 2 auf den Artikel 156, der die Verschwiegenheit der Kollegiums- und Synodenmitglieder sowie der kirchlichen Amtsträgerinnen und Amtsträger und Angestellten regelte.
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3. Grundsätze zum Fusionsvertrag

Die Grundsätze zum Fusionsvertrag enthalten keine Ausführungen zum Beichtgeheimnis.
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III. Ergänzende Vorschriften

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1. Normen mit Verfassungsrang

§ 53 Absatz 5 Kirchengemeindeordnung regelt die Verschwiegenheitspflicht der Mitarbeitenden, die entsprechend für Ehrenamtliche gilt (§ 51 Absatz 5 KGO):
„(5) Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben über vertrauliche Angelegenheiten und über alles, was ihnen in Ausübung der Seelsorge anvertraut und bekannt gemacht worden ist, Verschwiegenheit zu wahren.“
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2. Einfache Kirchengesetze

Das Seelsorgegeheimnis wird in der Nordkirche durch das Kirchengesetz zum Schutz des Seelsorgegeheimnisses der EKD (Seelsorgegeheimnisgesetz – SeelGG) vom 28. Oktober 2009 geregelt. Dem Seelsorgegeheimnisgesetz hatten bereits die Nordelbische, die Mecklenburgische und die Pommersche Kirche zugestimmt. Das Kirchengesetz zum Schutz des Seelsorgegeheimnisses wird ergänzt durch das Kirchengesetz zur Ergänzung des Seelsorgegeheimnisgesetzes (Seelsorgegeheimnisergänzungsgesetz – SeelGGErgG) vom 19. März 2015 (KABl. S. 178). Auch im Datenschutzgesetz der EKD (DSG-EKD) vom 15. November 2017 erfährt das Seelsorgegeheimnis besonderen Schutz (§ 3); ebenso im Verwaltungsverfahrens- und -zustellungsgesetz der EKD (VVZG-EKD) vom 28. Oktober 2009 (§ 17 Absatz 3).
Daneben ist das Beichtgeheimnis im Dienstrecht der Ordinierten durch zahlreiche weitere Vorschriften sichergestellt:
  • Kirchengesetz zur Regelung der Dienstverhältnisse der Pfarrerinnen und Pfarrer in der Evangelischen Kirche in Deutschland (Pfarrdienstgesetz der EKD – PfDG.EKD) vom 10. November 2010 (ABl. EKD S. 307, 2011 S. 149, 289, 2016 S. 146; KABl. 2014 S. 228): § 30
  • Kirchengesetz zur Ergänzung des Pfarrdienstgesetzes der EKD und des Pfarrdienstgesetzergänzungsgesetzes der VELKD in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Pfarrdienstgesetzergänzungsgesetz – PfDGErgG) vom 31. März 2014 (KABl. S. 219): Verpflichtungserklärung nach § 2 Absatz 2
  • Kirchengesetz über die Ausbildung zum Amt und Dienst der Pastorinnen und Pastoren in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Pfarrdienstausbildungsgesetz – PfDAG) vom 28. November 2013 (KABl. 2014 S. 3): § 13 Absatz 4
  • Kirchengesetz zur Prävention und Intervention gegen sexualisierte Gewalt in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland und ihrer Diakonie (Präventionsgesetz – PrävG) vom 17. April 2018 (KABl. S. 238): § 6 Absatz 4
Die Amtsverschwiegenheit regelt § 31 PfDG.EKD (bzw. § 34 KBG.EKD). Die Verschwiegenheitspflicht für kirchliche Beschäftigte regelt § 3 Absatz 11 des Tarifvertrages (TV KB).
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3. Untergesetzliche Normen

Die erste Kirchenleitung hat die Rechtsverordnung zur Durchführung des Seelsorgegeheimnisergänzungsgesetzes vom 17. April 2015 (KABl. S. 178) erlassen, welche für nichtordinierte Mitarbeitende und Ehrenamtliche Näheres zur Erteilung des Seelsorgeauftrages (§ 1) und zur erforderlichen Ausbildung (§ 4) regelt.
Die Datenschutzdurchführungsverordnung vom 5. April 2017 (KABl. S. 221) regelt ergänzend zu § 3 DSG-EKD den Umgang mit Seelsorgedaten (§ 3 DSDVO).
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4. Satzungen und Verträge

Auch die Satzung der Nordschleswigschen Gemeinde der Nordelbischen Ev.-Luth. Kirche vom 19. März 2009 (GVOBl. S. 378) beinhaltet Regelungen zum Schutz des Beichtgeheimnisses (§ 39).
Im Rahmen der Staatskirchenverträge wird das Beichtgeheimnis respektiert (unten IV.2).
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IV. Zusammenhänge und Rechtsvergleich

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1. Verweise auf kirchliches Recht (außerhalb der Nordkirche)

Artikel 6 Grundordnung EKBO regelt das Beichtgeheimnis, die seelsorgliche Schweigepflicht und die Dienstverschwiegenheit
(1) Das Beichtgeheimnis ist unverbrüchlich. Ordinierte sind durch ihre Ordination verpflichtet, das Beichtgeheimnis zu wahren, auch vor Gericht. Nicht ordinierte Mitglieder der Kirchengemeinde haben ebenfalls die Verpflichtung, über das, was ihnen in einem Beicht- oder Seelsorgegespräch anvertraut wird, zu schweigen.
(2) Beichtgeheimnis und seelsorgliche Schweigepflicht stehen unter dem Schutz der Kirche.
(3) Zur Dienstverschwiegenheit verpflichtet sind alle kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Mitglieder aller kirchlichen Gremien über Angelegenheiten, die ihnen in Ausübung ihres Dienstes zur Kenntnis gelangen und die ihrer Natur nach oder auf besondere Anordnung vertraulich sind. Diese Pflicht besteht auch nach Beendigung des Dienstverhältnisses oder der Mitgliedschaft. Von ihr kann nur der oder die Dienstvorgesetzte oder das jeweilige Gremium entbinden.
Artikel 17 Absatz 5 Satz 2 Kirchenverfassung der EKM lautet:
„Sie [Ordinierte] haben das Beichtgeheimnis unverbrüchlich zu wahren und sind zur seelsorgerlichen Verschwiegenheit verpflichtet.“
Die ab dem 1. Januar 2020 geltende Kirchenverfassung Hannover hingegen enthält keine Regelung über das Beichtgeheimnis oder die Verschwiegenheitspflicht.
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2. Verweise auf staatliches Recht

Die Staatskirchenverträge enthalten eigenständige Gewährleistungen des Seelsorge- und Beichtgeheimnisses: Artikel 24 Vertrag zwischen dem Land Mecklenburg-Vorpommern und der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs und der Pommerschen Evangelischen Kirche vom 20. Januar 1994 (KABl S. 26; ABl. S. 114); Artikel 19 Vertrag zwischen dem Land Brandenburg und den Landeskirchen in Brandenburg (Evangelischer Kirchenvertrag Brandenburg) vom 8. November 1996 (KABl S. 86); Artikel 20 Vertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche vom 29. November 2005 (GVOBl. 2006 S. 181); vgl. auch § 1 Absatz 3 der Vereinbarung über die Wahrnehmung der evangelischen Seelsorge in den Justizvollzugseinrichtungen in Schleswig-Holstein vom 1. November 2019 (KABl. S. 520).
Gemäß § 53 Absatz 1 Nummer 1 Strafprozessordnung steht Geistlichen über das, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Seelsorger anvertraut worden oder bekanntgeworden ist, ein Zeugnisverweigerungsrecht zu. Gemäß § 139 Absatz 2 Strafgesetzbuch ist ein Geistlicher nicht verpflichtet, geplante Straftaten, von denen er in seiner Eigenschaft als Geistlicher erfahren hat, anzuzeigen. Für den Zivilprozess ergibt sich das Zeugnisverweigerungsrecht aus § 383 Absatz 1 Nummer 4 Zivilprozessordnung.
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3. Weitere rechtsvergleichende Hinweise

Auch in der katholischen Kirche ist das Beichtgeheimnis – geregelt im Codex Iuris Canonici (can. 983 § 1 CIC) – ein unverzichtbarer Grundsatz. Eine Verletzung des Beichtgeheimnisses ist mit der Exkommunikation belegt.