.Erläuterungen
Artikel 28
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Erläuterungen
zu Artikel 28 der Verfassung
Bearbeitungsstand: Juli 2023
####Artikel 28
Vertretung im Rechtsverkehr
1 Der Kirchengemeinderat vertritt die Kirchengemeinde im Rechtsverkehr. 2 Er wird durch zwei Mitglieder vertreten, von denen eines das vorsitzende oder das stellvertretende vorsitzende Mitglied sein muss. 3 Verpflichtungserklärungen bedürfen der Schriftform und sind mit dem Kirchensiegel zu versehen.
#Grundinformationen
##I. Textgeschichte
#1. Veränderungen
Die Vorschrift ist seit dem Inkrafttreten unverändert.
#2. Textentwicklung
Artikel 27: Vertretung im Rechtsverkehr
- Der Kirchengemeinderat vertritt die Kirchengemeinde im Rechtsverkehr durch zwei Mitglieder, von denen eines das vorsitzende Mitglied oder die Stellvertretung sein muss. Verpflichtungserklärungen bedürfen der Schriftform und sind mit dem Kirchensiegel zu versehen.
(1. Tagung der Verfassunggebenden Synode, Drucksache 5, Seite 17)
Artikel 29: Vertretung im Rechtsverkehr
- Der Kirchengemeinderat vertritt die Kirchengemeinde im Rechtsverkehr. Er wird durch zwei Mitglieder vertreten, von denen eines das vorsitzende Mitglied oder das stellvertretende vorsitzende Mitglied sein muss. Verpflichtungserklärungen bedürfen der Schriftform und sind mit dem Kirchensiegel zu versehen.
(2. Tagung der Verfassunggebenden Synode, Drucksache 3/II , Seite 20)
Der Entwurf zur 3. Tagung der Verfassunggebenden Synode enthält in Artikel 28 die aktuelle Fassung (Drucksache 4/III).
#3. Erläuterungen zum Entwurf der Verfassung
„In Artikel 27 wird geregelt, dass die Kirchengemeinde im Rechtsverkehr immer durch zwei Personen des Kirchengemeinderates vertreten wird.“
(1. Tagung der Verfassunggebenden Synode, Drucksache 5, Seite 77)
#4. Weitere Materialien (insbesondere des Verbandes)
Ausgangspunkt war die Frage nach einer Einzel- oder Gesamtvertretungsbefugnis der vorsitzenden Mitglieder. Zu klären war außerdem, ob im Rahmen der Gesamtvertretungsbefugnis die Entscheidung des Vorsitzenden zwingend mit seinem Stellvertreter oder mit einem weiteren Mitglied möglich sein sollte. In der Sitzung der UG Kirchengemeindeordnung der AG Verfassung am 20. Januar 2010 fiel die Entscheidung zugunsten der Gesamtvertretungsbefugnis durch den Vorsitzenden bzw. den stellvertretenden Vorsitzenden und ein weiteres Mitglied. Es wurde wie folgt formuliert: „Der Vorsitzende vertritt den Kirchenvorstand im Rechtsverkehr. Verpflichtungserklärungen sind wirksam, wenn sie von dem vorsitzenden Mitglied oder dessen Stellvertretung und einem weiteren Mitglied des Kirchenvorstandes unterschrieben und gesiegelt werden. Durch Satzung können Wertgrenzen festgelegt werden.“
Bereits mit Stand vom 10. Juni 2010 wurde die Norm jedoch von der Vertretung der Kirchengemeinde her aufgebaut, so dass der damalige Artikel 27 („Vertretung im Rechtsverkehr“) nun lautete: „Der Kirchengemeinderat vertritt die Kirchengemeinde im Rechtsverkehr durch das vorsitzende Mitglied oder die Stellvertretung und ein weiteres Mitglied. Verpflichtungserklärungen bedürfen der Schriftform und sind mit dem Kirchensiegel zu versehen.“
Die AG Verfassung wiederum entschied sich dafür, die Formulierung des damaligen Artikels 27 für die 1. Tagung der Verfassunggebenden Synode dem damaligen § 22 (jetzt § 23) KGO anzupassen, da dieser eindeutiger formuliert war: „Der Kirchengemeinderat vertritt die Kirchengemeinde im Rechtsverkehr durch zwei Mitglieder, von denen eines das vorsitzende Mitglied oder die Stellvertretung sein muss. Verpflichtungserklärungen bedürfen der Schriftform und sind mit dem Kirchensiegel zu versehen.“
Im Rahmen der 1. Tagung der Verfassunggebenden Synode wurde der Antrag (122) gestellt: „Artikel 27 Satz 1 wird neu gefasst: „Der Kirchengemeinderat vertritt die Kirchengemeinde durch das vorsitzende Mitglied oder die Stellvertretung und ein weiteres Mitglied.““ Zur Begründung wurde ausgeführt, dass dies den (damaligen) Artikeln 55 und 85 entspreche. Auch die NEK schlug in ihrer Stellungnahme für den Satz 1 diese Formulierung vor.
Der Rechtsausschuss lehnte den Antrag 122 in seiner Sitzung vom 18. und 19. März 2011 ab und empfahl stattdessen, Artikel 55 und 85 anzupassen. Es herrschte Einigkeit darüber, das Vier-Augen-Prinzip zwingend zu wahren. Die Empfehlung des Rechtsausschusses wurde in der Formulierung für die 2. Tagung der Verfassunggebenden Synode berücksichtigt. Diese Fassung wurde von der Steuerungsgruppe in der Sitzung vom 7. Juli 2011 übernommen.
Das NKA war noch immer der Auffassung, dass der Artikel missverständlich formuliert sei und sprach sich dafür aus, im Sinne des Antrags 122 gleichlautend mit den (damaligen) Artikeln 55 und 85 zu formulieren. Aus den Kirchenkreisen Dithmarschen und Nordfriesland kam die Auffassung, dass eine Einzelvertretungsbefugnis vollkommen ausreichend sei und die Verwaltung zudem entlaste.
Inhaltliche Änderungen wurden jedoch nicht mehr vorgenommen; in der neunten Sitzung des Rechtsausschusses vom 4. bis 6. November 2011 wurde lediglich eine redaktionelle Bearbeitung beschlossen: In Satz 2 sollte nach dem Wort „vorsitzende“ das Wort „Mitglied“ gestrichen werden.
#II. Vorgängervorschriften
#1. Verfassung der NEK
Artikel 14 Absatz 3 der Verfassung NEK lautete:
- 1 Der Kirchenvorstand vertritt die Kirchengemeinde in allen Angelegenheiten. 2 Im Rechtsverkehr handelt er durch das vorsitzende und ein weiteres Mitglied als gesetzlicher Vertreter der Kirchengemeinde. 3 Ist die bzw. der Vorsitzende verhindert, handeln die bzw. der stellvertretende Vorsitzende und ein weiteres Mitglied. 4 Erklärungen, durch die die Kirchengemeinde verpflichtet werden soll, bedürfen der Schriftform und sind mit dem Kirchensiegel zu versehen.
2. Entsprechende Normen der ELLM/PEK
§ 45 Kirchgemeindeordnung ELLM regelte die Vertretungsbefugnisse:
- (1) Die Kirchgemeinde und die örtlichen Kirchen werden im Rechtsverkehr durch den Vorsitzenden des Kirchgemeinderats vertreten, soweit nicht die Kirchenkreisverwaltung wegen der ihr durch die Kirchgemeindeordnung und die Finanzordnung übertragenen Aufgaben die Vertretung wahrnehmen muss.
- (2) Bei allen Rechtsgeschäften, für die der Kirchgemeinderat nach der Kirchgemeindeordnung und der Finanzordnung zuständig ist und die einer kirchenaufsichtlichen Genehmigung bedürfen, sind die Willenserklärungen rechtsgültig, wenn sie von beiden Vorsitzenden gemeinsam oder von einem der beiden Vorsitzenden und einem anderen Mitglied des Kirchgemeinderats abgegeben werden.
- (3) 1 Für Rechtsgeschäfte, die einer kirchenaufsichtlichen Genehmigung bedürfen, sind die erforderlichen Beschlüsse des Kirchgemeinderats und deren rechtswirksames Zustandekommen sowie die sonstigen gesetzlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen der Kirchenkreisverwaltung gegenüber wirksam nachzuweisen. 2 Aus Rechtsgeschäften, die entgegen den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 abgeschlossen werden, werden Kirchgemeinde und örtliche Kirchen nicht verpflichtet. 3 Die handelnden Personen haften persönlich nach dem allgemeinen Recht,
- (4) […]
Gemäß Artikel 63 Kirchenordnung PEK vertrat der Gemeindekirchenrat die Kirchengemeinde in Rechtsangelegenheiten, insbesondere auch vor Gericht. Artikel 68 Absatz 2 Nummer 8 enthielt die Regelung, dass Urkunden über Rechtsgeschäfte sowie Verträge, die die Kirchengemeinde Dritten gegenüber verpflichten sollen und Vollmachten sind namens der Kirchengemeinde von der oder dem Vorsitzenden oder der Stellvertreterin oder dem Stellvertreter unter Beidrückung des Siegels zu vollziehen; dadurch wird Dritten gegenüber die Gesetzmäßigkeit der Beschlussfassung festgestellt.
#3. Grundsätze zum Fusionsvertrag
Der Fusionsvertrag enthält keine Ausführungen zu der Vertretung im Rechtsverkehr.
#III. Ergänzende Vorschriften
#1. Normen mit Verfassungsrang
§ 23 KGO wiederholt den Wortlaut des Artikels 28.
#2. Einfache Kirchengesetze
Das von der Verfassunggebenden Synode beschlossene Siegelgesetz vom 8. Januar 2012 (KABl. S. 89) enthält weitere Regelungen zum Siegelwesen. Durch das beigedrückte Kirchensiegel wird festgestellt, dass die Unterzeichnenden im Rahmen ihrer Zuständigkeit oder Vertretungsmacht gehandelt haben und die der Erklärung zugrunde liegende Beschlüsse ordnungsgemäß gefasst worden sind (§ 2 SiegelG: Beweiskraft).
#IV. Zusammenhänge und Rechtsvergleich
#1. Verweise auf andere Verfassungsbestimmungen
Artikel 57 für die Vertretung des Kirchenkreises durch den Kirchenkreisrat sowie Artikel 88 für die Vertretung der Landeskirche durch die Kirchenleitung sind entsprechend formuliert.
#2. Verweise auf kirchliches Recht (außerhalb der Nordkirche)
Artikel 24 der Grundordnung der EKBO regelt die Vertretung im Rechtsverkehr:
- (1) Die Kirchengemeinde wird gerichtlich und außergerichtlich von dem Gemeindekirchenrat, dieser von der oder dem Vorsitzenden oder dem mit der Stellvertretung betrauten Mitglied vertreten.
- (2) Urkunden, durch die für die Kirchengemeinde rechtsverbindliche Erklärungen abgegeben werden, oder Vollmachten sind außerdem mit dem Siegel zu versehen.“
Die Kirchenverfassung der EKM regelt in Artikel 23 Absatz 2 Satz 1:
- „Der Vorsitzende des Gemeindekirchenrates und die mit dem Pfarrdienst Beauftragten vertreten die Kirchengemeinde gemeinsam in der Öffentlichkeit.“
Die ab dem 1. Januar 2020 gültige Kirchenverfassung Hannover wiederum enthält in Artikel 45 Absatz 2 folgende Regelung:
- „Der Kirchenvorstand vertritt die Kirchengemeinde gerichtlich und außergerichtlich.“
3. Verweise auf staatliches Recht
Auf staatlicher Seite liegt die Vertretungsbefugnis beim direkt gewählten haupt- oder ehrenamtlichen Bürgermeister.
So regelt § 51 Gemeindeordnung Schleswig-Holstein die gesetzliche Vertretung durch die ehrenamtliche Bürgermeisterin oder den Bürgermeister:
- (1) Die Bürgermeisterin oder der Bürgermeister ist gesetzliche Vertreterin oder gesetzlicher Vertreter der Gemeinde.(2) Erklärungen, durch die die Gemeinde verpflichtet werden soll, bedürfen der Schriftform. Sie sind von der Bürgermeisterin oder vom Bürgermeister, für deren oder dessen Vertretung § 52 a Abs. 1 gilt, handschriftlich zu unterzeichnen.(3) Wird für ein Geschäft oder für einen Kreis von Geschäften eine Bevollmächtigte oder ein Bevollmächtigter bestellt, so bedarf die Vollmacht der Form des Absatzes 2. Die im Rahmen dieser Vollmacht abgegebenen Erklärungen bedürfen der Schriftform.(4) Die Absätze 2 und 3 gelten nicht, wenn der Wert der Leistung der Gemeinde einen in der Hauptsatzung bestimmten Betrag nicht übersteigt.
Entsprechend bestimmt die Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern in § 39 Absatz 2 zum ehrenamtlichen Bürgermeister:
- (2) Der Bürgermeister ist gesetzlicher Vertreter der Gemeinde. Er nimmt die Aufgaben des Vorsitzenden der Gemeindevertretung wahr. Der Bürgermeister ist Dienstvorgesetzter der Gemeindebediensteten. Er kann einzelne Befugnisse nach Satz 3 übertragen. Erklärungen, durch die die Gemeinde verpflichtet werden soll oder mit denen eine Vollmacht erteilt wird, bedürfen der Schriftform. Sie sind vom Bürgermeister sowie einem seiner Stellvertreter handschriftlich zu unterzeichnen und mit dem Dienstsiegel zu versehen. Die Hauptsatzung kann Wertgrenzen bestimmen, bis zu denen es dieser Formvorschriften ganz oder teilweise nicht bedarf. Satz 6 gilt auch für die Ausfertigung von Urkunden nach beamtenrechtlichen Vorschriften und für den Abschluss von Arbeitsverträgen. Erklärungen, die diesen Formvorschriften nicht genügen, bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung durch die Gemeindevertretung. Die Zuständigkeiten des Amtsvorstehers bleiben unberührt. Verträge der Gemeinde mit Mitgliedern der Gemeindevertretung und der Ausschüsse bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung durch die Gemeindevertretung. Gleiches gilt für Verträge der Gemeinde mit natürlichen oder juristischen Personen oder Vereinigungen, die durch die in Satz 11 genannten Personen vertreten werden.