.Erläuterungen
Artikel 110
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Erläuterungen
zu Artikel 110 der Verfassung
Bearbeitungsstand: Juli 2022
###Abschnitt 8 – Rechtsetzung
#Artikel 110
Verfahren der Kirchengesetzgebung
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1 Vorlagen von Kirchengesetzen werden von der Kirchenleitung oder aus der Mitte der Landessynode eingebracht. 2 Vorlagen aus der Mitte der Landessynode bedürfen der Unterstützung von mindestens zehn Mitgliedern.
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Die Landessynode beschließt über ein Kirchengesetz in zwei Lesungen, die an verschiedenen Tagen stattfinden.
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Kirchengesetze zur Änderung der Verfassung bedürfen in der zweiten Lesung der Zustimmung von mindestens zwei Dritteln der Mitglieder der Landessynode.
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Kirchengesetze werden von dem vorsitzenden Mitglied der Kirchenleitung ausgefertigt und im Kirchlichen Amtsblatt verkündet.
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1 Kirchengesetze sollen den Tag ihres Inkrafttretens bestimmen. 2 Fehlt eine solche Bestimmung, so treten sie mit dem Ablauf des Tages in Kraft, an dem das Kirchliche Amtsblatt ausgegeben worden ist.
#Grundinformationen
##I. Textgeschichte
#1. Veränderungen
Die Vorschrift ist seit dem Inkrafttreten unverändert.
#2. Textentwicklung
Die Fassung des Entwurfs zur 1. Tagung der Verfassunggebenden Synode in Artikel 107 unterschied sich lediglich in Absatz 4, der damals lautete:
- (4) Kirchengesetze werden von der Landesbischöfin bzw. dem Landesbischof ausgefertigt und im Kirchlichen Amtsblatt verkündet.
(1. Tagung der Verfassunggebenden Synode, Drucksache 5, Seite 57)
Als Artikel 111 war die Vorschrift dann in ihrer endgültigen Fassung bereits im Entwurf zur 2. Tagung der Verfassunggebenden Synode vorhanden (Drucksache 3/II, Seite 59).
#3. Erläuterungen zum Entwurf der Verfassung
„Im Zusammenhang mit der Regelung des Verfahrens der Rechtssetzung in Artikel 107 wurde auch beraten, ob für ein Kirchengesetz, das die Verfassung ändert, drei Lesungen erforderlich sein sollen.“ (1. Tagung der Verfassunggebenden Synode, Drucksache 5, Seite 83)
#4. Weitere Materialien (insbesondere des Verbandes)
Der Entwurf vom 31. Mai 2010 lautete:
- (1) 1 Vorlagen von Kirchengesetzen werden von der Kirchenleitung oder aus der Mitte der Synode eingebracht. 2 Vorlagen aus der Mitte der Synode bedürfen der Unterstützung von mindestens zehn Mitgliedern.
- (2) Die Synode beschließt über ein Kirchengesetz in zwei Lesungen, die an verschiedenen Tagen stattfinden.
- (3) Kirchengesetze zur Änderung der Verfassung bedürfen in der zweiten Lesung der Zustimmung von mindestens zwei Dritteln der Mitglieder der Synode.
- (4) 1 Die Kirchenleitung und der Bischofsrat können gegen von der Synode beschlossene Kirchengesetze Einspruch einlegen. 2 Artikel 77 gilt entsprechend.
- (5) Kirchengesetze werden von der Landesbischöfin bzw. dem Landesbischof ausgefertigt und im Kirchlichen Amtsblatt verkündet.
- (6) 1 Kirchengesetze sollen den Tag ihres Inkrafttretens bestimmen. 2 Fehlt eine solche Bestimmung, so treten sie mit dem Ablauf des Tages in Kraft, an dem das Kirchliche Amtsblatt ausgegeben worden ist.
Dabei wurde noch angeregt, für verfassungsändernde Kirchengesetze sogar drei Lesungen durchzuführen. Die AG Verfassung stimmte in ihrer Sitzung vom 4. und 5. Juni 2010 jedoch dagegen. Die in Absatz 4 geregelte Einspruchsmöglichkeit entsprach dem Einspruch in Artikel 77, so dass einstimmig dafür gestimmt wurde, diese zu streichen.
Die NEK regte in ihrer Stellungnahme anlässlich der 1. Tagung der Verfassunggebenden Synode an, dass in Absatz 4 die Worte „der Landesbischöfin bzw. dem Landesbischof“ durch die Worte „der bzw. dem Vorsitzenden der Kirchenleitung“ ersetzt werden.
Der Kirchenkreis Dithmarschen war der Meinung, dass die nötigen Lesungen für ein Kirchengesetz nicht auf zwei aufeinanderfolgenden Tagen stattfinden sollten, da ein weiterführender Meinungsbildungsprozess so nicht möglich sei.
Prof. Blaschke hielt es für erforderlich, an dieser Stelle die Verwaltungsvorschriften sowie das Satzungsrecht der Kirchenkreise und Kirchengemeinden zu erwähnen.
Der Rechtsausschuss nahm in seiner Sitzung vom 24. bis 26. Juni 2011 zur Kenntnis, dass die Tradition der NEK von zwei Lesungen in die gemeinsame Kirche übernommen werde. Die einfache Mehrheit sei bei Kirchengesetzen ausreichend. Der Ausschuss empfahl, in Absatz 4 die Ausfertigung der Kirchengesetze durch die bzw. den Vorsitzenden der Kirchenleitung zu normieren.
Die Steuerungsgruppe übernahm diesen Vorschlag der NEK ebenfalls (Sitzung vom 25. und 26. August 2011).
#II. Vorgängervorschriften
#1. Verfassung der NEK
Artikel 69 der Verfassung der NEK regelte:
- (1) Vorlagen von Kirchengesetzen werden von der Kirchenleitung oder aus der Mitte der Synode mit einer Stellungnahme der Kirchenleitung eingebracht.
- (2) Die Synode beschließt über ein Kirchengesetz in zweimaliger Lesung an verschiedenen Tagen.
- (3) Änderungen der Verfassung bedürfen in der zweiten Lesung der Anwesenheit von drei Vierteln der Mitglieder der Synode und der Zustimmung von zwei Dritteln der Anwesenden.
2. Entsprechende Normen der ELLM/PEK
In § 7 Absatz 7 Leitungsgesetz ELLM fand sich die Regelung: „Kirchengesetze bedürfen einer dreimaligen Beratung und Beschlussfassung.“
Artikel 130 Absatz 7 der Kirchenordnung PEK regelte: „Kirchengesetze erfordern eine zweimalige Beratung und Beschlussfassung.“
#3. Grundsätze zum Fusionsvertrag
Aus den Grundsätzen zum Fusionsvertrag ergibt sich unter Punkt IV.2.1.2, dass das Recht der kirchlichen Gesetzgebung (Verfassung und Kirchengesetze) zu den Aufgaben der Synode gehört.
#III. Ergänzende Vorschriften
Abschnitt 4 der Geschäftsordnung der Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Geschäftsordnung Landessynode – LSynGeschO) vom 4. Dezember 2013 (KABl. 2014 S. 63, 127) befasst sich mit dem Bereich der Beratungen, Abstimmungen und Wahlen. Die Landessynode beschließt über eine Gesetzesvorlage in zweimaliger Lesung an verschiedenen Sitzungstagen (§ 21 Absatz 1).
Kirchengesetze und sonstige Beschlüsse der Landessynode werden von der Präsidentin bzw. vom Präsidenten des Landeskirchenamtes hinsichtlich der Notwendigkeit einer Beanstandung durch die Kirchenleitung überprüft. Das zuständige Dezernat hat sie dem vorsitzenden Mitglied der Kirchenleitung zur Ausfertigung vorzulegen und danach im Kirchlichen Amtsblatt zu verkünden (§ 24 Geschäftsordnung Landeskirchenamt).
#IV. Zusammenhänge und Rechtsvergleich
#1. Verweise auf kirchliches Recht (außerhalb der Nordkirche)
Artikel 71 der Grundordnung EKBO regelt das Gesetzgebungsverfahren:
- (1) Kirchengesetze werden in zwei Lesungen beraten und mit der Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen beschlossen.
- (2) 1 Bei Kirchengesetzen zur Änderung der Grundordnung müssen die Lesungen an verschiedenen Tagen stattfinden. 2 Diese Kirchengesetze bedürfen in den Schlussabstimmungen der Zustimmung von zwei Dritteln der Anwesenden und von mehr als der Hälfte der Mitglieder der Landessynode.
- (3) 1 Kirchengesetze werden von der oder dem Präses im Kirchlichen Amtsblatt bekannt gemacht. 2 Sie treten, wenn nichts anderes bestimmt ist, am vierzehnten Tag nach dem Tag der Ausgabe des Kirchlichen Amtsblattes in Kraft. 3 Ist die Bekanntmachung im Kirchlichen Amtsblatt nicht oder nicht rechtzeitig möglich, so ist auf anderen Wegen für eine möglichst umfassende Bekanntgabe zu sorgen. 4 In diesem Fall treten Kirchengesetze, wenn nichts anderes bestimmt ist, einen Monat nach der Beschlussfassung in Kraft.
In der Kirchenverfassung der EKM findet sich die Regelung zum Gesetzgebungsverfahren in Artikel 81:
- (1) 1 Die Landessynode beschließt Kirchengesetze aufgrund von Vorlagen, die aus ihrer Mitte, vom Landeskirchenrat oder vom Kollegium des Landeskirchenamtes eingebracht werden. 2 Vorlagen aus der Mitte der Landessynode bedürfen der Unterstützung von mindestens zehn ihrer Mitglieder. 3 Vorlagen des Kollegiums des Landeskirchenamtes und aus der Mitte der Landesynode sind vor ihrer Einbringung dem Landeskirchenrat zur Stellungnahme vorzulegen.
- (2) Kirchengesetze erfordern zweimalige Lesung.
- (3) 1 In der ersten Lesung beschließt die Landessynode, ob der Entwurf in die Ausschussberatung zu verweisen ist. 2 In die Ausschussberatung sind Abänderungsanträge einzubeziehen. 3 Kommt eine Überweisung in die Ausschussberatung nicht zustande, ist die Vorlage abgelehnt.
- (4) 1 Die zweite Lesung erfolgt frühestens am Tag nach Abschluss der ersten Lesung. 2 Gegenstand der zweiten Lesung ist der Entwurf des Kirchengesetzes in der Fassung des federführenden Ausschusses. 3 An die zweite Lesung schließt sich die Schlussabstimmung an, durch die der Wortlaut des Kirchengesetzes endgültig festgestellt wird.
- (5) 1 Kirchengesetze werden von dem Landesbischof und dem Präses der Landessynode unterzeichnet. 2 Sie werden im Kirchlichen Amtsblatt verkündet, sofern nicht die Landessynode ausnahmsweise eine andere Form der Verkündung beschließt. 3 Sie treten, wenn nichts anderes bestimmt ist, mit dem siebten Tag nach Ablauf des Tages in Kraft, an dem das Amtsblatt ausgegeben ist.
- (6) Schreib- oder Druckfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten in Kirchengesetzen kann das Landeskirchenamt vor oder nach der Verkündung berichtigen.
Artikel 69 der Kirchenverfassung Hannover lautet: Verfahren der Gesetzgebung
- (1) Die Gesetzgebung ist Aufgabe der Landessynode.
- (2) 1 Gesetzentwürfe werden aus der Mitte der Landessynode oder vom Landeskirchenamt eingebracht. 2 Gesetzentwürfe aus der Mitte der Landessynode bedürfen der Unterstützung von mindestens 15 Mitgliedern der Landessynode.
- (3) Gesetzentwürfen ist eine Begründung beizufügen.
2. Verweise auf staatliches Recht
Gesetzesentwürfe auf Bundesebene können von der Bundesregierung, vom Bundesrat oder aus der Mitte des Bundestages, der die Gesetze in drei Lesungen beschließt, eingebracht werden (Artikel 77, 78 GG). Artikel 82 GG bestimmt zur Ausfertigung und zum Inkrafttreten:
- (1) Die nach den Vorschriften dieses Grundgesetzes zustande gekommenen Gesetze werden vom Bundespräsidenten nach Gegenzeichnung ausgefertigt und im Bundesgesetzblatte verkündet. Rechtsverordnungen werden von der Stelle, die sie erlässt, ausgefertigt und vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung im Bundesgesetzblatte verkündet.
- (2) Jedes Gesetz und jede Rechtsverordnung soll den Tag des Inkrafttretens bestimmen. Fehlt eine solche Bestimmung, so treten sie mit dem vierzehnten Tage nach Ablauf des Tages in Kraft, an dem das Bundesgesetzblatt ausgegeben worden ist.