.Erläuterungen
Artikel 109
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Erläuterungen
zu Artikel 109 der Verfassung
Bearbeitungsstand: Juli 2022
####Artikel 109
Beanstandung
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1
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1 Die Präsidentin bzw. der Präsident kann einen Beschluss des Kollegiums oder eines hauptamtlichen Mitgliedes des Kollegiums innerhalb von zwei Wochen und vor seiner Ausführung beanstanden. 2 Die Beanstandung hat aufschiebende Wirkung. 3 Der Beschluss wird wirksam, wenn und soweit er von der Mehrheit der Mitglieder des Kollegiums in erneuter Sitzung bestätigt wird.
(
2
)
1 Die Kirchenleitung kann Beschlüsse des Landeskirchenamtes beanstanden. 2 Die Beanstandung hat aufschiebende Wirkung. 3 Wenn und soweit das Kollegium beanstandete Beschlüsse in erneuter Sitzung bestätigt, entscheidet die Kirchenleitung.
#Grundinformationen
##I. Textgeschichte
#1. Veränderungen
Die Vorschrift ist seit dem Inkrafttreten unverändert.
#2. Textentwicklung
Im Entwurf zur 1. Tagung der Verfassunggebenden Synode war die Vorschrift als Artikel 106 enthalten (Drucksache 5, Seite 56).
Im Entwurf zur 2. Tagung der Verfassunggebenden Synode war die Regelung in Artikel 110, sie war wortgleich mit dem Entwurf der 1. Tagung (Drucksache 3/II, Seite 59).
Im Entwurf zur 3. Tagung wurden lediglich die Worte „und soweit“ in Absatz 1 Satz 2 ergänzt (Drucksache 4/III).
#3. Erläuterungen zum Entwurf der Verfassung
Die Erläuterungen zum Entwurf der Verfassung enthalten keine Ausführungen zum Beanstandungsrecht des damaligen Artikels 106.
#4. Weitere Materialien (insbesondere des Verbandes)
In der Sitzung des Rechtsausschusses vom 24. bis 26. Juni 2011 wurde eine Grundsatzdiskussion über das Beanstandungsrecht geführt und länger zu Absatz 1 Satz 3 „erneute Sitzung“ beraten. Anträge wurden nicht gestellt. Die Bearbeitung der Vorschrift durch den Rechtsausschuss enthält aber erstmalig die zusätzliche Formulierung „und soweit“ auch in Absatz 1 Satz 3, was von der Steuerungsgruppe und der Gemeinsamen Kirchenleitung zunächst jedoch nicht übernommen wurde.
In der Sitzung des Rechtausschusses vom 4. bis 6. November 2011 wurde hinterfragt, warum nur in dieser Beanstandungsnorm das Merkmal „vor seiner Ausführung“ genannt werde. Es sei die einzige Kann-Bestimmung, während die anderen Beanstandungsvorschriften jeweils die Pflicht zur Beanstandung enthalten, um Rechts- und Bekenntniswidrigkeit zu verhindern. Hier ginge es um umfassende Beanstandung innerhalb der kirchlichen Oberbehörde; diese Regelung gebe auch die Ergebnisse des Fusionsvertrags wieder, der das Kollegialprinzip mit Elementen des Präsidialprinzips verbinde. Aus diesem Grund wurde vorgeschlagen, die Überschrift zu ändern, um eine Abgrenzung zu den anderen Beanstandungspflichten zu erreichen, es wurden jedoch ausdrücklich keine Anträge gestellt.
Der Hinweis, die Wörter „und soweit“ in Absatz 1 Satz 3 einzufügen, kam als redaktionelle Anmerkung aus dem Rechtsdezernat des Landeskirchenamts.
#II. Vorgängervorschriften
#1. Verfassung der NEK
Artikel 106 der Verfassung der NEK lautete:
- (1) Das Nordelbische Kirchenamt beschließt als Kollegium insbesondere über
- Vorlagen an die Kirchenleitung,
- Erlass von Verwaltungsvorschriften,
- Maßnahmen der Aufsicht nach Artikel 104,
- Entscheidungen über Rechtsbehelfe,
- Anerkennung selbstständiger kirchlicher Stiftungen.
- (2) Soweit nicht das Kollegium zuständig ist, führen seine Mitglieder ihren Geschäftsbereich in eigener Verantwortung.
- (3) 1 Gegen Entscheidungen nach Absatz 2 kann Widerspruch eingelegt werden. 2 Wird dem Widerspruch nicht abgeholfen, entscheidet das Kollegium.
2. Entsprechende Normen der ELLM/PEK
Weder das Leitungsgesetz ELLM noch die Kirchenordnung PEK enthielten vergleichbare Regelungen.
#3. Grundsätze zum Fusionsvertrag
Der Fusionsvertrag enthält keine Grundsätze zur Beanstandung.
#III. Ergänzende Vorschriften
#1. Normen mit Verfassungsrang
Nach Artikel 86 Absatz 2 Nr. 9 führt die Kirchenleitung die Aufsicht über das Landeskirchenamt.
#2. Untergesetzliche Normen
§ 15 Absatz 7 der Geschäftsordnung des Landeskirchenamts der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Geschäftsordnung Landeskirchenamt – LKAGeschO) vom 21. November 2019 (KABl. S. 570; 2020 S. 68) wiederholt die Verfassungsbestimmungen.
#IV. Zusammenhänge und Rechtsvergleich
#1. Verweise auf andere Verfassungsbestimmungen
Auf der Ebene der Landeskirche bestehen weitere Beanstandungsregelungen:
Nach Artikel 79 können die Kirchenleitung oder der Bischofsrat einen Beschluss der Landessynode beanstanden. In Artikel 100 Absatz 3 finden sich die Regelungen für die Vorgehensweise des Bischofsrats bei der Entscheidung über eine Beanstandung. Artikel 87 regelt die Beanstandung eines Beschlusses der Kirchenleitung.
Regelungen zur Beanstandung finden sich auch auf allen Ebenen der Nordkirche:
In Artikel 27 ist die Beanstandung auf der Ebene der Kirchengemeinde geregelt, in Artikel 47 die Beanstandung eines Beschlusses der Kirchenkreissynode durch den Kirchenkreisrat, in Artikel 55 wiederum die Beanstandung eines Beschlusses des Kirchenkreisrats. Zusätzlich nennt Artikel 106 Absatz 4 Nummer 1 als Maßnahmen der Aufsicht durch das Landeskirchenamt die Beanstandung und die Aufhebung rechtswidriger Beschlüsse.
#2. Verweise auf kirchliches Recht (außerhalb der Nordkirche)
In der Grundordnung der EKBO findet sich keine vergleichbare Regelung. Gleiches gilt für die Kirchenverfassung der EKM und die Kirchenverfassung der Landeskirche Hannovers.