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Kirchengericht:Verfassungs- und Verwaltungsgericht der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland
Entscheidungsform:Urteil (rechtskräftig)
Datum:20.11.2023
Aktenzeichen:NK-VG I 5/2022
Rechtsgrundlage:§ 4 Absatz 1 und § 7 Absatz 1 VerfVwGG, Artikel 45 Absatz 2 Verfassung
Vorinstanzen:Parallelverfahren zu NK-VG I 6/2022, NK-VG 8/2022 und NK-VG 15/2022; vgl. auch Urteil vom 16.05.2022 NK-VG I 6/2020; anhängig: Verfassungs- und Verwaltungsgericht der VELKD RVG 3/2024
Schlagworte:
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Leitsatz:

1. Artikel 45 Absatz 2 der Verfassung räumt grundsätzlich nur der Synode selbst ein – dann ggf. auch im Wege des Organstreits geltend zu machendes – Recht auf Information, auf Beratung und Beschlussfassung ein, wobei diese Ansprüche sich auch gegen jedes weitere Organ des Kirchenkreises richten können.
2. In § 7 VerfVwGG ist ein numerus clausus der statthaften Verwaltungsgerichtsverfahren festgelegt, unter denen ein „einfachgesetzliches“ Organstreitverfahren nicht auftaucht.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben; eine Auslagenerstattung findet nicht statt.

Gründe:

Tatbestand

Die Klägerin, seit 20XX Synodalin der Kirchenkreissynode des Kirchenkreises A, wendet sich gegen verschiedene Handlungen bzw. Unterlassungen des Präses dieser Synode insbesondere im Zusammenhang mit Tagungen der Synode am 27.11.2021 sowie 19.03.2022 und 15.06.2022 und begehrt die Feststellung, dass das beklagte Präsidium der Synode sie durch die beanstandeten Vorgänge in ihren Rechten als Synodalin verletzt habe.
Der Vorsitzende des beklagten Präsidiums der Synode ist Rechtsanwalt und als solcher Partner einer Rechtsanwaltskanzlei, die 2019 auch von der B gGmbH mandatiert wurde; zugleich vertritt er selbst den Kirchenkreis in verschiedenen Verfahren – u. a. dem vorliegenden – anwaltlich.
Auf der Tagung der Synode vom 27.11.2021 gab die Klägerin nach ihrem Vortrag zwei Protokollerklärungen (Anlage 2 und 9 zur Klagschrift vom 18.05.2022) ab, die nicht dem an die Synodalen versandten Protokoll beigefügt worden waren. Auf der Tagung vom 19.03.2022 forderte die Klägerin sodann die Aufnahme dieser Erklärungen in das Protokoll vom 27.11.2021, woraufhin Anl. 2 sodann im Mai 2022 an die Synodalen versandt wurde, ohne dass sie im Protokoll vom 27.11.2021 erwähnt würde. Hinsichtlich Anl. 9 habe der Beklagte die Versendung weiter verweigert und gegen den Willen der Klägerin ihr Begehren, auch diese Anlage beizufügen, als Antrag auf Protokollberichtigung gewertet und zur Abstimmung gestellt.
Weiter habe sie am 19.03.2022 eine Protokollerklärung mit vier Fragen (Anl. 10a/b zur Klagschrift) verfasst, diese seien im Protokoll vom 19.03.2022, wie am 12.05.2022 versandt, nicht erwähnt und ihm auch nicht beigefügt.
Auf diesen Sachverhalt beziehen sich die unten angeführten Klaganträge zu 1 – 3.
Vor der Synode vom 15.06.2022 teilte die Klägerin dem Landeskirchenamt mit, dass sie Bedenken gegen eine unparteiische Sitzungsleitung durch den Vorsitzenden des Präsidiums der Synode habe und strengte insoweit auch Dienstaufsichtsbeschwerden an; das Landeskirchenamt lehnte ein Einschreiten ab.
Über die im Antrag zu 3 erwähnten Berichtigungsanträge der Klägerin sei es auf Veranlassung des Präses zu einer ermüdenden Abstimmung gekommen; in diesem Zusammenhang habe der Präses schließlich erklärt, er empfehle, die Anträge abzulehnen. Die Klägerin meint, dass dem Präses daraufhin ein Ordnungsruf zu erteilen gewesen wäre (s. u. Antrag zu 4). Gleiches gelte, soweit der Präses sodann nicht für die im Antrag zu 5 zitierten Äußerungen gerügt worden sei.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Synode nicht bzw. nicht hinreichend über die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der B gGmbH informiert worden sei, die zur Vorbereitung der Tagungen der Synode übermittelten Unterlagen hätten die wirtschaftlichen Probleme nicht erkennen lassen (Antrag 6).
Obwohl die Synode im Juni 2021 beschlossen habe, ein Mitgliederverzeichnis mit Anschriften und Telefonnummern zu erstellen, habe der Präses des Beklagten am 15.06.2022 erklärt, dass das Präsidium beschlossen habe, dies erst in der nächsten Legislaturperiode zu tun – dies sei pflichtwidrig gewesen (Antrag zu 7).
Der Umfang dessen, was in Synodenprotokolle aufgenommen werde, werde immer geringer, insbesondere fehlten Einzelheiten, wenn sie dem Kirchenkreisrat nachteilig seien. Solche Punkte – wie im Antrag zu 8 exemplarisch mit Bezug auf die Tagung der Synode vom 27.11.2021 aufgeführt – seien jedoch aufzunehmen.
Die anwaltliche Tätigkeit des Präses des Beklagten und seine Stellung als Präses seien unvereinbar (Antrag zu 9).
Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihre Anträge sämtlich im Wege der Organklage zulässig seien – die entsprechenden subjektiven Rechte folgten aus den zitierten Vorschriften der Geschäftsordnung der Synode des Kirchenkreises A bzw. der Verfassung der Nordkirche. Der Beklagte habe jeweils durch die als rechtswidrig beanstandeten Handlungen ihre Rechte als Synodalin auf sachgerechte und informierte Mitwirkung an Beratungen und Abstimmungen der Synode beeinträchtigt.
Nach mehrfachen Umstellungen der Anträge beantragt sie zuletzt:
1a) Festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, die auf der Synode vom 27.11.2021 unter TOP „Verschiedenes“ abgegebene Protokollerklärung der Klägerin der Niederschrift jener Tagung beizufügen und im Protokoll auf sie hinzuweisen.
1b) Festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, die auf der Synode vom 19.03.2022 unter TOP 11.1 „Bericht des Kirchenkreisrates“ abgegebene Protokollerklärung der Klägerin der Niederschrift jener Tagung beizufügen und im Protokoll auf sie hinzuweisen.
2a) Festzustellen, dass, weil dem Beklagten am 19.03.2022 kein Antrag der Klägerin nach § 13 Abs. 7 S. 1 i. V. m. S. 2 GeschO-Syn vorlag und er trotzdem die Protokollerklärung zur Rücktrittsforderung in einen Protokollberichtigungsantrag umdeutete und gegen den ausdrücklichen Willen der Klägerin zur Abstimmung stellte und dann die Niederschrift der Abstimmung über einen Antrag, den die Klägerin nicht gestellt hatte, mit zweimaligem Gebrauch ihres Namens im Synodenprotokoll genehmigte, die Klägerin als Synodale in ihrem organschaftlichen Recht aus § 13 Abs. 7 S. 1 GeschO-Syn, keinen Antrag zu stellen und in ihrem Selbstbestimmungsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzt hat.
2b) Festzustellen, dass der Beklagte vor dem 19.03.2022 die Protokollerklärung der Klägerin vom 27.11.2022 zur Verschiebung von Tagesordnungspunkten nicht mit dem Protokoll als Synodenunterlage zur nächsten Tagung versandte, aber am 19.03.2022 bestätigte, die Protokollerklärung werde als Anlage zum Protokoll genommen und sie erst am 12.05.2022, aber nicht als Anhang des Protokolls vom 27.11.2021, an die Synodalen verschickte und er so bis zum 12.05.2022 verhinderte, dass die Synodalen den Inhalt der Protokollerklärung nachlesen konnten und den Zusammenhang zwischen den Gründen des Verschiebungsantrages der Rücktrittsforderung, der 1. Dienstaufsichtsbeschwerde und den am 19.03.2022 gestellten vier Fragen erkennen konnten, die Klägerin in ihren parlamentarischen Mitwirkungsrechten aus §§ 2 Abs. 2 und 3, 15 Abs. 1 S. 2 GeschO-Syn verletzt hat.
3.) Festzustellen, dass der Beklagte seit dem 15.06.2022 verpflichtet ist, das Protokoll vom 19.03.2022 wie folgt zu korrigieren:
a) auf S. 4 im TOP 7 Nr. 1 Z. 1 die Worte „Auf Antrag“ zu entfernen und durch die Worte „Auf die Forderung“ zu ersetzen,
b) auf S. 4 im TOP 7 das Wort „beantragt“ durch „verlangt“ zu ersetzen,
c) auf S. 7 Abs. 10 nach den Worten „Frau H spricht als erste und fragt“ die Worte „nach dem Zeitpunkt, an dem die Synode zum ersten Mal über die Lage beim B erfahren hat, und nach einem Zuschuss in Höhe von € XXX.XXX,- jährlich, der dem B seit 2018 gewährt worden ist“ zu streichen und statt dessen die Worte „wann in dieser Legislaturperiode der Kirchenkreisrat über das wirtschaftliche Debakel in der B gGmbH berichtet hat“ einzufügen,
d) „die weiteren Fragen der Anl. 10a, nämlich die Fragen Nr. 2, 3 und 4 auf S. 10 im Anschluss an die Korrektur nach Antrag 3c in indirekter Rede wiederzugeben und dass der Beklagte die Klägerin durch seine Untätigkeit in ihrem Recht aus Art. 44 Verf-Nordkirche i. V. m. §§ 2 Abs. 2 und 3, 15 Abs. 1 S. 2 GeschO-Syn und in ihrem Selbstbestimmungsrecht verletzt hat.
4.) Festzustellen, dass der Beklagte am 15.06.2022 verpflichtet war, sein Ermessen darüber, ob er mit einem Ordnungsruf oder einer Rüge einschreite, nachdem sein Vorsitzender der Synode empfohlen hatte, die Berichtigungsanträge der Klägerin zum Protokoll vom 19.03.2022 abzulehnen, fehlerfrei zu gebrauchen und dadurch, dass er keine Rüge oder einen Ordnungsruf erteilte, sein Ermessen fehlerhaft gebrauchte und so gegen seine Pflicht, in der Sitzungsleitung auf die Einhaltung von Regeln zu achten, verstieß und dadurch die Klägerin in ihrem Recht auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung nach §§ 15 Abs. 4, 14 Abs. 1 GeschO-Syn verletzt hat.
5.) Festzustellen, dass der Beklagte am 15.06.2022 verpflichtet war, sein Ermessen darüber, ob er mit einer Rüge einschreite, nachdem sein Vorsitzender zur Klägerin sagte, „er könne sie nicht ertragen, er könne ihre Handlungen nicht ertragen, er könne ihr Gehabe nicht ertragen, er könne ihr Zur-Schau-Stellen nicht ertragen“, fehlerfrei zu gebrauchen und dadurch, dass er keine Rüge erteilte, sein Ermessen fehlerhaft gebrauchte und so gegen seine Pflicht, in der Sitzungsleitung auf die Einhaltung von Regeln zu achten, verstieß und dadurch die Klägerin in ihrem Recht auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung nach §§ 15 Abs. 4, 14 Abs. 1 GeschO-Syn verletzt hat.
6.) Festzustellen, dass der Beklagte seit Oktober 2018 verpflichtet war, in den Synodenvorbereitungen dafür zu sorgen, dass die zusammengestellten Unterlagen zu allen Beschlussvorlagen zu Haushalten, Jahresabschlüssen, Darlehensaufnahmen oder erheblichen Investitionen Informationen über den schlechten finanziellen und wirtschaftlichen Zustand der B gGmbH enthielten, insbesondere zur Märzsynode 2021 und er, weil er der Klägerin diese Informationen vorenthielt, sie in ihrem Recht aus §§ 2 Abs. 3, 1 Abs. 1 i. V. m. 14 Abs. 3, Abs. 2 GeschO-Syn i. V. m. Art. 50 Verf-Nordkirche und ihrem Recht, dass ihr keine Informationen vorenthalten werden, die sie zur sachgerechten Beurteilung eines Haushaltsplans braucht (BVerfGE 70, 324 (355)), verletzt hat.
7.) Festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet war, die Umsetzung des Synodenbeschlusses, ein Mitgliederverzeichnis mit Anschriften und Telefonnummern entsprechend den nordkirchlichen Datenschutzvorschriften zu erstellen, zu unterstützen.
8.) Festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, bei seinen Entscheidungen über die Genehmigung von Synodenprotokollen sein Ermessen darüber, was zur Ermöglichung der freien Willensbildung der Synodalen wegen des Teilnahmerechts jedes einzelnen an der Synode und Abstimmungen und des Status des Synodalen aus Art. 44 i. V. m. 45 Verf-Nordkirche als wichtig in die Niederschrift aufgenommen werden muss, fehlerfrei zu gebrauchen und dadurch, dass er am 27.11.2021 und am 15.06.2022 Protokolle genehmigte, die Informationen über auf der Tagung verhandelte oder vorgebrachte Gegenstände zum Kompetenzbereich aus Art. 45 Abs. 3 Nr. 10 und Nr. 11 Verf-Nordkirche, wie etwa
- eine um Jahre verspätete Information des Finanzausschusses der Synode über die defizitäre Lage eines Tochterunternehmens,
- eine Kenntnis des Kirchenkreises über die defizitäre Lage eines Tochterunternehmens, bei gleichzeitiger Unkenntnis des Finanzausschusses zur Zeit der Abstimmungen über eine Neuinvestition in Millionenhöhe,
- der Frage, wie Verbindlichkeiten eines Tochterunternehmens i. H. v.
€ X.XXX.XXX,- abgebaut werden könnten.
- der positiven schriftlichen Antwort eines Kirchenkreisratsvorsitzenden auf schriftliche Fragen aus der Synode an den Finanzleiter nach der Wirtschaftlichkeit von Einrichtungen eines Tochterunternehmens und ob deren Gewinn für Zins und Tilgung reiche, kurz vor der Abstimmung über eine erhebliche Investition,
- Informationen aus der Synode zur Überschuldung eines Tochterunternehmens, den Reaktionen auf die Überschuldung und weiteren möglichen Folgen,
- der Gegenrede des Synodenpräses kurz vor einer Abstimmung über einen Antrag, Ausführungen der Antragsbegründung zum Kompetenzbereich aus Art. 45 Abs. 3 Nrn. 19 und 11 Verf-Nordkirche seien inhaltlich durchaus angreifbar,
- den Forderungsbestand des Kirchenkreises gegen ein Tochterunternehmen in Millionenhöhe,
- und darüber, dass, wenn derartige Erklärungen nicht Protokollinhalt sind, es darauf hinweisen muss, dass sie Inhalt genau benannter Synodenunterlagen sind,
nicht enthielten und auch keinen Hinweis enthielten, dass derartige Informationen Inhalt genau benannter Synodenunterlagen seien, sein Ermessen fehlerhaft gebrauchte und dadurch die Klägerin in ihrem Recht auf Teilnahme an fehlerfrei vorbereiteten Abstimmungen (§§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 3 i. V. m. 17 Abs. 5 S. 1, 13 Abs. 2 S. 1) in ihrem Status aus Art. 44 Verf-Nordkirche und in ihrem Recht darauf, dass ihr keine Informationen vorenthalten werden, die ihr eine sachgerechte Beurteilung eines Haushaltsplanes ermöglichen (BVerfGE 70, 324 (355)), verletzt hat.
9.) Festzustellen, dass der Beklagte am 15.06.2022 verpflichtet war, sein Ermessen über die Erteilung einer für wirksame Beschlüsse notwendigen Anordnung nach § 15 Abs. 1 i. V. m. 4 Abs. 2 S. 2 GeschO-Syn zur Frage, ob sein Vorsitzender an den Beratungen oder Abstimmungen zu den Protokollberichtigungsanträgen der Klägerin oder zur Situation der gGmbH teilnehmen könne, obwohl der Kirchenkreisrat und die gGmbH Mandanten seiner Kanzlei seien, fehlerfrei auszuüben und weil er nicht erklärt hat, dass sein Vorsitzender an den Beratungen und Abstimmungen zu den Protokollberichtigungsanträgen der Klägerin oder zur Situation der gGmbH nicht teilnehmen könne, die Klägerin in ihrem Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Erteilung der für wirksame Beschlüsse notwendigen Anordnung nach § 15 Abs. 1 i. V. m. 4 Abs. 2 S. 2 GeschO-Syn und auf Teilnahme an ermessensfehlerfrei vorbereiteten und durchgeführten Sitzungen aus §§ 2 Abs. 3 S. 2 i. V. m. 1 Abs. 1 GeschO-Syn verletzt hat.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass sämtliche Anträge der Klägerin schon mangels Rechtswegeröffnung bzw. mangels einer statthaften Klage bzw. jedenfalls in Ermangelung einer Klagebefugnis unzulässig seien.
Im Übrigen stellt er die Sachverhaltsdarstellung der Klägerin in weiten Teilen streitig; wegen der Einzelheiten wird insoweit Bezug genommen auf die Darstellung im Schriftsatz des Beklagten vom 12.12.2022.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist als unzulässig abzuweisen.
1.) Allerdings sind die Anträge der Klägerin statthaft, obwohl sie von ihr als Synodalin gegen das Präsidium der Synode angebracht worden sind, während grundsätzlich ein Rechtsstreit nur zwischen verschiedenen Rechtsträgern angestrengt werden kann. Nach §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 4 Abs. 1 VerfVwGG (i. V. m. Art. 127 Abs. 1 Verf. Nordkirche) ist jedoch der Organstreit auf Ebene des Verfassungsrechts eine statthafte Klageart, und einen solchen hat die Klägerin hier angestrengt, indem sie die Verletzung ihrer Rechte als Synodalin des beklagten Kirchenkreises durch ein anderes Organ gerügt hat.
2.) Der Klägerin steht jedoch kein subjektives Recht im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 3 VerfVwGG zu, dessen Verletzung sie vorliegend rügen könnte.
In Betracht kommen hier – wie die Kammer schon in ihrer Entscheidung im Verfahren NK-VG I 6/2020 ausgeführt hat und woran sie festhält – allein die Regelung des Art. 45 Abs. 2 Verf. Nordkirche: „Die Kirchenkreissynode berät und beschließt im Rahmen des Kirchenrechtes über die Angelegenheiten des Kirchenkreises. Sie kann sich über alle Angelegenheiten des Kirchenkreises unterrichten lassen und sich an die Öffentlichkeit wenden.“
Nach Auffassung der Kammer räumt die Vorschrift grundsätzlich nur der Synode selbst ein – dann ggf. auch im Wege des Organstreits geltend zu machendes – Recht auf Information, auf Beratung und Beschlussfassung ein, wobei diese Ansprüche sich auch gegen jedes weitere Organ des Kirchenkreises richten können, vorliegend also auch gegen das beklagte Präsidium der Kirchenkreissynode. Die Kammer nimmt insoweit Bezug auf ihre Ausführungen im Urteil in Sachen NK-VG I 6/2020:
„Für diese Auslegung spricht zunächst der Wortlaut der Vorschrift: Das „Sie“ zu Beginn des Satzes 2 bezieht sich denkbar eindeutig auf die Synode an sich und nicht auf die einzelnen Synodalen.
Auch die Systematik der Vorschrift deutet eher auf ein dem Kollektiv der Synodalen zugewiesenes Recht hin: Wie die Beklagte zutreffend ausführt, liegt die Annahme, dass Art. 45 Abs. 2 S. 2 Verf. Nordkirche das zweite dort geregelte Recht dem einzelnen Synodalen zuordnen wollte eher fern, denn dies würde bedeuten, dass tatsächlich jedes einzelne Mitglied der Synode sich in deren Namen an die Öffentlichkeit wenden könnte – eine bei der in jedem vielköpfigen Gremium zu erwartenden Meinungsvielfalt (gerade zu umstrittenen Fragen) ganz fernliegende Annahme.
Auch ein Vergleich mit Regelungen aus dem staatlichen Bereich legt sehr nahe, dass der Informationsanspruch nicht dem einzelnen Synodalen zugewiesen ist.
Insbesondere ein Vergleich mit den Informationsrechten von Parlamentsabgeordneten verdeutlicht – auch wenn die Parallelen nur vorsichtig zu ziehen sind, da die Kirchenkreissynode eher einem Kreistag oder einer Gemeindevertretung vergleichbar ist – , dass ein Recht zur Einforderung von Informationen dem einzelnen Mitglied eines solchen Gremiums regelmäßig nicht kraft einer allgemeinen Regelung zur Information des Gremiums durch die Verwaltung zusteht, sondern dies vielmehr eine spezifische Regelung im Gesetz oder doch wenigstens in einer Geschäftsordnung des Gremiums voraussetzt.
So ist für den Bundestag anerkannt, dass – obgleich das Grundgesetz keinen Art. 45 Abs. 2 S. 2 Verf. Nordkirche vergleichbaren expliziten Informationsanspruch enthält – der einzelne Abgeordnete zur Mitwirkung an den Aufgaben des Bundestages der dazu erforderlichen Informationen bedarf. Gleichwohl werden die in der Geschäftsordnung des Bundestages (insbesondere §§ 100 ff.) ausgestalteten Informationsrechte zwar als mitgliedschaftliche Rechte verstanden, deren Geltendmachung (so bei großen und kleinen Anfragen) aber an das Zusammenwirken mehrerer Abgeordneter geknüpft, um die Arbeitsfähigkeit der Verwaltung zu sichern (vgl. Maunz/Dürig/Herzog/Scholz-Klein/Schwarz, Grundgesetz, 94. Lieferung Januar 2021, Art. 38, Rn. 261 m. w. N.). Fragen einzelner Abgeordneter lässt die Geschäftsordnung des Bundestages nur sehr eingeschränkt zu (§ 105 GO-BT i. V. m. Anl. 4).
Selbst soweit Landesverfassungen (so etwa die Thüringische Verfassung in Art. 53 Abs. 2 und Art. 67) dem einzelnen Abgeordneten ausdrücklich das Recht auf Anfragen an die Regierung einräumen, wird hieraus nicht die Befugnis zur Einforderung ganz konkreter Unterlagen hergeleitet (BVerfG, 2 BvQ 6/95, Beschluss vom 09.02.1995, BVerfGE 92, 130, 136) und vielmehr angenommen, dass zwar jeder Abgeordnete zur Mitwirkung an der Parlamentsarbeit berufen ist und daher auch die hierfür erforderlichen Informationen erhalten muss, dass aus dieser Stellung des Abgeordneten jedoch kein unmittelbares Rechtsverhältnis zwischen ihm und anderen Verfassungsorganen, aus dem er ggf. einen individuellen Informationsanspruch herleiten könnte, sondern nur zum Parlament selbst entsteht (BVerfG a. a. O., S. 135), mit der Folge, dass das Recht auf Einforderung der erforderlichen Informationen dem Parlament zusteht und nach Maßgabe der dafür gesetzten Regelungen (etwa in Geschäftsordnungen) geltend zu machen ist.
Nicht anders ist Art. 45 Abs. 2 S. 2 Verf. Nordkirche auszulegen – wie gerade das vorliegende Verfahren zeigt, wäre die Eröffnung eines Anspruches des einzelnen Synodalen auf Vorlage ganz bestimmter, von ihm definierter Informationen zum einen geeignet, die Gewichtung in der Verteilung der Aufgaben innerhalb des Kirchenkreises, wie sie in Art. 41 ff. Verf. Nordkirche vorgesehen ist, zu verschieben. Ein umfassendes Recht auf Einforderung von Informationen, wie die Klägerin es hier geltend macht, wäre geeignet, innerhalb der Kirchenkreissynode die Funktionen des Präsidiums, dem nach Art. 50 Abs. 3 Verf. Nordkirche die Führung der Geschäfte der Kirchenkreissynode obliegt, auf den einzelnen Synodalen zu verlagern.
In gleicher Weise würde in die Befugnisse des Kirchenkreisrates eingegriffen, der gem. Art. 53 Abs. 1 S. 1 Verf. Nordkirche Vertretung und Verwaltung aller Angelegenheiten des Kirchenkreises in eigener Verantwortung wahrnimmt, wozu bei der Durchführung von Verwaltungsmaßnahmen – wie etwa einem Neubau eines Dienstgebäudes – naturgemäß auch die Planung und Vorbereitung dieser Maßnahme und damit auch die Entscheidung darüber gehören muss, welche Informationen er – ebenfalls in „eigener Verantwortung – gem. Art. 53 Abs. 2 Nr. 1 Verf. Nordkirche in Vorbereitung der Beschlussfassung der Synode zuleitet.
Damit ist es nicht Sache der einzelnen Synodalen – wie es vorliegend die Klägerin im Ergebnis erstrebt – über die Anforderung ganz bestimmter Unterlagen und Angaben das Verhalten des Kirchenkreisrates zu steuern.
Der Klägerin war es unbenommen, im internen Diskussionsprozess der Synode darauf hinzuweisen, dass und welche Unterlagen nach ihrer Auffassung fehlten oder fehlerhaft waren, dass und welche weiteren Informationen noch einzuholen waren – wie sie es im Rahmen der Sitzungen der Synode offenbar auch versucht hat. Soweit es ihr nicht gelungen ist, die Mehrheit der Synodalen zu überzeugen und über einen Beschluss der Synode deren Präsidium zur Einforderung weiterer Informationen von der Verwaltung zu bewegen, konnte sie dieses Ergebnis nicht auf dem Wege der Geltendmachung eines individuellen Informationsanspruches – wie im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erstrebt – konterkarieren bzw. nunmehr die Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Beklagten feststellen lassen.“
Diese Argumentation, die unmittelbar auf den vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt übertragbar ist, soweit die Klägerin erneut bestimmte Informationen einfordert bzw. die Rechtswidrigkeit des Ausbleibens bestimmter Informationen festgestellt wissen will (Antrag zu 6), greift nach Auffassung der Kammer auch, soweit die Klägerin sich mit ihren übrigen Feststellungsanträgen durchweg gegen konkrete einzelne Handlungen der Sitzungsleitung bzw. der Abfassung des Protokolls durch das Präsidium der Synode bzw. dessen Präses wendet.
Auch insoweit ist nach Auffassung der Kammer allein der Synode selbst in ihrer Gesamtheit die Befugnis zu Beratung und Beschlussfassung zugewiesen – ihre Sache ist es, Handlungen des Präsidiums bzw. dessen Präses, die eine sachgerechte Beratung bzw. eine ordnungsgemäße Beschlussfassung beeinträchtigen könnten, entgegenzutreten bzw. sie zu beanstanden. Die o. g. erfolgte Auslegung der Verfassung ist auch insoweit sachgerecht.
Exemplarisch zeigen im Übrigen die Regelungen der Geschäftsordnung der Kirchenkreissynode zur Protokollabfassung und -berichtigung, dass die entsprechenden Befugnisse letztlich beim Kollektiv und nicht dem einzelnen Synodalen liegen, wenn in § 13 Abs. 7 S. 3 GeschO-Syn bestimmt ist, dass über Änderungsanträge die Synode entscheidet. In ähnlicher Weise folgt aus § 15 Abs. 5 GeschO-Syn, dass die Herrschaft über die Tagesordnung der Synodentagung wiederum bei der Gesamtheit der Synodalen liegt.
Auch wenn eine Auslegung des Verfassungsrechts – hier Art. 45 Abs. 2 S. 2 Verf. Nordkirche – nach Maßgabe des einfachen Rechts (hier sogar des untergesetzlichen Rechts in Form einer Geschäftsordnung, wobei allerdings zu beachten ist, dass mit Art. 6 Abs. 11 Verf. Nordkirche die Verfassung selbst den Erlass der Geschäftsordnung fordert) nicht unproblematisch ist, so deutet die damit erfolgte praktische Umsetzung der Regelung des Art. 45 Abs. 2 S. 2 Verf. Nordkirche doch zumindest indiziell darauf hin, dass in der Tat Adressat des Art. 45 Abs. 2 S. 2 Verf.-Nordkirche und Inhaber der dort statuierten Rechte nicht das einzelne Mitglied der Synode, sondern vielmehr die Gesamtheit der Synodalen ist.
Soweit die Klägerin der Auffassung ist, dass hier die Rechtsprechung des BVerfG zu Frage- und Informationsrechten des einzelnen Bundestagsabgeordneten anzuwenden sei (etwa BVerfGE 70, 324, 355), kann dem nicht gefolgt werden – die Klägerin verkennt, dass in Art. 38 GG ausdrücklich der einzelne Abgeordnete des deutschen Bundestages adressiert ist, während – wie ausgeführt – Art. 45 Abs. 2 S. 2 Verf-Nordkirche als Berechtigte gerade nur die Synode selbst nennt.
3.) Die Anträge der Klägerin sind auch nicht als „einfachgesetzliches“ Organstreitverfahren zulässig.
Zunächst sprechen die §§ 3, 4 VerfVwGG dafür, dass nach kirchlichem Prozessrecht Organstreitverfahren tatsächlich nur eröffnet sein sollen, soweit es um verfassungsrechtliche Fragen geht – gäbe es daneben eine umfassende Möglichkeit, auch im einfachen Recht fußende Konflikte zwischen Organen bzw. Organteilen vor Gericht auszufechten, so würde die ausdrückliche Regelung in §§ 3, 4 VerfVwGG letztlich überflüssig, insbesondere die umfassende Regelung der Zulässigkeit in § 4 VerfVwGG würde vollständig leerlaufen.
Die Verweisung des § 9 VerfVwGG auf das VwGG der EKD führt hier daher nicht dazu, dass für den Bereich der Nordkirche eine umfassende Möglichkeit zu Organstreitverfahren zur Durchsetzung einfachgesetzlicher Rechte eröffnet wäre.
In § 7 VerfVwGG ist vielmehr ein numerus clausus der statthaften Verwaltungsgerichtsverfahren festgelegt, unter denen ein Organstreitverfahren gerade nicht auftaucht.
Es fehlt auch an einer anderweitigen „ausdrücklichen“ Eröffnung der Organklage auf der Ebene des einfachen Rechts – der über § 9 VerfVwGG anwendbare § 17 VwGG.EKD sieht eine entsprechende Klageart nicht vor. Zudem ist § 15 VwGG.EKD zu entnehmen, dass die Regelungen dieses Gesetzes auf verfassungsrechtliche Streitigkeiten gerade nicht Anwendung finden – um eine solche aber handelt es sich vorliegend, wie oben im Detail ausgeführt wurde.
4.) Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 22 Abs. 1 KiGG). Eine Auslagenerstattung nach § 6 VerfVwGG i. V. m. § 34a Abs. 3 BVerfGG ist nach dem Ausgang des Verfahrens nicht angezeigt.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Dr. Kuhl-Dominik
(Präsident und Vorsitzender Richter)
Panten
(Rechtskundiger Richter)
Dr. Spiegelhalder
(Rechtskundige Richterin)
Waack
(Ordinierter Richter)
Dr. Pfaff
(Nichtordinierter Richter)